Ludwig Uhland: ein Rückblick
Das hier wird nur ein ganz kleiner Rückblick, nachdem ich mich intensiver mit einigen Gedichten Uhlands beschäftigt habe. Ich habe viele seiner Gedichte gelesen, wollte alle lesen, habe aber bei den ellenlangen Balladen beizeiten damit aufgehört. Uhlands Balladen befriedigten zu ihrer Zeit ein Bedürfnis, für das es heute Filme gibt und vor 50 Jahren „Heftchen“ gab. Nicht nur wegen der Bekanntheit, sondern auch wegen des Pathos gibt es zum Beispiel von „Des Sängers Fluch“ eine Reihe von Parodien; die Zeit solcher Balladen ist vorbei.
Ein Beispiel nationaler Überheblichkeit bietet die Ballade „Schwäbische Kunde“, in der von einem Kreuzzug Barbarossas erzählt wird:
Nun war ein Herr aus Schwabenland,
Von hohem Wuchs und starker Hand,
Des Rößlein war so krank und schwach,
Er zog es nur am Zaume nach,
Er hätt es nimmer aufgegeben
Und kostet’s ihn das eigne Leben.
So blieb er bald ein gutes Stück
Hinter dem Heereszug zurück;
Da sprengten plötzlich in die Quer
Fünfzig türkische Reiter daher,
Die huben an, auf ihn zu schießen,
Nach ihm zu werfen mit den Spießen.
Der wackre Schwabe forcht sich nit,
Ging seines Weges Schritt vor Schritt,
Ließ sich den Schild mit Pfeilen spicken
Und tät nur spöttlich um sich blicken,
Bis einer, dem die Zeit zu lang,
Auf ihn den krummen Säbel schwang.
Da wallt dem Deutschen auch sein Blut,
Er trifft des Türken Pferd so gut,
Er haut ihm ab mit einem Streich
Die beiden Vorderfüß zugleich.
Als er das Tier zu Fall gebracht,
Da faßt er erst sein Schwert mit Macht,
Er schwingt es auf des Reiters Kopf,
Haut durch bis auf den Sattelknopf,
Haut auch den Sattel noch zu Stücken
Und tief noch in des Pferdes Rücken;
Zur Rechten sieht man wie zur Linken
Einen halben Türken heruntersinken.
Da packt die andern kalter Graus,
Sie fliehen in alle Welt hinaus,
Und jedem ist’s, als würd ihm mitten
Durch Kopf und Leib hindurchgeschnitten.
Als Schüler fand ich diesen tollkühnen Schwaben (Deutschen!) gut, die beiden Verse vom heruntersinkenden Türken kenne ich seitdem auswendig. Ein anderes Lied mit einer bedenklichen Passage ist das „Metzelsuppenlied“ (1815) – ich traue mich fast nicht, es zu zitieren:
Wir haben heut nach altem Brauch
Ein Schweinchen abgeschlachtet;
Der ist ein jüdisch eckler Gauch,
Wer solch ein Fleisch verachtet.
Es lebe zahm und wildes Schwein!
Sie leben alle, groß und klein,
Die blonden und die braunen!
So säumet denn, ihr Freunde, nicht,
Die Würste zu verspeisen,
Und laßt zum würzigen Gericht
Die Becher fleißig kreisen!
Es reimt sich trefflich: Wein und Schwein,
Und paßt sich köstlich: Wurst und Durst,
Bei Würsten gilt’s zu bürsten.
Auch unser edles Sauerkraut,
Wir sollen’s nicht vergessen;
Ein Deutscher hat’s zuerst gebaut,
Drum ist’s ein deutsches Essen.
Wenn solch ein Fleischchen, weiß und mild,
Im Kraute liegt, das ist ein Bild
Wie Venus in den Rosen. (…)
Dieses Gedicht entfaltet eine witzige Idee, aber ohne heftigen Seitenhieb auf die Juden und ihre Essensgebräuche scheint das Lob der deutschen Küche nicht zu gelingen – ich würde zu Schwein und Sauerkraut übrigens ein Bier und keinen Wein trinken. Ansonsten erklingt bei Uhland das Lob des guten bürgerlichen Lebens, vielleicht auch des spießbürgerlichen Lebens, etwa in „Wanderung“ (1834/35, siehe die Analyse oben!):
Ich kam zum Bürgerhause,
Gern denk‘ ich dran zurück,
Fern vom Parteigebrause
Blüht Tugend hier und Glück.
Lebt häuslich fort, wie heute!
Bald wird vom Belt zum Rhein
Ein Haus voll guter Leute,
Ja! ein Gutleuthaus sein.
Wie gesagt, das sind nur ein paar Eindrücke, aber eben doch an Texten orientierte Eindrücke vom Dichter Ludwig Uhland.
Uhland
http://georgsatke.heimat.eu/safluch.html „Des Sängers Fluch“ – Parodie
https://www.sachsen-lese.de/index.php?article_id=1148 dito
https://www.youtube.com/watch?v=hfXG1yCuJ90 dito,
siehe auch „Des Schadchens Fluch“ u.a.
https://archive.org/details/bub_gb_50EQAAAAYAAJ/page/n3/mode/2up (Uhland: Gedichte, Bd. 1)
https://archive.org/details/bub_gb_TcYMAQAAIAAJ/page/n3/mode/2up (dito, Bd. 2)
http://www.zeno.org/Literatur/M/Uhland,+Ludwig/Gedichte (Gedichte, Ausgabe letzter Hand, 1862)
https://archive.org/details/ludwiguhlanddie00haaggoog/page/n3/mode/2up (Die Entwicklung des Lyrikers)
https://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_Uhland (Uhland: Leben)
https://www.deutsche-biographie.de/sfz6857.html (Uhle: Leben, 2016, knapp)
https://www.deutsche-biographie.de/sfz6857.html#adbcontent (Leben, 1895 – wesentlich umfangreicher)
https://archive.org/details/bub_gb_e7s5AAAAMAAJ/page/n7/mode/2up (Uhlands Leben, von seiner Witwe, 1874)
https://www.academia.edu/40567951/Ludwig_Uhland_T%C3%BCbinger_linksradikaler_Nationaldichter_Hrsg_von_Georg_Braungart_und_Stefan_Kn%C3%B6dler_T%C3%BCbingen_2012 (Würdigung, 2012)