Schlaf und Tod, die düstern Adler…
Text
http://literatur-community.de/forum/gedichte/1997-georg-trakl-s-klage-lyrikrunde/ (mit Interpretationen von Laien)
http://www.versalia.de/archiv/Trakl/Klage.83.html
http://www.literaturwelt.com/werke/trakl/klage1.html
http://www.hs-augsburg.de/~%20harsch/germanica/Chronologie/20Jh/Trakl/tra_bre1.html (dort als „Klage II“)
(Es gibt auch das Gedicht „Nächtliche Klage“: http://www.textlog.de/19434.html, und ein weiteres Gedicht „Klage“: http://www.zeno.org/Literatur/M/Trakl,+Georg/Gedichte/Ver%C3%B6ffentlichungen+im+%C2%BBBrenner%C2%AB+1914-15/Klage)
Das Gedicht „Klage“, eines der letzten Trakls, wird öfter als Beleg für die Erfahrung von Depression oder Schwermut zitiert; es ist also wohl nicht nur das Kriegserleben Trakls, was sich hier ausdrückt. Es ist die Klage eines Menschen, der mit Nietzsche dem Nihilismus standhalten musste.
Schlaf und Tod (thanatos und hypnos) gehören bereits nach Hesiod zusammen, sie sind Kinder der Nacht (nyx); nach Homer haben sie sogar als Zwillinge zu gelten (Ilias, 16. Gesang, Zeile 671 ff.). Sie „umrauschen nachtlang dieses Haupt“ (V. 2), bedrohen es also; als Adler (Metapher) sind sie Raubvögel, stark und zupackend – ihr Flügelschlag ist ein Rauschen, ihr Aussehen ist düster-bedrohlich. Mit dieser ersten Klage über die erfahrene Bewusstlosigkeit beginnt der Sprecher, der sich hinter dem Demonstrativum „dieses“ verbirgt, seinen Klagegesang. Die von den Adlern ausgehende Drohung wird in den nächsten Versen benannt, im Konjunktiv II formuliert: dass des Menschen goldenes Bildnis verschlungen würde (V. 3-5). Dieses Bildnis ist nicht nur das eigene Bild, sondern das Bild des Menschen an sich, das in einer geist-losen Ewigkeit entschwinden wird, untergegangen wie im Meer. Ob das Attribut „eisig“ eine Anspielung auf den Kältetod ist, der nach dem Gesetz der Entropie alle Differenzen einebnen wird, wie Karl Eibl vermutet? Die eisige Woge ist jedenfalls übermächtig, tödlich: Ewigkeit als Ende der Zeit, als Ende des Zeitwesens Mensch, der hinweggefegt wird; Ewigkeit als Meereswoge (Metapher).
Das Bild der Meerwoge, des Sturzbrechers Ewigkeit wird im Folgenden ausgemalt: Der Leib zerschellt an Riffen; dass er purpurn ist (V. 6), ist ein letztes Zeichen seiner ehemaligen Würde: „Im alten Rom war Purpur den Togen und einige Zeit sogar nur den Schärpen der Senatoren vorbehalten. Es war der Farbstoff der Toga von Triumphatoren und des Kaisers.“ (Wikipedia) Mit der Konjunktion „Und“ (V. 7) eingeleitet, wird die gleichzeitige Klage des Untergehenden berichtet – oder ist die dunkle Stimme die eines anderen? Ist der Klageruf vielleicht bereits dieses Gedicht „Klage“?
Nun wird vom Sprecher die Schwester angesprochen, sie ist die „Schwester [in] stürmischer Schwermut“; die Schwester ist die letzte Instanz, an die der Sprecher sich in seiner Hilflosigkeit wenden kann; es hört ihn kein GOTT und kein Kaiser – und wenn die Schwermut „stürmisch“ ist, so ist sie vielleicht die große Woge, die alles hinwegfegt. Die Schwester wird auf den Untergang des Kahns hingewiesen (V. 10 f.), der metonymisch „ängstlich“ genannt wird; die Schwester ist hier ein Urbild letzter Verbundenheit, Symbolisierung der Schwester Trakls, zu der dieser ein [zu] inniges Verhältnis hatte.
Zum Schluss wird die Kulisse des Untergangs beschrieben: „Unter Sternen…“ (V. 11 f.); wenn sie das Antlitz der Nacht sind, so ist „Nacht“ ihr Wesen, alles Lebenslicht ist erloschen. Wenn das Antlitz „schweigend“ genannt wird, ist es dem Klageruf des Untergehenden entgegengesetzt; war die Stimme dunkel (V. 7), so hat sie derart bereits die Nacht und ihr Schweigen vorweggenommen.
Die Sprache des Gedichts ist gehoben, ohne Reim und Metrum; nur der Zeilenschnitt gliedert die vier Sätze. Abgetrennt werden so Subjekt, Objekt, Attribut, Adverbial – das Sprechen wird gebremst, wird zur Meditation.
Vier Bilder beherrschen das Gedicht: die düstern Adler, das goldene Bildnis des Menschen [sonst dem Kaiser oder der Göttin vorbehalten], der Untergang unter der großen Woge, das Antlitz der Nacht; von diesen Bildern gehören drei als Bedrohungsszenario zusammen, während das goldene Bildnis bedroht wird – und nicht nur bedroht wird, sondern untergeht.
Um Karl Eibls Aufsatz über den Expressionismus (mit kurzer Analyse von „Klage“ zu lesen, kann man hier klicken, aber auch „Karl Eibl: Expressionismus“ eingeben; dann sind andere Seiten im google-book weggelassen.
Vortrag
http://www.dctp.tv/ („Grodek“ und „Klage“)
http://www.youtube.com/watch?v=mTK8dzxrUrU (gesungen von „Leichenwetter“)
http://www.youtube.com/watch?v=4ZWRM0s_BAg&list=PLkA4yucCP-Ky6uDR1879Cqz0NPHgYDDVF (eine Reihe von Trakl-Gedichten)
http://www.deutschelyrik.de/index.php/trakl.html (von F. Stavenhagen gesprochene Gedichte – „Klage“ ist nicht dabei)
Schwermut: Gedichte
http://gedichte.xbib.de/_Schwermut_gedicht.htm
http://gedichte.xbib.de/_Melancholie_gedicht.htm
http://www.lyrik-lesezeichen.de/gedichte/melancholische_gedichte.php
http://www.was-ist-depression.net/2012/06/depression-gedichte-depressionen.html
http://borderline-syndrom.beepworld.de/gedichte.htm
http://lyric4life.npage.de/gedichte/depressive-gedichte.html
http://www.textlog.de/17588.html (Trakl: Die Schwermut)
http://www.gedichte.eu/71/george/der-teppich-des-lebens/juli-schwermut.php (George)
http://www.gedichte.eu/71/morgenstern/melancholie.php (Morgenstern)
http://de.wikipedia.org/wiki/Melancholie_%28Gottfried_Keller%29 (Keller)
Sonstiges
http://gedichte-werkstatt.de/Trakl/Interpretationen.html (Text und kurze Interpretation vieler Gedichte Trakls, darunter auch „Klage“ – das Bild von der Seefahrt = Leben halte ich für falsch)
http://www.literaturnische.de/Trakl/texte.htm (alle Texte Trakls)
http://www.gasl.org/refbib/Trakl__Dichtungen.pdf (Dichtungen)
http://www.textlog.de/trakl.html (dito)
http://www.babelmatrix.org/works/de/Trakl,_Georg (dito)
http://www.textkritik.de/trakl/trakl.htm (Reproduktionen aller Texte im „Brenner“)
http://www.georgtrakl.de/index.html (Die Lyrik Trakls anhand exemplarischer Beispiele)
http://home.arcor.de/sonnenblume69/trakl.htm (Natur und Schwermut in den Gedichten Trakls)
http://www.reiprich.com/peregrina/Nacht_in_Dichtung.pdf (Die Nacht in der Dichtung)
http://kups.ub.uni-koeln.de/619/1/11w1021.pdf (Angelika Zawodny: „[…] erbau ich täglich euch den allerjüngsten Tag.“Spuren der Apokalypse in expressionistischer Lyrik, Diss. 1999)
https://www.facebook.com/alejandro.graziani.9/posts/361099504022799 (Georg Trakl)
http://deu.1september.ru/article.php?ID=200700511 (Georg Trakl)
http://de.wikipedia.org/wiki/Georg_Trakl (dito)
http://altmarius.ning.com/profiles/blogs/georg-trakl (dito)
http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=40754 (dito)
http://www.zeit.de/1987/06/die-fremde-naehe-des-georg-trakl/seite-1 (Würdigung zum 100. Geburtstag)
http://www.studentshelp.de/p/referate/02/461.htm (Hermetische Lyrik: George – Trakl – Benn)
http://www1.ids-mannheim.de/fileadmin/lexik/lehre/engelberg/Webseite_Lyrik_Linguistik/Sauermann-Referat-Dietz-Schmidt.pdf (Valenzverstöße in den Gedichten Georg Trakls)
http://www.inst.at/trans/6Nr/cellbrot.htm (Zu Trakl und Nietzsche)
http://www.uibk.ac.at/brenner-archiv/bibliothek/pdf/ficker_2_gesamt.pdf (L. von Ficker: Briefwechsel 1914-1925, darin 1914: Briefwechsel mit Trakl)
https://archive.org/stream/menschheitsdmm00pintuoft#page/n5/mode/2up (Anthologie „Menschheitsdämmerung“, 1920)
https://archive.org/stream/verkndigungant00kays#page/n5/mode/2up (Verkündigung. Anthologie junger Lyrik, hrsg. von Rudolf Kayser, München 1921)