F. Schiller: Die Räuber – das Geschehen (Inhalt)

Friedrich Schiller: Die Räuber

1. Akt

I 1 Franz und der alte Moor in einem Saal des Moorischen Schlosses

Franz Moor bedrängt mittels eines Briefes aus Leipzig seinen alten Vater, seinen im Brief als Verbrecher denunzierten Bruder Karl zu verstoßen; er bringt seinen Vater dazu, selber einen diesbezüglichen Brief an Karl schreiben zu dürfen – alles angeblich aus Sorge um das Wohlergehen des alten Herrn.

In einem großen Monolog bekennt er, selber den anklagenden Brief aus Leipzig geschrieben zu haben. Er offenbart seinen Hass auf den älteren, schöneren und begabteren Bruder Karl. Er verspottet alles, was anderen Menschen heilig ist (ehrlicher Name, Gewissen, Verwandtschaft). „Ich will alles um mich her ausrotten, was mich einschränkt daß ich nicht Herr bin.“

I 2 Karl von Moor und Spiegelberg in einer Schenke an der Grenze von Sachsen

Karl Moor beklagt die Schlappheit des Jahrhunderts. Spiegelberg will ihn zu neuen Streichen ermuntern, indem er von den alten erzählt. Spiegelberg träumt von großen Verbrechen, Karl sehnt sich nach seiner Amalia und bekennt, den Vater umVergebung gebeten zu haben.

Schweizer, Grimm, Roller, Schufterle, Ratzmann treten auf.

Ein Brief Franz Moors zerstört alle Hoffnungen Karls. Spiegelberg schlägt den Genossen vor, in Böhmen eine Räuberbande zu gründen. Die Kameraden stimmen zu, Spiegelberg will Anführer werden.

Der wieder hinzukommende Karl Moor ist außer sich aus Enttäuschung über Franzens Brief: Der Vater verstoße ihn. Er will der Hauptmann der Räuber und Mörder sein: „Ich habe keinen Vater mehr, ich habe keine Liebe mehr, und Blut und Tod soll mich vergessen lehren, daß mir jemals etwas teuer war!“ Alle schwören ihm „Treu und Gehorsam bis in den Tod“; Spiegelberg steht enttäuscht abseits.

I 3 Franz und Amalia in Amalias Zimmer im Schloss

Franz gesteht Amalia seine Liebe, doch sie weist ihn zurück. Zweimal wird sie unsicher: als er verspricht, sich beim Vater für Karl einzusetzen, und als er ihr suggeriert, Karl habe Amalias Ring einer Dirne gegeben – doch sie fängt sich wieder. Als er ihr dann weismacht, Karl habe ihm beim Abschied Amalia anvertraut, entlarvt sie seine Lügen. Sie wirft ihn hinaus. Er droht ihr Schlimmes an; sie entsagt um Karls willen allen Reichtümern.

Ergebnis des 1. Aktes:

Die Hauptfiguren werden eingeführt: Franz Moor erweist sich als der böse Drahtzieher, der den Vater manipuliert, Karl zu verstoßen, und Karl dazu bringt, sich dem Räuberleben zuzuwenden. Bei Amalia scheitert er jedoch mit seiner Werbung und seinen Lügen.

Offen ist, ob es bei den Räubern wegen Spiegelbergs Enttäuschung Probleme geben wird, was die drei Figuren der Familie von Moor sowie Amalia tun werden und ob Karl den Weg nach Hause finden wird.

2. Akt

II 1 Franz von Moor nachdenkend in seinem Zimmer

Franz erwägt, wie er den Tod seines kranken Vaters herbeiführen kann; er will es über die Zerstörung seines Geistes durch Verzweiflung versuchen.

Hermann tritt auf.

Franz appelliert an Hermanns Kränkung durch den Vater und daran, dass Amalia seine Werbung zurückgewiesen und Karl gewählt hat. Er verspricht ihm Beförderung und Amalia und gewinnt ihn so dazu, verkleidet dem Vater die falsche Nachricht vom Tod Karls in Böhmen zu überbringen.

II 2 Moors Schlafzimmer, der Alte schlafend, Amalia

Der alte Moor träumt von Karl. Als er sich wegen dessen Verstoßung anklagt, beschwichtigt Amalia ihn. Sie singt das Lied vom Abschied Andromachas und Hektors.

Daniel kündigt einen Fremden an. Franz und der verkleidete Hermann kommen.

Hermann erzählt von Karl und seinem heldenhaften Tod im Krieg nebst demVorwurf, der Fluch des Vaters habe ihn zu den Soldaten getrieben. Der Alte verzweifelt. Auf einem Schwert steht, mit Blut geschrieben, eine Botschaft an Franz und Amalia. Der Alte wütet gegen Franz; Amalia muss ihm die biblische Geschichte von Jakobs Trauer um Joseph vorlesen. Der Alte stirbt, Franz frohlockt: „Weg dann mit dieser lästigen Maske von Sanftmut und Tugend! Nun sollt ihr den nackten Franz sehen, und euch entsetzen!“

II 3 Spiegelberg, Ratzmann, Räuberhaufen, in den böhmischen Wäldern

Spiegelberg prahlt mit seinem Trupp von 78 Räubern; er erzählt, wie er Leute anwirbt und was für Dinger sie zusammen drehen. Ratzmann berichtet von den Taten des Hauptmanns Moor, der eher wie Robin Hood agiert.

Schwarz kommt und berichtet, Roller und vier andere seien gehängt worden.

Räuber Moor zu Pferd; Schweizer, Roller, Grimm, Schufterle; Räubertrupp

Roller ist glücklich; es wird erzählt, wie Karl ihn gerettet hat – dafür wurde die Stadt angezündet, 83 Menschen kamen um, es wurde geplündert und gemordet – Karl Moor verdammt unnötige Verbrechen und wirft Schufterle raus. Er will fliehen, kommt aber zurück: Die Räuber sind von Soldaten eingekesselt. Moor macht einen Schlachtplan.

Ein Pater tritt auf, beschimpft Moor und bietet ihm an, gerädert zu werden. Moor bekennt sich schuldig und berichtet auch von der Bestrafung verbrecherischer Würdenträger. Er wirft der Kirche ihre Verbrechen vor, will sich nur vor Gott verantworten: „Sag ihnen, mein Handwerk ist Wiedervergeltung…“ Der Pater verspricht den Räubern Amnestie und Belohnung, wenn sie Moor fesseln. Der ermuntert seine Leute, dies zu tun. Roller, Schweizer, alle wollen ihn retten. „Itzt sind wir frei – Kameraden! (…) Tod oder Freiheit! Wenigstens sollen sie keinen lebendig haben.“ Der Kampf beginnt.

Ergebnis des 2. Aktes:

Franz Moors Plan ist zu einem Teil mit dem Tod seines Vaters geglückt, er zeigt sein wahres bereits bekanntes Gesicht. Karl Moor wird als Räuberhauptmann vorgestellt, der einerseits alles für einen gefangenen Kameraden tut, dem die Räuber unbedingt treu folgen, der anderseits die verbrecherischen Reichen bestraft – sein Handeln ist zwiespältig.

Offen sind die Fragen, ob Franz Moor weiterhin Erfolg haben wird (Amalia gewinnen), wie der Kampf der Räuber ausgehen wird und wie Karl Moor aus der Räuberei herauskommen kann.

3. Akt

III 1 Amalia im Garten, spielt auf der Laute.

Sie beklagt im Lied den Tod des Geliebten.

Franz tritt auf, bietet ihr Herz, Hand und Reichtum an. Sie weist ihn zurück. Er droht ihr mit dem Kloster, was sie begrüßt. Da droht er ihr mit Vergewaltigung – sie verjagt ihn mit seinem Degen.

Hermann kommt und gesteht, dass Karl und ihr Oheim noch leben. Amalia ist neu beseelt.

III 2 Die Räuber lagern an der Donau.

Alle sind erschöpft, Moor ist ob seines Räuberlebens deprimiert; 300 Feinde sind gefallen, bei den Räubern nur Roller.

Kosinsky kommt, will zu den Räubern gehören; Moor warnt ihn, weist ihn zurück. Kosinsky erzählt, wie man ihm seine Braut Amalia entrissen hat. Das Stichwort „Amalia“ elektrisiert Moor, alle brechen auf nach Franken.

Ergebnis des 3. Aktes:

Es deutet sich eine Wende zum Guten an: Sowohl Amalia als auch Moor haben sich dem anderen zugewandt, der alte Graf scheint noch zu leben.

4. Akt

IV 1 Gegend beim Moorischen Schloss: Räuber Moor, Kosinsky

Kosinsky soll den „Graf von Brand“ melden. Moor im Monolog: Er ist hin und her gerissen zwischen Glück und Verzweiflung.

IV 2 Galerie im Schloss, Räuber Moor und Amalia

Amalia führt Karl Moor unerkannt durch das Schloss; er ist bei einem Bild seines Vaters gerührt, sie bei seinem Bild. Er fühlt sich als Mörder des Vaters.

Franz Moor allein, erkennt im Fremden plötzlich seinen Bruder wieder.

Daniel kommt, Franz Moor wittert in ihm einen Feind und bekniet ihn, seinen Bruder am nächsten Tag zu töten. Im Monolog offenbart er seine ganze Bosheit.

IV 3 Zimmer im Schloss, Räuber Moor und Daniel

Daniel erkennt den Grafen Moor und erzählt aus dessen Kindheit.

Kosinsky kommt, Moor will mit ihm fliehen und geht dann in den Hof.

IV 4 Im Garten, Amalia

Sie ist von dem fremden Grafen fasziniert, lebt in Erinnerung an Moor.

Moor kommt, sie erkennt ihn nicht, er spricht in Bildern von der Liebe zu seiner Amalia, die allerdings von einem Mörder geliebt werde. Sie singen abwechselnd das Hektor-Andomacha-Lied, er flieht.

IV 5 Wald, Nacht, die Räuberbande

Sie singen ein Räuberlied. Spiegelberg will Razmann zum Mord an Moor überreden, um selber Chef zu werden; Schweizer ersticht ihn.

Moor und Kosinsky kommen, Moor ist vom Besuch im Schloss bewegt. Die Räuber gehen schlafen, Moor sinnt über sein Geschick und das Schicksal des Menschen. „Sei wie du willt namenloses Jenseits – bleibt mir nur dieses mein Selbst getreu – Sei wie du willt, wenn ich nur mich selbst mit hinübernehme – …“ Er erwägt und verwirft den Selbstmord.

Hermann kommt und bringt dem eingesperrten alten Grafen Brot und Wasser. Karl befreit den Vater, der erzählt, wie Franz den Scheintoten vor drei Monaten entsorgt und Hermann ihn vor dem Tod bewahrt hat; er trauert um Karl, ohne ihn zu erkennen. Moor ruft die Räuber herbei und beauftragt Schweizer, Rache zu üben und Franz lebendig herzubringen.

Ergebnis des 4. Aktes:

Die beiden Handlungsstränge werden im Schloss zusammengeführt. Karl Moor wird von einigen, aber nicht von Braut und Vater wiedererkannt. Mit Franzens Mordplan, der Befreiung des Vaters und dem Auftrag zur Rache drängen die Ereignisse zu einem Ende; offen ist Karls Abrechnung mit Franz Moor und die Frage, was die offene Begegnung von Karl und Amalia bringen wird.

5. Akt

V 1 Nacht, Aussicht von vielen Fenstern, Daniel mit einer Laterne

Daniel will fliehen,

Franz Moor kommt, ist aufgelöst wegen des Angriffs der Räuber; er schickt nach dem Pastor, wird kurz ohnmächtig, erzählt seinen Traum vom Weltgericht, schaudert vor dem Tod.

Pastor Moser tritt auf, streitet mit Franz über das Weltgericht; dass Vatermord die schlimmste Sünde sei, erschüttert diesen; er schickt Moser fort.

Ein Bedienter meldet, dass Amalia geflohen ist.

Daniel kommt, Franz beschwört ihn um Hilfe, das Schloss brennt.

Volksauflauf, die Räuber kommen, Franz erdrosselt sich, die Räuber finden die Leiche, Schweizer erschießt sich.

V 2 Schauplatz wie IV 5; der alte Moor, Karl, Räuber hin und her im Wald.

Der alte Moor trauert um Karl, segnet Karl auf dessen Bitte, ohne ihn zu erkennen.

Schweizers Gefährten vermelden den Tod Franzens und Schweizers.

Neue Räuber, Amalia kommen, Karl Moor rast wegen der begangenen Morde, will fliehen, wendet sich in Liebe Amalia zu. Die Räuber erinnern ihn an seinen Treueschwur in Böhmen. Er löst sich von Amalia, sie bittet um den Tod, er tötet sie: „Die Narben, die böhmischen Wälder! Ja ja! Dies mußte freilich bezahlt werden.“ Er erkennt, dass zwei Menschen wie er „den ganzen Bau der sittlichen Welt zu Grund richten würden“. Er legt sein Amt als Hauptmann nieder, um sich dem Gericht zu stellen. Er erinnert sich an einen Armen, der ihn anzeigen soll, damit er das Kopfgeld bekommt.

Ergebnis des 5. Aktes:

Den bösen Franz Moor trifft die Strafe. Karl hat sich so in Schuld verstrickt, dass er die endlich gefundene Amalia nicht als Braut haben kann. Er entsagt, tötet sie selber und will sich angesichts seiner Schuld dem Gericht stellen. Was aus dem alten Vater und den Räubern wird, bleibt offen.

https://de.wikipedia.org/wiki/Die_R%C3%A4uber

https://www.friedrich-schiller-archiv.de/inhaltsangaben/zusammenfassung-die-raeuber/

http://www.rither.de/a/deutsch/schiller–friedrich/die-raeuber/

https://www.xlibris.de/Autoren/Schiller/Werke/Die%20R%C3%A4uber%20%E2%80%93%20Kabale%20und%20Liebe%20%E2%80%93%20Wilhelm%20Tell

H. A. Korff über das Drama des „Sturm und Drang“ und Goethes „Faust“

Hermann August Korff hat mit dem vierbändigen Werk „Geist der Goethezeit. Versuch einer ideellen Entwicklung der klassisch-romantischen Literaturgeschichte“ ein hinreißendes Buch geschrieben, das man nur noch antiquarisch bei ebay oder booklooker usw. erwerben kann. Den 1. Band (Sturm und Drang) hat die University of Toronto Library ins Netz gestellt ( http://www.archive.org/stream/geistdergoetheze01korfuoft/geistdergoetheze01korfuoft_djvu.txt); unter http://www.archive.org/stream/geistdergoetheze01korfuoft/geistdergoetheze02korfuoft_djvu.txt kann man im Text blättern (mit ie, firefox und safari, nicht mit opera!). Man kann den 1. Band auch als Datei herunterladen, siehe http://www.archive.org/details/geistdergoetheze01korfuoft, vgl. auch http://openlibrary.org/books/OL17993647M/Geist_der_Goethezeit.

Ich stelle zunächst die Grundidee des Buches vor, wie sie im ersten Kapitel der Einleitung skizziert wird: Geist der Goethezeit (Kap. I des Buchs, erster Teil der „Einleitung“)

1. Der Humanitätstraum des gebildeten deutschen Bürgertums

Dieser Humanitätstraum der gebildeten Bürger ist das Gegenbild ihres in der Arbeitsteilung verkümmerten Bürgerseins, eine Flucht in die Dichtung; der Weg zur Humanität geht über die ästhetische Erziehung der Bürger. Das führt zu einer Spannung in den bürgerlichen Dichtern selbst, in ihrer bürgerlichen Existenz: Sie leiden an ihrer Entfremdung von der Gesellschaft. Das kann zum Weltschmerz führen (Wertherkrankheit), aber auch zu einer Anklage der bürgerlichen Gesellschaft; deshalb haben sich die Dichter deshalb gern als Freunde oder in Dichterzirkeln zusammengeschlossen.

Das Urerlebnis der Goethezeit (1770 – 1830) und ihrer Dichter ist die Spannung zwischen dem Idealismus ihres Geistes und dem Realismus ihres bürgerlichen Grundes. Diese Spannung kann sich ausformen als scharfe Anklage (Lenz), als humorvoll-idealistische Rettung der Kleinbürger (Jean Paul), im Entwurf von Gegenbildern (Idyllen – romantische Ideale verlagern diese in die Vergangenheit) oder in der Idee, den humanen Menschen zu vergesellschaften (Wilhelm Meister, Faust).

2. Die philosophische Umbildung der Religion

Diese Umbildung ist der zentrale Vorgang der Goethezeit. Nachdem die „Aufklärung“ zu einer Abkehr von den Kirchen (unter Anerkennung eines Gottes: Deismus) geführt hatte, wurde nun der christliche Dualismus (Himmel-Hölle, Gott-Mensch) selbst überwunden und der Welt eine göttliche Tiefe verliehen. Das heißt dann Pantheismus: Gott ist die Seele der Welt. Die Welt ist ein werdender Gott, die Auseinandersetzung Gottes mit sich selbst. Als Weltgeist umfasst das Göttliche alle Gegensätze in sich.

Dem entspricht eine neue Weltfrömmigkeit als Gefühl. Das ist Naturvertrauen, Naturgefühl; rein äußerlich kann es im christlichen Gewand einherkommen („Vorspiel im Himmel“), aber auch andere Religionen können dieses Gewand liefern. Toleranz ist der neuen Religion wesentlich.

3. Die Religion der Kunst

Kunst dient dazu, sich ehrfürchtig in die Welt versenken zu können, und ist damit die neue Religion. Kunst ist für die Ausbildung der Humanität notwendig; erst in der ästhetischen Erziehung vollendet sich die Humanität. Kunst erlöst uns (Schiller: Das Ideal und das Leben), sie versöhnt uns mit der Wirklichkeit. Klassisch ist Kunst dann, wenn sie aus der Not erlöst und mit dem Leben versöhnt.

Richtige Dichtung ist das Werk eines wahren Dichters. Der Dichter ist nämlich der wahre Mensch, also der, dem nichts Menschliches fremd ist – der alles erleben könnte, nicht alles erlebt haben muss (Erlebnisdichtung). Er ist Genie; seine Intuition kann er sprachlich verwirklichen. Diese Intuition kommt „von oben“, meistens spricht man von der Muse. Aber diese Muse muss als Göttin der Wahrheit verstanden werden; so ist der Dichter dem Philosophen verwandt, er ist ein Weiser.

*** Im zweiten Kapitel wird die Entwicklung der Goethezeit skizziert, ehe es im 1. Teil mit dem „Sturm und Drang“ losgeht.

Ich möchte in einigen Zitaten noch ein paar zentrale Einsichten des Buches vorstellen, um den Geschmack an der Lektüre (und evtl. am Kauf) des Buchs zu wecken: jeweils den Anfang der Ausführungen über das Drama des Sturm und Drang, über Gretchen (Faust I) und Faust selbst. Ich nenne die Seiten (des ersten Links), auf denen man den betreffenden Textanfang finden kann:

„Wir rücken nun sogleich in das Zentrum des irrationalen Dramas, wenn wir als sein eigentliches Charakteristikum die Unberechenbarkeit seiner Menschentypen und demgemäß als etwas eigentümlich Neues den ,schwachen Charakter’ erkennen, wie ihn gewisse ,Helden’ der Goetheschen Jugenddramen, Weislingen, Clavigo, Fernando usw., verkörpert zeigen…“ (S. 190)

„Auch in dieser Hinsicht [Liebe – Ehe, N.T.] ist die Sturm-und-Drang-Periode also nur die Vollendung der Aufklärung. (…) — Die klassischen Gestalten in einer dieser Hinsichten sind K l ä r c h e n und Gretchen, die Mädchen einfacher Gesellschafts- und ebensolcher Bildungskreise, die auch ohne die Formalität der Eheschließung dem Manne ihrer Wahl als etwas ganz Natürliches ihre höchste Liebesgunst gewähren: nicht im Zusammenhang mit irgendeiner bewußten Auflehnung gegen die Idee des Standesunterschiedes, dessen gesellschaftliches Recht nicht weiter in Frage gestellt wird, sondern als ein Naturrecht wahrer Liebeszusammengehörigkeit, das — und darin liegt das Entscheidende — über aller Sitte steht. Hier wird nicht wie in ,Kabale und Liebe’ der Versuch gemacht, für das Naturrecht der Liebe auch die gesellschaftliche Legitimation zu ertrotzen, hier ist die Liebe vielmehr jener Sphäre völlig entrückt, wo sie noch der gesellschaftlichen Legitimation bedarf.“ (S. 244)

„Obgleich wir somit zwischen den Faustdichtungen Müllers, Lessings und Goethes bedeutsame Zusammenhänge und daraus weiterhin erkennen, wie sehr Goethes Faustdichtung vom Geiste ihrer Zeit getragen wurde, hat nun doch schon der Urfaust Goethes jene ganz geniale, unterscheidende Wendung, durch die er seine Vorgänger weit hinter sich läßt. Was unter anderem darin charakteristisch zum Ausdruck kommt, daß alle Faustdichtungen vor Goethe mit einem Vorspiel in der Hölle beginnen, der spätere Goethesche Faust aber mit einem Prolog im Himmel, das offenbart sich innerlich in der entscheidenden Tatsache, daß jeder vorgoethesche Faust den Teufel, der Goethesche Faust aber an Stelle des Teufels den Erdgeist beschwört, nicht den Luzifer des alten Gottes, sondern den neuen Gott. Und erst der neue Gott, dessen unendliches Wesen der endliche Faust nicht zu erfassen und zu ertragen vermag, gesellt ihm, dem über das Irdische Hinausstrebenden, den zur Erde Hinabziehenden, von der christlichen Weltanschauung der ,Böse’ genannten Mephisto bei, in Wahrheit den Diener des Erdgeistes, dessen Führung sich der nach universaler Welt- und Gotteserfahrung dürstende Faust anvertrauen muß, wenn der Erdgeist seinem menschlich eingeschränkten Auffassungsvermögen zum wirklichen Erlebnis werden soll.“ (S. 293 f.)

Der 1. Band enthält natürlich viel, viel mehr; ich wollte hier nur an drei kleinen Beispielen zeigen, was man von diesem Buch erwarten darf. Im 4. Band begreift man die Idee des Ganzen erst richtig, wenn man unter Korffs Anleitung die Romantik als die Vollendung des „Sturm und Drang“ bzw. diesen als die Wurzel der deutschen literarischen Romantik versteht.

—– Vgl. zu „Faust I“ auch noch

https://norberto42.wordpress.com/2012/01/02/goethe-faust-i-magie/

https://norberto42.wordpress.com/2012/01/02/goethe-faust-i-faust-und-hiob/

https://norberto42.wordpress.com/2012/01/02/goethe-faust-i-pakt-und-wette-verlauf-und-funktion/

https://norberto42.wordpress.com/2012/01/02/goethe-faust-i-aufbau-der-gretchenhandlung/

https://norberto42.wordpress.com/2012/01/02/goethe-faust-i-motiv-weben/

https://norberto42.wordpress.com/2011/10/30/lieder-und-chore-in-faust-i/

https://norberto42.wordpress.com/2012/03/10/goethe-faust-i-erste-analysen/

https://norberto42.wordpress.com/2011/05/25/goethe-faust-i-entstehung-geschichte-des-textes/