Marko Martin: Dissidentisches Denken (2019) – gelesen

Wer oder was ist ein Dissident? Hören wir zwei Definitionen, eine aus dem Wörterbuch und eine aus einem Politiklexikon:

1. [Politik] jmd., dessen Ansicht von einer offiziellen (Lehr-)‍Meinung, einer politischen oder staatlichen Ideologie abweicht und der seine Kritik öffentlich kundtut

2. [Religion] jmd., der keiner Religionsgemeinschaft angehört; jmd., der von der offiziellen theologischen Lehrmeinung abweicht(DWDS)

Als D. werden Personen bezeichnet, die eine vorgegebene politische oder religiöse Ordnung infrage stellen, von ihr abweichen oder ihr widersprechen; wird v. a. für politische Gegner in autoritären und diktatorischen Regimen verwendet.“ (Schubert, Klaus/Martina Klein: Das Politiklexikon. 2020)

Marko Martin, Jahrgang 1970, kam im Mai 1989 wegen eines Hochschulverbots und als Kriegsdienstverweigerer aus der DDR in die Bundesrepublik; er war somit selber ein Dissident. Wenn er ein dickes Buch über dissidentisches Denken schreibt, kann man also kompetente Belehrung erwarten: Er könnte entweder das dissidentische Denken oder verschiedene Typen des dissidentischen Denkens erklären oder Fälle dissidentischen Denkens vorstellen. Das alles tut er nicht. Der Untertitel sagt, was er präsentiert: „Reisen zu den Zeugen eines Zeitalters“. Er berichtet durchweg von Besuchen bei verschiedenen Personen in einem anekdotischen Stil, flicht darin Bemerkungen zu ihrer Biografie und zu ihren Büchern ein; gelegentlich zitiert er ein paar Sätze, wobei er auch vor zahlreichen Wiederholungen nicht zurückschreckt. An der Stelle, wo er über Czeslaw Milosz’ Buch „Verführtes Denken“ (1953) spricht, kommt er einer Erklärung dissidentischen Denkens fast nahe: Milosz habe gefragt, „ob es ohne jene bereits dem Christentum innewohnende eschatologische Hybris wohl einen Hegel und Marx gegeben hätte – ein neues Heilsversprechen minus Transzendenz“ (S. 285). Dissidenten würden dann diesem Heilsversprechen angesichts erfahrener Realität nicht trauen – wobei für viele Leser „eschatologische Hybris“ vermutlich unverständlich bleibt.

Viel klarer wird dieser Gedanke von Manes Sperber formuliert, am Ende seines Essays „Der vielfache Tod des Wladimir Iljitsch“: „[E]s ist wohl schon des öfteren geschehen, daß man die Heilsbotschaft auch nach ihrer Desavouierung empfangen hat, als wäre sie selbst die Erlösung. Man mag daraus schließen, dass die Menschen die Botschaft, welche die Hoffnung nährt, dringender brauchen als die von ihr angekündigte Erlösung.“ Dissidentisches Denken wäre dann eines, das nach anfänglichem Glauben auf die Illusion der Erlösung und damit auch auf die jeweilige Heilsbotschaft verzichtet (und sich ihrem Machtanspruch nicht beugt). Es wäre ein aufrichtiges Denken, wie es bereits von Sokrates propagiert worden ist. Ich habe das in dem kleinen Aufsatz „Vorsicht bei der Wahl des großen Lehrers!“ (https://also42.wordpress.com/2018/03/09/vorsicht-bei-der-wahl-des-grossen-lehrers/) aufgezeigt. Mit großem Pathos hat Nietzsche es in den Aphorismen 629 – 638 in „Menschliches, Allzumenschliches I“ entfaltet, Kant hat es in seiner Reflexion der Würde des Menschen untersucht und vorher in der Formel vom Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit auf den Punkt gebracht.

Gleichwohl ist meistens interessant, was Marko Martin über insgesamt 23 bekannte (Kopelew, Sperber, Kohut…) und mir zum Teil unbekannte Menschen (Listopad, Schopflocher, Ranasinghe…) zu erzählen weiß. Am Ende des Buches zählt er rund 90 Titel von Büchern auf, die diese Menschen und ihre geistigen Brüder und Schwestern verfasst haben. Manche seiner „Erklärungen“ klingen allerdings verwegen: „Danny Smiricky spielt in seiner Kleinstadt-Band [Jazz, N.T.] und lernt, da Improvisation hier so wichtig ist, der pathetischen Geschlossenheit großer Geschichtserzählungen zu misstrauen – bevor er überhaupt weiß, dass es sie gibt.“ (S. 184) Auch was „ein Geschichtspanorama aus dem Geist der reflektierten Episode“ S. 382) ist, erschließt sich mir nicht. Und dass Melvin Lasky, Schopflocher, Appelfeld oder Edgar Hilsenrath, den ich sehr schätze, in den Kreis der Dissidenten gehören, darf man bezweifeln; sie sind wie andere der Vorgestellten von den Nazis verfolgt worden oder auch nur aus Deutschland emigriert, aber das macht noch keinen Dissidenten. Sie stehen im Buch, weil der Autor sie irgendwann besucht hat und dann von diesem Besuch im Plauderton berichtet. – Wer dissidentisches Denken in Aktion sehen will, sollte die Essays von Manes Sperber lesen („Essays zur täglichen Weltgeschichte“) oder Vaclav Havels großartigen „Versuch, in der Wahrheit zu leben“, der in Martins Literaturliste leider nicht genannt wird.

https://www.dissidenten.eu/ (biograf. Lexikon kommunist. Dissidenten)

https://www.staatslexikon-online.de/Lexikon/Dissidenten

https://www.zeitklicks.de/ddr/politik/opposition/buergerrechtler-und-dissidenten/ (in der DDR)

https://www.deutschlandfunkkultur.de/lob-der-dissidenz-vom-widerstaendigen-in-unserer-100.html (in unserer Gesellschaft)

https://www.zeitklicks.de/kaiserzeit/politik/innenpolitik/die-kritischen-stimmen-der-kaiserzeit (die kritischen Stimmen der Kaiserzeit; dort auch Weimarer Republik, Drittes Reich usw.)

https://multipolar-magazin.de/media/pdf/in-der-wahrheit-leben.pdf (Kurzfassung V. Havel)

https://books.google.de/books?id=fppWDwAAQBAJ&pg=PT3&hl=de&source=gbs_toc_r&cad=1#v=onepage&q&f=false (Havel: Versuch, in der Wahrheit zu leben – der Anfang)

Hans-Ulrich Rüegger: Versuchen, in der Wahrheit zu leben (als pdf greifbar)

Ein gutes Suchwort ist auch „Widerstand“ sowie „intellektuelle Redlichkeit“ (Nietzsche).

A. von Chamisso: Abba Glosk Leczeka – das Schicksal eines jüdischen Aufklärers

Wer war Glosk Leczeka? In der englischen Wikipedia wird die Vermutung berichtet, dass hinter dieser Figur Salomon Maimon steht. Chaim Shoham hat die Ergebnisse seines Aufsatzes „Der Ritter der Wahrheit reitet nach Berlin“ (1994) so zusammengefasst: „Abba Glosk, der als einer der frühen Aufklärer im jüdischen Ost-Europa von den Rabbinern und Gemeinden als Gefahr angesehen wurde, wird anhand von Adelbert von Chamissos Ballade und zeitgenössischen Quellen vorgestellt. In seinem ihm aufgezwungenen Wanderleben begegnete er Moses Mendelssohn in Berlin um 1768.“ Jedenfalls war Glosk Leczeka, ein Jude und Bettler, entgegen den gängigen Erwartungen „preisenswert“, wie in der Einleitung des Gedichts festgestellt wird (1. Str.). Wegen der Länge des Gedichts gebe ich nur einen Überblick über dessen Aufbau und die zentralen Stellen.

Zu Beginn wird berichtet, wie Glosk Leczeka dem großen Moses Mendelssohn begegnete (Str. 2-6): Zunächst wird er abgewiesen, doch sein „Durst nach Wahrheit“ verschafft ihm Zugang zu Moses: Als Wahrheitssucher sei er ihm „ein liebgehegter Gast“.

Es folgt ein kurzer Bericht über die ersten Gespräche (Str. 7-9); Moses fragt Glosk: „Wie haben Schul und Welt / So seltsam dich erzogen und deinen Geist erhellt?“ Darauf antwortet Glosk in einer langen Rede über seinen Werdegang als Rabbi (Str. 10-20): Er habe in Glosk den Talmud studiert; doch als er selber lehren sollte, habe sich seine Rede „wundersam verkehrt“:

„Da schallt‘ aus mir die Stimme auf Satzungen und Trug,

Dem Blitze zu vergleichen, der aus den Wolken schlug.“

So habe er sich selber gefunden und sei seiner Sendung gefolgt, habe aber die Heimat verlassen müssen. In Wilna habe man seine 13 Bücher, die Summe seines Wissens, verbrannt und ihn als Ketzer beinahe getötet. Dann sei er weitergezogen (Str. 21-24), um

„Zu lehren und zu bessern, zu sichten [= sieben, N.T.] sonder Scheu

Den Glauben von dem Wahne, den Weizen von der Spreu.“

Dann unterbreitet er Moses den Vorschlag, gemeinsam den Schleier des jüdischen Aberglaubens zu zerreißen, Jünger zu sammeln und als aufklärende Lehrer zu wirken (Str. 25-28).

Moses lehnt das ab (Str. 29-31), verweist auf Glosks Leiden und die Beständigkeit des Aberglaubens, der erst mit der Zeit überwunden werden könne: „Bleib hie und lerne schweigen so sprechen nicht am Ort; / Du magst im Stillen forschen…“ Vielleicht werden sein Enkel die Saat der Wahrheit aufgehen sehen. Darauf verabschiedet Glosk sich von Moses: „So sprich, wer soll denn reden und tun die Wahrheit kund?“ (St. 32)

Es folgt ein längerer Bericht über das, was Glosk anschließend erlebte (Str. 33 ff.): Er lehrte und wurde von den Ältesten der Juden in Berlin verhört und der Stadt verwiesen, sollte aber Strafgebühren zahlen; Moses rettete ihn davor, ausgewiesen zu werden. Glosk erzählte seinen Widersachern noch eine Geschichte von einem in Lemberg verfolgten Juden, der für einen von ihm nicht verursachten Schaden aufkommen sollte (Str. 41-47); damit erklärte er ihnen, dass er selber nichts zahlen will und kann.

Es wird berichtet, dass Glosk und Moses sich noch kurz vertraulich über die Möglichkeit, frei zu lehren, austauschen (Str. 48-52). Glosk sagt:

„Frei muß ich denken, sprechen und atmen Gottes Luft,

Und wer die drei mir raubet, der legt mich in die Gruft.“

Moses bezweifelt, dass er diese Freiheit in England oder Holland findet; Glosk dagegen beruft sich auf seine Liebe zu seinem Volk, den Glauben, es müsse zu bessern sein, und den Wunsch, dabei mitzuwirken.

Es folgt ein kurzer Bericht vom weiteren Leben des Rabbi Glosk (Str. 53-57): Er lehrte, es erging ihm schlecht; nach einem kurzen Aufenthalt in Berlin zog er erneut in seine Heimat, wo er auch verstoßen wurde, und so zog er weiter, „fluchbeladen, unstät von Ort zu Ort“, bis ihn schließlich der Schoß der Mutter Erde aufnahm, „ihm fielen die müden Augen zu“.

„Abba Glosk Leczeka“, 1832 erschienen, ist die Ballade von einem furchtlosen Aufklärer, der als gelehrter Talmudist religiösen Aberglauben beseitigen will zugunsten des wahren Glaubens, soweit er sich ihm erschlossen hat. Der deutsche Jude Moses Mendelssohn, Aufklärer und Freund Lessings, ist der Mann, dem er sein Inneres erschließt, der ihm aber vergebens zu kluger Zurückhaltung rät. In den beiden Männern begegnen uns zwei Möglichkeit, wie man angesichts allgemeiner Verblendung mit der Wahrheit umgehen kann. Glosk scheitert, wenn man so will, an seiner unbeugsamen Aufrichtigkeit, ist es aber wert, dass er im Gedicht ein Denkmal erhält.

Text des Gedichts: https://gedichte.xbib.de/Chamisso_gedicht_Abba+Glosk+Leczeka..htm = https://archive.org/details/bub_gb_qFg4AQAAIAAJ/page/n277/mode/2up

https://books.google.de/books?id=cpMqAAAAMAAJ&redir_esc=y (Gedichte, 3. Aufl. 1835)

https://archive.org/details/werkecha01cham/page/456/mode/2up (Chamisso: Gedichte, hrsg. von Tardel. 1907)

https://archive.org/details/bub_gb_qFg4AQAAIAAJ/page/n5/mode/2up (dito, Werke, 1874)

http://www.zeno.org/Literatur/M/Chamisso,+Adelbert+von/Gedichte (Gedichte)

https://www.heimatjahrbuch-vulkaneifel.de/VT/hjb1983/hjb1983.76.htm (Heimatjahrbuch Vulkaneifel 1983)

https://de.wikipedia.org/wiki/Adelbert_von_Chamisso (der Autor)

https://www.deutsche-biographie.de/register_pnd118520040.html#adbcontent (Leben: ADB, 1876)

https://www.deutsche-biographie.de/register_pnd118520040.html#ndbcontent (Leben: NDB, 1957)

https://archive.org/details/bub_gb_MOhy3l0yw48C/page/n9/mode/2up (Hitzig: Chamisso, Leben und Briefe)

https://archive.org/details/chamissoundsein00fuldgoog/page/n11/mode/2up (Fulda: Chamisso und seine Zeit)

https://www.chamisso-gesellschaft.de/ (Chamisso-Gesellschaft)

Ignaz Feßlers Bekenntnisse

Dr. Fessler‘s Rückblicke auf seine siebzigjährige Pilgerschaft. Ein Nachlass an seine Freunde und seine Feinde. Breslau 1824

Ignaz Aurelius Feßler hat ein bewegtes Leben geführt. 1756 geboren, wurde er von einer frommen Mutter mit Heiligengeschichten gefüttert und zeitig zum Geistlichen bestimmt. Er war sehr ehrgeizig und las und studierte, dass es eine Pracht war; als solcher fand er viele Gönner und auch Gegner. Er trat in den Kapuzinerorden ein, wo er schikaniert wurde und alles andere als ein brüderliches Leben vorfand. Als er einen sterbenden Mönch in einem unterirdischen Klostergefängnis zum Tod begleiten musste, meldete er seine Entdeckung dem Kaiser Joseph. Das war dafür entscheidend, dass er unter dessen Protektion an der Universität studieren durfte und schließlich Professor wurde. Es gelang ihm, aus dem Orden auszutreten.

Eine wichtige Seite seines Lebens machen seine Zweifel an Gott und Kirche aus, die durch seine Studien gefördert wurden; dass die jesuitisch-römische Version des Katholizismus nicht christlich ist, stand ihm früh fest. Er bewegte sich in der Geistes- und Freundeswelt des Jansenismus, fand in Spinoza und in Seneca seine philosophischen Lehrer, studierte Kant, lernte die Herrnhuter kennen, bewegte sich in Freimaurerkreisen, trat zur evangelischen Kirche über und fand doch erst im Alter seine seelische Ruhe in einem vom Gefühl bestimmten Gottesglauben. In Russland wurde er zum Bischof aller evangelischen Christen ernannt.

Interessant sind auch seine Beziehungen zu Frauen, die ihn durch literarische Gespräche, gemeinsame Lektüre und Musik bildeten und bereicherten. Sie sahen in ihm den großen Schriftsteller und Gelehrten, den sie verehrten und umsorgten. Er war eine Zeitlang verheiratet. Überhaupt hatte Fessler viele Gönner, die ihm seinen manchmal steinigen Lebensweg erleichterten; aber in der katholischen Kirche hatte er naturgemäß viele Feinde.

Wer Feßlers Bekenntnisse liest, sieht ein Bild der Epochenwende um 1800, wo der alte Katholizismus und die vom Staat geförderte Aufklärung aufeinander treffen: Die Menschen agieren im Strudel der geschichtlichen Kräfte.

https://archive.org/details/bub_gb_A-05AAAAcAAJ/page/n3/mode/2up (das Buch)

https://www.biolex.ios-regensburg.de/BioLexViewview.php?ID=816 (Leben)

https://de.wikipedia.org/wiki/Ignaz_Aurelius_Fe%C3%9Fler (Leben)

https://de.wikisource.org/wiki/Ignaz_Aurelius_Fe%C3%9Fler (Werke)

H. Zschokkes Autobiografie – gelesen

„Eine Selbstschau“. Von Heinrich Zschokke. Erster Theil: Das Schicksal und der Mensch, Aarau 1842 (2. Aufl.)

Heinrich Zschokke kenne ich erst aus der Lektüre alter Bücher, und es ist ein nicht geringes Vergnügen, in den Büchern des späten 18. und des 19. Jahrhunderts auf Leute zu stoßen, welche die große Epochenwende von 1789 und die folgenden kleineren von 1815, 1830, 1848 miterlebt oder mitgestaltet haben. Zschokke (1771 – 1848) war ein früh verwaistes Kind aus Magdeburg, das herumgestoßen wurde. Er verließ das Gymnasium, zog mit einer Schauspielertruppe umher, studierte Philosophie und Theologie, lehrte kurz als Privatdozent Philosophie und zog dann in die Welt, um in der Schweiz zu landen und dort eine heruntergekommene Schule zu reformieren. Er wurde Schweizer Bürger und kam in der Zeit Napoleonischer Herrschaft in die Schweizer Politik, in der bis 1804 aufklärend und befriedend wirkte. 1805 heiratete er seine Nanny und begab sich in ein von Verwaltung, wissenschaftlichen Studien und Schriftstellerei bestimmtes Leben, in dem ihm viele Ämter angetragen wurden.

In seinen Memoiren erzählt Zschokke lebhaft und spannend vor allem von der Zeit bis 1804; danach wird sein Erzählen eher summarisch oder hebt einzelne Begebenheiten hervor. Den Hintergrund bilden ausführliche Reflexionen über seine Weltanschauung, die lange von Zweifeln bestimmt war und in eine beinahe pantheistische Gottgläubigkeit mündete, wobei dem einzigen Jesus eine Sonderstellung eingeräumt wurde, während alle Priesterherrschaft und die Phantasien und Machtkämpfe der Theologen, der Äbte und Päpste abgelehnt wurden. Wiederholt musste er erleben, dass die katholischen Priester sowohl im Tessin wie in Schweizer Kantonen die Befreiung des Volkes bekämpften und die unmündig gehaltenen Gläubigen zu Aufständen aufstachelten.

Die Hilflosigkeit der untereinander zerstrittenen Kantone gegenüber den Großmächten Frankreich und Österreich (und Russland) hat mich an die Situation der Staaten in der EU erinnert, die ihre kleinlichen Besonderheiten verteidigen und zu einem Spielball zwischen den USA und China (und Russland) zu werden drohen.

Eine seiner Reflexionen sei als Beispiel wörtlich angeführt: „Im Urtheil der Welt liegt eine gewisse Wahrheit, wie im Urtheil des Gewissens; und beide haben ihren Werth. Das Gewissen lehrt, was der Mensch zu seiner Heiligung thun soll; das Urtheil der Welt aber, wie er es, den Umständen angemessen, vollbringen soll. Wer ohne alle Rücksicht auf Verhältnisse, nur einzig der innern Überzeugung unbedingt folgt, läuft Gefahr, wie jeder blinde Schwärmer, mit edelm Willen verderbenschwere Thaten zu thun. Wer hinwieder keine andere Richtschnur, als das Urtheil der Welt, kennt, wird zum Mörder des innern Friedens und Lebens, um Spielball der Zufälle zu bleiben. Während er diese mit Klugheit zu benutzen, oder zu meistern meynt, meistern sie ihn. Den Listigsten überlistet zuletzt sein Schicksal. Er verliert den Gewinnst, und hat dabei noch sein eignes Selbst verspielt.“ Dieses Zitat zeigt, weshalb er so erfolgreich als Politiker oder politischer Beamter wirken konnte.

Was mich an den Autoren aus Zschokkes Zeit fasziniert, ist die Leichtigkeit, mit der sie sich in die Welt begaben, mit der sie reisten und überall Freunde fanden, die ihnen meist bis zum Lebensende verbunden blieben. Zu Zschokkes Freunden gehörte Kleist; von ihm erzählt er die Anekdote, wie sie zusammen mit Ludwig Wieland einen französischen Kupferstich betrachteten, auf dem sie „ein trauriges Liebespärchen, eine keifende Mutter mit einem zerbrochenen Majolika-Kruge, und einen großnasigen Richter zu erkennen“ glaubten. Kleist sollte daraus ein Lustspiel, Wieland eine Satire und er selbst eine Erzählung machen – so entstand „Der zerbrochene Krug“.

https://archive.org/details/eineselbstschau11zsch/page/n5/mode/2up (Text)

https://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Zschokke (H. Zschokke)

https://www.deutsche-biographie.de/sfz14873.html (H. Zschokke)

Aufklärung: Lessings Sinngedichte

„Lessings Sinngedichte entstanden hauptsächlich in den Jahren 1751 und 1752 in Berlin und Wittenberg. Einzelne Gedichte wurden erstmals in der Berlinischen privilegirten Zeitung abgedruckt oder ab 1751 in Sammelwerke aufgenommen. 1771 erschien der Band G. E. Lessings Sinngedichte als Sonderabdruck aus G. E. Lessings vermischte Schriften. Erster Theil (ebenfalls 1771).“ Das steht als Einleitung vor der Auswahl der Sinngedichte bei Wikisource (s.u.).

Die Sinngedichte stehen zwischen Witz und Belehrung, sind Unterhaltung in der Zeit der Aufklärung. Um das zu demonstrieren, stelle ich eine kleine Auswahl vor:

26. Auf Frau Trix

Frau Trix besucht sehr oft den jungen Doktor Klette.

Argwohnet nichts! Ihr Mann liegt wirklich krank zu Bette.

Das ist schlichte Unterhaltung, wie sie auch heute geboten wird.

37. Auf den Sanktulus

Dem Alter nah, und schwach an Kräften,

Entschlägt sich Sanktulus der Welt

Und allen weltlichen Geschäften,

Von denen keins ihm mehr gefällt.

Die kleine trübe Neige Leben

Ist er in seinem Gott gemeint,

Der geistlichen Beschauung zu ergeben;

Ist weder Vater mehr, noch Bürger mehr, noch Freund.

Zwar sagt man, daß ein trauter Knecht

Des Abends durch die Hintertüre

Manch hübsches Mädchen zu ihm führe.

Doch, böse Welt, wie ungerecht!

Ihm so was übel auszulegen!

Auch das geschieht bloß der Beschauung wegen.

Hier wird mit zwei Wortspielen gearbeitet: Sanctulus ist der, der ein klein wenig heilig (sanctus) ist. Und Beschauung oder Betrachtung bedeutet beim ersten Mal die geistige Vertiefung ist die Geheimnisse der Religion, beim zweiten Mal spielt die wörtliche Bedeutung ironisch in die religiöse Bedeutung hinein.

65. Hänschen Schlau

»Es ist doch sonderbar bestellt«,

Sprach Hänschen Schlau zu Vetter Fritzen,

»Daß nur die Reichen in der Welt

Das meiste Geld besitzen.«

Hier wird die Definition des Reichen (analytisches Urteil) wie ein synthetisches Urteil bzw. wie eine erstaunliche Erfahrungstatsache eingeführt – ein kleiner Witz um eine schon bemerkenswerte Tatsache: dass nämlich nur wenige viel mehr als andere besitzen.

91. Auf einen gewissen Dichter

Ihn singen so viel mäß‘ge Dichter,

Ihn preisen so viel dunkle Richter,

Ihn ahmt so mancher Stümper nach,

Ihm nicht zum Ruhm, und sich zur Schmach.

Freund, dir die Wahrheit zu gestehen,

Ich bin zu dumm es einzusehen,

Wie sich für wahr Verdienst ein solcher Beifall schicket.

Doch so viel seh‘ ich ein,

Das Singen, das den Frosch im tiefen Schlamm entzücket,

Das Singen muß ein Quaken sein.

Lessing als Kunstrichter oder Kollege – sein Urteil geht wie eine Fabel in den Bildbereich der Tiere, um aus der Analogie zu verstehen, wie schwache Produkte große Anerkennung finden können; das Gedicht gilt auch heute noch.

102. Auf Dorinden

Sagt nicht, die ihr Dorinden kennt,

Daß sie aus Eitelkeit nur in die Kirchen rennt;

Daß sie nicht betet, und nicht höret,

Und andre nur im Beten störet.

Sie bat, (mein eignes Ohr ist Zeuge;

Denn ihre Schönheit geht allmählig auf die Neige)

Sie bat mit ernstlichen Gebärden:

»Laß unser Angesicht, Herr, nicht zu Schanden werden!«

Hier liegt wieder ein Wortspiel vor: Das Gebet Dorindens erinnert an Psalm 31: „HERR, bei dir habe ich mich geborgen. / Lass mich nicht zuschanden werden in Ewigkeit; rette mich in deiner Gerechtigkeit!“ (Ps. 31,2) Was im Psalm für die gefährdete Person erbeten wird, gilt bei Dorinden nur für die Schönheit des alternden Gesichts.

105. Auf einen gewissen Leichenredner

O Redner! dein Gesicht zieht jämmerliche Falten,

Indem dein Maul erbärmlich spricht.

Eh du mir sollst die Leichenrede halten,

Wahrhaftig, lieber sterb‘ ich nicht!

Der Witz liegt auf der Hand: als ob zu sterben im Belieben eines Menschen stände!

108. Auf Lorchen

Lorchen heißt noch eine Jungfer. Wisset, die ihrs noch nicht wißt:

So heißt Lucifer ein Engel, ob er gleich gefallen ist.

Wieder ein Wortspiel mit dem Partizip „gefallen“ in einem Vergleich („So“); den Jüngeren heute muss man wohl erklären, dass ein „gefallenes“ Mädchen seine sexuelle Unschuld verloren hatte, also nicht mehr Jungfrau war, was früher als Schande galt, wie man an Gretchen im „Faust“ sehen kann. Vermutlich muss man ihnen ebenfalls erklären, dass im biblischen Mythos der Engel Lucifer („Lichtträger“) sich gegen Gott empörte (also gefallen oder abgefallen war), von Michael im Kampf besiegt besiegt und aus dem Himmel in die Hölle gestürzt wurde, wo er dann als Teufel Dienst tat.

141. An einen Autor

Mit so bescheiden stolzem Wesen

Trägst du dein neustes Buch – welch ein Geschenk! – mir an.

Doch, wenn ichs nehme, grundgelehrter Mann,

Mit Gunst: muß ich es dann auch lesen?

Mit Gunst“ heißt so viel wie „mit Verlaub“. Hier spielt Lessing mit einer Differenz: dem Stolz eines Autors auf sein Werk und der Einschätzung dieses Werks durch einen damit Beschenkten. Um das kleine Gedicht würdigen zu können, muss man vielleicht schon einmal derart beschenkt worden sein.

144. Abschied an den Leser

Wenn du von allem dem, was diese Blätter füllt,

Mein Leser, nichts des Dankes wert gefunden:

So sei mir wenigstens für das verbunden,

Was ich zurück behielt.

Das ist ein würdiger Abschluss der Sinngedichte und ein ironisches Spiel mit der Drohung, noch viel schlechtere Gedichte dem undankbaren Leser präsentieren zu können.

Im Anhang der Sinngedichte finden sich noch ein paar schöne Exemplare:

Auf den Herrn M den Erfinder der Quadratur des Zirkels

Der mathematsche Theolog,
Der sich und andre nie betrog,
Saß zwischen zweimal zweien Wänden,
Mit archimedscher Düsternheit,
Und hatte – – welche Kleinigkeit!
Des Zirkels Vierung unter Händen.
Kühn schmäht er auf das x + z
(Denn was ist leichter als geschmäht?)
Als ihn der Hochmut sacht und sachte
Bei seinen Zahlen drehend machte.
So wie auf einem Fuß der Bube
Sich dreht, und dreht sich endlich dumm,
So ging die tetragonsche Stube,
Und Stuhl und Tisch mit ihm herum.
O Wunder, schrie er, o Natur!
Da hab ich sie, des Zirkels Quadratur.

Die Quadratur des Kreises mit Zirkel und Lineal ist ein unlösbares mathematisches Problem, dessen „Lösung“ der Mathematiker hier am eigenen Leib erfährt, indem das quadratische Zimmer um ihn zu kreisen beginnt.

In ein Stammbuch, dessen Besitzer versicherte, daß sein Freund ohne Mängel und sein Mädchen ein Engel sei

Trau keinem Freunde sonder Mängel

Und lieb ein Mädchen, keinen Engel.

sonder“ heißt „ohne“.

In den Sinngedichten finden sich auch solche, die in der Tradition der Frauenschelte bzw. der Misogamie fallen – in einer von Männern dominierten literarischen Kultur muss man derartige Produkte insgesamt eher zu den Scherzen zählen, die es in ähnlicher Weise (als Spiel mit Klischees) auch heute als (vermeintlich) witzig vielfach gibt:

[Doppelter Nutzen einer Frau]

Zweimal taugt eine Frau – für die mich Gott bewahre! –

Einmal im Hochzeitsbett, und einmal auf der Bahre.

Diese Tendenz gab es auch schon in den Sinngedichten:

82. Das Mädchen

Zum Mädchen wünscht‘ ich mir – und wollt‘ es, ha! recht lieben –

Ein junges, nettes, tolles Ding,

Leicht zu erfreun, schwer zu betrüben,

Am Wuchse schlank, im Gange flink,

Von Aug‘ ein Falk,

Von Mien‘ ein Schalk;

Das fleißig, fleißig liest:

Weil alles, was es liest,

Sein einzig Buch – der Spiegel ist;

Das immer gaukelt, immer spricht,

Und spricht und spricht von tausend Sachen,

Versteht es gleich das Zehnte nicht

Von allen diesen tausend Sachen:

Genug, es spricht mit Lachen,

Und kann sehr reizend lachen.

Solch Mädchen wünscht‘ ich mir! – Du, Freund, magst deine Zeit

Nur immerhin bei schöner Sittsamkeit,

Nicht ohne seraphin‘sche Tränen,

Bei Tugend und Verstand vergähnen.

Solch einen Engel

Ohn‘ alle Mängel

Zum Mädchen haben:

Das hieß‘ ein Mädchen haben? –

Heißt eingesegnet sein, und Weib und Hausstand haben.

Die seraphin‘schen Tränen sind die Tränen der Engelsorte Seraphim, die zur Langeweile des tugendhaften Lebens passen. Die zweite Strophe muss man ab „Du“ als Antwort des Freundes auf den törichten Wunsch lesen. Nicht so eindeutig ist die Nr. 110:

110. Der spielsüchtige Deutsche

So äußerst war, nach Tacitus Bericht,

Der alte Deutsch‘ aufs Spiel erpicht,

Daß, wenn er ins Verlieren kam,

Er endlich keinen Anstand nahm,

Den letzten Schatz von allen Schätzen,

Sich selber, auf das Spiel zu setzen.

Wie unbegreiflich rasch! wie wild!

Ob dieses noch vom Deutschen gilt?

Vom deutschen Manne schwerlich. – Doch,

Vom deutschen Weibe gilt es noch.

Was genau ist damit gemeint, dass die deutsche Frau sich selber aufs Spiel setzt, wenn‘s ans Verlieren geht? Heißt es, dass sie wild entschlossen blind heiratet, ehe sie als alte Jungfer endet? Die Frauenschelte ist ein weites Feld, auf dem auch Legenden wie die von Aristoteles und Phyllis wachsen und das gesondert zu erforschen wäre.

http://www.zeno.org/Literatur/M/Lessing,+Gotthold+Ephraim/Gedichte/Sinngedichte+(Ausgabe+1771)

https://www.projekt-gutenberg.org/lessing/sinnged/sinnged.html

https://de.wikisource.org/wiki/Sinngedichte (eine Auswahl)

https://literaturkritik.de/id/19300 (Frauenbild)

https://deacademic.com/dic.nsf/dewiki/963774 (Misogynie = Frauenschelte)

Salomon Maimons Lebensgeschichte (1792/93) – gelesen

Salomon Maimon’s Lebensgeschichte. Von ihm selbst geschrieben und herausgegeben von K. P. Moritz, 2 Bände, Berlin 1792–1793

Wenn man dieses Buch liest, wird man in eine andere Welt versetzt: in die Welt des Ostjudentums, in die ein hochbegabtes Kind etwa 1753 hineingeboren wurde, in Polnisch-Litauen, und aus der es sich unter großen Mühen befreit hat. Mit 11 Jahren galt der kleine Salomon schon als perfekter Rabbiner. Er brachte sich selber aus Büchern wissenschaftliche Erkenntnisse und das Lesen deutscher Schrift bei, ging nach Berlin, nach Breslau, nach Hamburg, nach Holland, über Hamburg zurück nach Berlin – immer auf die Unterstützung durch wohlwollende Juden oder eigene Arbeit als Lehrer der Kinder reicher Leute angewiesen; er verkehrte mit Mendelssohn und schrieb an Kant über die Kritik der reinen Vernunft, er wurde von seiner Frau geschieden und trennte sich als denkender Mensch von der Religion seiner Väter; er wollte sich taufen lassen, um einen besseren Stand in Deutschland zu haben, was ihm aber verweigert wurde. Bei dieser Gelegenheit fasste er seinen Lebenslauf so zusammen:

Ich bin aus Polen gebürtig, von der jüdischen Nation, nach meiner Erziehung und meinem Studium zum Rabbiner bestimmt, habe aber in der dicksten Finsternis einiges Licht erblickt. Dieses bewog mich, nach Licht und Wahrheit weiter zu forschen und mich aus der Finsternis des Aberglaubens und der Unwissenheit völlig loszumachen; zu diesem Zwecke ging ich (da mir dieses in meinem Geburtsort zu erreichen unmöglich war) nach Berlin, wo ich durch Unterstützung einiger aufgeklärter Männer unserer Nation einige Jahre studierte, nicht zwar planmäßig, sondern bloß zur Befriedigung meiner Wißbegierde. Da aber unsre Nation nicht nur von einem solchen unplanmäßigen, sondern auch von einem planmäßigen Studium keinen Gebrauch machen kann, so kann man es ihr nicht verdenken, wenn sie zuletzt müde wird und die Unterstützung desselben für unnütz erklärt. Ich bin daher entschlossen, um meine zeitliche sowohl, als ewige Glückseligkeit, welche von der Erlangung der Vollkommenheit abhängt, zu erreichen, und um sowohl mir selbst, als andern nützlich zu werden, die christliche Religion anzunehmen. Die jüdische Religion kommt zwar, in Ansehung ihrer Glaubensartikel, der Vernunft näher als die christliche. Da aber diese in Ansehung des praktischen Gebrauchs einen Vorzug vor jener hat, und die Moral, die nicht in Meinungen, sondern in Handlungen besteht, der Zweck aller Religion überhaupt ist, so kommt die letztere offenbar diesem Zwecke näher als die erstere. Ich halte übrigens die Geheimnisse der christlichen Religion für das was sie sind, für Geheimnisse, d.h. allegorische Vorstellungen der für den Menschen wichtigsten Wahrheiten, wodurch ich meinen Glauben an dieselben mit der Vernunft übereinstimmend mache; ich kann sie aber unmöglich ihrem gemeinen Sinne nach glauben. Ich bitte also gehorsamst, mir die Frage zu beantworten: ob ich nach diesem Bekenntnisse der christlichen Religion würdig bin oder nicht? Im erstern Falle bin ich bereit, mein Vorhaben ins Werk zu setzen. Im zweiten aber muß ich allen Anspruch auf eine Religion aufgeben, die mir zu lügen befiehlt, d.h. mit Worten ein Glaubensbekenntnis abzulegen, das meiner Vernunft widerspricht.

Ein im wörtlichen Sinn phantastisches Buch, das den eigenen Horizont erweitert!

Text: http://www.zeno.org/Philosophie/M/Maimon,+Salomon/Salomon+Maimons+Lebensgeschichte

https://archive.org/details/salomonmaimonsle00maim/page/n7/mode/2up (hrsg. von Jakob Fromer, 1911)

Links:

https://www.deutsche-biographie.de/pnd11857647X.html

https://de.wikipedia.org/wiki/Salomon_Maimon

http://salomon-maimon.de/maimon/leben.html

https://de.wikisource.org/wiki/Salomon_Maimon

Epochenumbruch um 1800, Übersicht – Epochen der deutschen Literatur (Links)

Die Jahre des Friedens waren vorüber und vom Jahre 1806 an begann ein neuer Geist der Zeit.“ (Karl Preusker in seiner 1871 herausgegebenen Selbstbiografie, S. 21)

A) In allgemeiner Betrachtung kann man sagen, dass der Epochenumbruch um 1800 der Übergang von der Aufklärung zur Romantik war. Matuschek unterscheidet im Art. „Romantik“ in Metzler Lexikon Literatur (2007) auf europäischer Ebene für das 18./19. Jahrhundert drei Großepochen: Aufklärung / Romantik / Realismus.

Innerhalb der Aufklärung findet man auch die Strömungen des Pietismus und der Empfindsamkeit (etwa seit 1700) sowie in Deutschland den „Sturm und Drang“ (ca. 1770 – 1785). [Man könnte den „Sturm und Drang“ aber auch (mit Korff) als Beginn der „Goethezeit“ und damit als Beginn der Romantik sehen – in der Romantik werden viele Elemente des „Sturm und Drang“ aufgegriffen oder fortgeführt.]

Eine ältere Einteilung sieht die Strömungen (Epochen) Aufklärung / Sturm und Drang / Klassik / Romantik in Deutschland einander folgen. Die Weimarer Klassik umfasste nur wenige Autoren und dauerte von 1786 (Goethes Italienreise) bis 1805 (Schillers Tod) – es gibt auch andere Datierungen. Mme. de Stael (De l’ Allemagne, 1813) zählte übrigens Goethe und Schiller zur deutschen Romantik; darin stimmen ihr heute die meisten Forscher zu.

Fazit: Die Einteilung in Epochen ist umstritten, die Abgrenzung der Epochen ist unscharf; man muss sehen, dass sich verschiedene Strömungen überlagern und dass nicht die eine endet, wenn anderswo und bei anderen Leuten eine (relativ) neue Strömung beginnt. Epochen-Strömungen machen sich auch an Menschen fest (vgl. die Berliner Salons um 1800). Oft fangen die Jungen etwas Neues an, während die Alten am Bekannten festhalten. Es kann aber auch geschehen, dass einzelne Personen (z.B. Goethe und Schiller nach 1785) ihre literarische Produktion verändern, was wir dann „sich entwickeln“ nennen.

B) Eine differenzierte Darstellung in kleinen Einheiten bietet der dtv-Atlas „deutsche Literatur“ (ich besitze die 8. Auflage, 1999). Die schnelle Information findet man im Schülerduden Literatur. Für Lehrer unbedingt lesenswert ist H. A. Korffs vierbändiges ideengeschichtliches Werk „Geist der Goethezeit“, was es antiquarisch noch bei ebay und bei booklooker.de (dort meistens teurer) gibt; vgl. dazu auch diesen Artikel! In der Einleitung skizziert Korff: Geist der Goethezeit (Bd. 1, S. 29 ff. – 2. Kapitel) die „Entwicklung der Goethezeit“ (also den gesamten „Epochenumbruch“) so:

1. Die humanistische Generation

Neu war im „Sturm und Drang“ die optimistische Idee einer natürlichen Humanität, dass der Mensch von sich aus das Menschliche verwirklichen könne: ein Ausweg aus der Krise der auf Arbeitsteilung beruhenden bürgerlichen Kultur. Es geht um die Freiheit zur Selbstentfaltung des Subjekts, woran der dramatische Held jedoch scheitert.

„Sturm und Drang“ ist ein Jugendzustand – die „Klassik“ ist die Zeit des Reifens; dabei wandelt sich die Humanität zu einer sittlichen.  Die Vernunft tritt wieder in ihr Recht, aber sie ist auf ideelle Selbsterhaltung bedacht (und nicht nur an praktischen Ergebnissen orientiert wie in der Aufklärung). Der Subjektivismus ist geläutert, er strebt nicht mehr in die Weite und Fülle des Lebens (Sturm und Drang), sondern in die Höhe (Iphigenie auf Tauris). Unter dem Einfluss Kants zeigt sich bei Schiller ein neuer Dualismus: Vorrang der Pflicht vor der Lust. Der scheiternde Held (Max Piccolomini) repräsentiert die Erhabenheit des Menschlichen.

Die Synthese der natürlichen und der sittlichen Humanität macht dann das eigentlich Klassische aus: die Idee der Schönheit (Schiller: „Das Glück“; Goethe: Hermann und Dorothea). Im Ideal der schönen Humanität stimmen Pflicht und Neigung überein. Das Verhältnis von Individuum und Gemeinschaft ist nicht gestört, das Ideal ist eine überbürgerliche Gesellschaft. Dies ist die deutsche Antwort auf die Französische Revolution. Nicht Revolution tut not, sondern ästhetische Erziehung.

2. Die romantische Generation

sind die um 1770 Geborenen. Sie wiederholen die Sturm-und-Drang-Problematik und erleben zugleich die Problematik des klassischen Lebensentwurfs. In der Romanen der Romantik ringt der Held um seine seelische Gesundung.

Der Romantiker ist der Typus des Entwurzelten (dem entspricht die Ironie als dominierende Haltung). Er sucht, in etwas Objektivem wieder Wurzeln zu schlagen. Dafür stehen ihm eine romantische Weltanschauung (Transzendentalphilosophie oder Religion) oder das Nationalgefühl zur Verfügung.

Unter dem Einfluss von Kants Erkenntnistheorie kann die Welt als subjektiv und wunderbar erlebt werden. Kants Philosophie verbindet sich mit dem vorhandenen Pantheismus zu dem neuen Gott: Fichtes ICH, das sich im dialektischen Weltprozess entfaltet. Psychologisch wirkt sich solche Philosophie als Allmachtsgefühl aus (Schlegel, Novalis), das notwendig zu einem Zusammenbruch der Menschen und der literarischen Figuren (und damit des Subjektivismus) führt.

Darauf kann man mit einer Rückkehr zur „Religion“ antworten, die in verschiedenen Formen erfolgt; es ist die Wendung zu der durch Religion gebildeten Gemeinschaft, dem geordneten (christlichen) Leben und dem Traum von der guten alten Zeit. Als Alternative kann man sich der nationalen Romantik ergeben: Besinnung auf die deutsche Vergangenheit – einmal als Literaturprogramm (Abwendung von französischen Dramen, Hinwendung zum germanischen Shakespeare), einmal als Neuverwurzelung in deutscher Art und Kunst (Modernisierung alter Literatur, Sammlung alter Volkslieder und –dichtungen) – und später in Wagners Musikdramen.

Ein weiteres Ergebnis dieser Rückwendung zu Mittelalter und früher Neuzeit ist die Entstehung des geschichtlichen Bewusstseins. Den historischen Roman können aber nicht „Heinrich von Ofterdingen“ oder „Franz Sternbalds Wanderungen“ begründen, dafür muss Walter Scott auftreten.

Zur Romantik gehört Napoleon und damit auch die Romantik der Befreiungskriege, aus der ein politisches (statt wie bisher kulturelles) Nationalgefühl erwächst.

Die Romantiker und ihre literarischen Figuren sind für uns Phantasiegestalten geworden. [Das möchte ich bezweifeln – Romantik lebt z.B. in der Esoterik oder in der NPD fort, wenn auch in entstellter und historisch überholter Gestalt. Das Faszinierende an Korffs Buch ist die Stringenz, mit der er die Einheit der Zeit darstellt: die Romantik als die Erfüllung des „Sturm und Drang“. N.T.]

C) Die erste Epoche großer deutscher Literatur, welche von einigen Literaturdidaktikern „Epochenumbruch um 1800“ genannt wird – eine kurze Übersicht

  • Eine (große) deutsche Literatur beginnt erst Mitte des 18. Jahrhunderts. Die deutschen Dichter von 1730 bis 1800 waren Söhne evangelischer Pfarrer, stammten zumindest aus einem evangelischen Elternhaus. Dort wurde die Bibel gelesen; aber ernsthaft war zunächst nur die Sphäre der Religion.
  • Die deutsche Literatur konnte erst im 18. Jahrhundert bedeutsam werden: Einmal hatte der protestantische Pietismus alle weltlichen Bereiche mit einer religiösen Haltung und Interpretation zu durchdringen versucht; zum anderen kritisierte die Aufklärung den christlichen Wahrheitsanspruch. Daraus resultierte der Enthusiasmus, eine aufgeklärte Welt mit aller religiösen Energie, aber ohne religiöse Pflichten zu begreifen.
  • Paradigmen: Goethes Gedicht „Um Mitternacht“, Goethes Roman „Die Leiden des jungen Werthers“. Der „Werther“ ist quasi die moderne „Imitatio Christi“. Die Leser des „Werther“ waren wie pietistisch Erweckte. Werther zeigt das Prinzip eines künstlerischen Lebenswandels: frei von gesellschaftlichen Bindungen, vom Genius getrieben, für die anderen unbegreiflich; er entscheidet autonom über sein Leben und Sterben.
  • Die Aufklärung hatte auch die Bibel erfasst, sie wurde als geschichtliches Dokument gelesen, kritisiert und geschätzt. Der Abfall vom Christentum durch das genaue Studium seines Grundtextes führte die Abtrünnigen in den Bereich der Literatur, zu deren Kanon sie dann auch die Bibel als poetisches Buch zählten.
  • Die evangelischen Pfarrer waren arm und mussten ihr Leben auf dem Unterschied zwischen dem unwesentlichen Schein der Dinge und dem wahren Sein des Geistes begründen; diese Haltung übernahmen die Schriftsteller, was ihre Unabhängigkeit vom Publikumserfolg begründete. In der einsamen Lektüre konnte man sich mit gleichgesinnten Lesern zu einer Gemeinde zusammenschließen.
  • Der einzige Ort realer Geselligkeit der Geistigen war die Universität. So wurden universitäre Formen und Themen Formen und Themen der Literatur („Faust“!), Professor Gottsched der (akzeptierte oder verschmähte) Mentor der deutschen Schriftsteller. Alle Neuerungen der Literatur gingen von studentischen Freundschaftsgruppen aus (Halle, Göttingen, Straßburg, Jena, Heidelberg, Berlin, Tübingen). Jünglinghafter Zug der deutschen Schriftsteller und ihrer Helden ist ein Resultat dieses Ursprungs.
  • Um 1770 wurde das Wandern als ästhetisches Vergnügen entdeckt: Die Eliten ahmen die früheren Handwerker nach. Das Volk wird als Quelle poetischer Werke (Volkslieder!), bis hin zu Märchen und Kalendergeschichten, geschätzt.
  • Die seit 1960 pointiert propagierte „Aufklärung“ als Epoche hat partiell eher im Inneren der Menschen stattgefunden; Brief, Tagebuch, Abhandlung wurden nun literarische Formen. Aufklärung hatte in Deutschland weithin die Form der Empfindsamkeit: Mündigkeit des Einzelnen, der unbeeindruckt von Autoritäten sich des eigenen Verstandes bedient und des eigenen Gefühls versichert.
  • Es entwickelte sich ein affektives Verhältnis zur Sprache. Als Leitbilder fungierten Homer und Shakespeare. Die neue eigene Sprache wurde die der pietistischen Frömmigkeit. So begegnet in der deutschen Lyrik des 18. und 19. Jh. Immer wieder das Gebet; es besteht so die Möglichkeit lyrischer Kommunikation mit nichtmenschlichen Mächten. Die verbreitete Metapher „Wasser“ stellt das Eindringen Gottes in die Seele dar.
  • Am Anfang einer deutschen Dichtung großen Stils stehen Klopstocks Oden; Klopstock spricht wie ein Prophet im Ton der Ergriffenheit von Dingen, für die eigentlich der Pfarrer zuständig war: Gott, Seele, Erlösung, Unsterblichkeit. Aus der Religion übernimmt die erdichtete Lyrik den Anspruch der „Wahrheit“, des eigenen Erlebens. Die Kommunikation von Texten muss so vor sich gehen, als sei nie an „Wirkung“ gedacht worden. Die Unvollkommenheit des Ausgedrückten beweist gerade seine innere Wahrheit. So verzichteten die Deutschen auf die ars rhetorica, was ihnen leicht fiel, da sie kein Parlament hatten und Gott alle Täuschungen eo ipso durchschaute.
  • Gerade auch in der Liebeslyrik überspielte die imaginierte Intimität alle Rhetorik. Dichtung erschließt einen „Weltinnenraum“ (Rilke). „Innen“ ist der Ort des Gemüts, der Seele; dem entspricht die „Tiefe“ als Sphäre des Verborgenen. Das Bergwerk: Bild der Seele (Ziolkowski). Geologie, Archäologie und Psychoanalyse sind Beispiele einer angewandten Hermeneutik; die Befreiung von Regeln des Schaffens setzt das Verstehen in sein Recht. Das bringt einen Stil des Unvollständigen mit sich: Undeutlichkeit, die auf vorsprachliche Seelenlagen verweist. – Als Theorie der Sprachskepsis und Sprachkrise begegnet die Entdeckung des unvollständigen Ausdrucks wieder am Anfang der Moderne.
  • Mit der Ersetzung der Religion durch die Kunst ist der Aufstieg der deutschen Literatur vollendet. Zunehmend verstecken die Schriftsteller ihre Vorstellungen hinter den Bildern des griechischen Mythos und befreien sie so von der verpflichtenden (christlichen) Religion: Unsterblichkeit war leicht für jeden zu haben. Die Figuren entschweben gern in eine höhere Welt. Gott wird durch „Natur“ ersetzt. Durch religiöse Ideen genährt, wird Kunst die neue Religion, welche auch noch von der Erinnerung an die alte lebte. Der rauschhafte Zustand der Erhebung setzte eine große Produktivität frei – solche Übertreibung kann nur kurze Zeit dauern.
  • Die griechische Kunst schien solche überzeitlichen Werte verwirklicht zu haben; Winckelmann wurde ihr Prophet. Goethe erlebte auf seiner Italienischen Reise seine Wiedergeburt. Die Romantiker wollten zum Christentum zurückfliehen; zu diesem Zweck mussten sie es ästhetisieren, am besten als katholische Mythologie.
  • Der Kunsttheoretiker tritt bei so erhabenen Werken neben den Künstler; analog kann der philosophierende Dichter kunsttheoretische Überlegungen in sein Werk einbauen. Die Verehrer der Kunst vereinen sich zu einer unsichtbaren Kirche, die ihre Feste in Museen, Theatern und Konzertsälen feiert.
  • Der Bildungsroman erfüllt die Forderung pädagogischen Zwecks und künstlerischer Form vollkommen; deutsche Romane berichten jedoch wenig von der Umwelt, mehr vom Inneren ihrer Figuren, von Ideen und Lehrern, weniger von Liebe und Arbeit, dafür mehr von Einsamkeit und Einweihung in neue Lebensstufen. Bildungsroman, Gedankenlyrik und Ideendrama stehen unter der Herrschaft der Philosophie.
  • Was so geschichtlich bedingt entstanden war, wurde zur Eigenart deutscher Literatur erklärt und als deutsche „Klassik“ gefeiert. International zählt diese Epoche aber zur Romantik – eine Klassik wie in anderen Ländern hat es in Deutschland nie gegeben. Auch das Konzept einer Nationalliteratur hat kein Fundament in der Sache. Ohne das beneidete Vorbild anderer Länder (Frankreich, England) wäre der sprachliche Ausdruck deutscher Intelligenz nicht Literatur geworden, sondern auf Recht, Wissenschaft und Religion beschränkt geblieben. Christliche Religiosität, bürgerliche Intimisierung, philosophische Aufklärung und der Vorrang der Literatur vor anderen Künsten verbanden sich zu dem, was eine erste große Blüte deutscher Literatur geworden ist.

(Wiedergabe, zum Teil mit wörtlichen Anlehnungen, von Heinz Schlaffer: Die kurze Geschichte der deutschen Literatur, München 2002, als dtv-Taschenbuch 2003, S. 54-112; zu meiner Entschuldigung sei gesagt, dass Schlaffer kein Lehrbuch, sondern einen Essay geschrieben hat, weswegen der Gedankengang nicht immer streng zu erfassen ist, ich ins Beinahezitat geflüchtet bin und den Wechsel zwischen erklärendem Präsens und berichtendem Präteritum beibehalte. – Interessant ist auch, wie sich das Dichter-Bild um 1800 geändert hat: https://norberto42.wordpress.com/2013/04/29/dichter-bilder/)

D) Erklärung des Umbruchs aus systemtheoretischer Sicht:

„Wie hat sich Literatur im Verlauf der Gesellschaftsevolution von der stratifikatorisch differenzierten Gesellschaft zur funktional differenzierten Gesellschaft als autonomes Funktionssystem ausdifferenziert?

Diese Veränderung der Gesellschaftsdifferenzierung bezeichnet die radikalen Umbrüche in Philosophie, Literatur, Politik, Technik, Recht um 1800. Die Systemtheoretiker gehen davon aus, daß – grob gesagt – die Gesellschaft vor 1800 stratifikatorisch strukturiert war. Was heißt das? Das heißt zum einen, daß die Gesellschaft nach Ständen gegliedert war, zum zweiten, daß der Stand, in den man hinein geboren wurde, darüber entschied, inwiefern man an der Gesellschaft teilnehmen konnte. Ob man Recht bekam oder nicht, ob man ein politisches Mitbestimmungsrecht hatte oder nicht, ob man heiraten oder lieben durfte, wen oder wann man will oder nicht, usw. usw. usw….. Diese verschiedenen Bereiche des Rechts, der Politik, der Religion, der Liebe verändern um 1800 ihre Logiken. Sie sind nicht mehr länger an die Hierarchie der Stände gebunden, sondern werden zu autonomen Funktionssystemen, an denen der Einzelne partizipieren kann. Das Rechtssystem entscheidet über Recht und Unrecht, ohne Ansicht der Person („Justitia ist blind”) und ohne direkte Eingriffe von außen, z. B. durch den Fürsten oder andere politische Vertreter.

Jedes System hat eine spezifische Funktion, für die es exklusiv zuständig ist. Das Rechtssystem formuliert Rechtsnormen und sichert sie, das Wirtschaftssystem verteilt knappe Güter, und das Literatursystem hat die Funktion Weltkontingenz zu erzeugen, also der Wirklichkeit eine zweite Wirklichkeit gegenüberzustellen, die schöner, fortschrittlicher, besser, oder einfach nur anders ist als die eigentliche Wirklichkeit. Literatur führt uns also stets eine Alternative vor Augen. Das können, eher auf den Einzelnen gemünzt, alternative Handlungen z.B. in Bezug auf das Ende einer Liebesbeziehung, oder – globaler gesehen – auch vollständig alternative Gesellschaftsmodelle sein.“

E) Erklärung aus soziologischer Sicht:

Der Begriff gesellschaftlicher Modernisierung hat sich als Sammelbegriff für soziale und politische Entwicklungen der verschiedensten Art durchgesetzt. Bevorzugt wird er für die Strukturveränderungen angewandt, wie sie in der Zeit von 1750-1830 durch die Industrielle und die Französische Revolution eingeleitet wurden; diese werden normalerweise als Fortschritt bewertet. Als Ursachen dieser Strukturveränderungen werden sowohl technische Entwicklungen, wirtschaftliche oder religiöse Veränderungen (Lockerung der Bindung an Familie und Tradition, zunehmende Arbeitsteilung; neue Sozialethik), die allgemeinene Rationalisierung, die kulturelle Differenzierung verschiedener Lebensbereiche genannt. (Klaus Wahl: Die Modernisierungsfalle, 1989, S. 127 ff.)

——————————————– Ende dieser Erklärung————————————————–

Ich habe nachgeschaut, was man (31.01.11) im Netz findet. An der Spitze steht unten das thematische Stichwort; es folgen Darstellung mehrerer (oder aller) Epochen der deutschen Literaturgeschichte. Darauf folgen Darstellungen einzelner Epochen im Zusammenhang mit dem sogenannten Epochenumbruch um 1800. Zum Schluss weise ich auf Bilder als Zugang zum Verständnis (Ansicht und Einblick) einer Epoche hin.

„Epochenumbruch um 1800“

http://www.lindenhahn.de/referate/epochen/epoch1.htm (Theorie und Texte)

http://www.gymnasium-meschede.de/projekte/romantik/herrenmode.htm (Projekt: Mode der Romantik)

http://www.gesamtschule-solingen.de/pdfs/4_2_Leistungskurs%20Deutsch%20Abitur%202011.pdf (Beispiel einer Kursplanung)

http://www.fachdidaktik-einecke.de/9e_Lehrwerke/lehrwerk_epochenumbrueche.htm (zur Theorie des Epochenumbruchs)

http://www.fachdidaktik-einecke.de/2_Lernen_in_Deutsch/vernetzen_DE_01_2008_einecke.pdf (Theorie und Beispiele dazu: „vernetzen“)

Das Stichwort ist nicht ergiebig – ein Beleg dafür, dass es sich beim Epochenumbruch um 1800 um eine Erfindung der NRW-Didaktiker handelt; man kann eine Reihe Bücher zum prüfungsrelevanten Thema kaufen. Das Zitat aus Schlaffers Literaturgeschichte zeigt, dass der entscheidende Bruch im 18. Jahrhundert erfolgte, etwa um 1750, nicht um 1800; Klopstocks Gedichte und Goethes „Werther“ gehören sicher der neuen Epoche nach dem „Umbruch“ an.

Übersichten: Epochen der deutschen Literatur (einschließlich ‚Aufklärung‘ usw.)

http://www.univie.ac.at/iggerm/files/mitschriften/Literaturgeschichte_II.2-Neubauer-SS11.pdf (Literaturgeschichte bis zum Realismus, kompetent!)

http://www.univie.ac.at/iggerm/files/mitschriften/Literaturgeschichte_I-2009S-Neubauer.pdf (Literaturgeschichte ab Realismus, kompetent)

http://xlibris.de/Epochen (gute Darstellung, kann Verständnis vermitteln)

http://www.lehrer.uni-karlsruhe.de/~za874/homepage/epochen.htm (kurz und gut)

http://deutschsprachige-literatur.blogspot.com/p/epochen-der-deutschen.html (knapp)

http://www.pohlw.de/literatur/epochen/index.htm (Behandlung der Literatur zu knapp)

http://www.8ung.at/livingbox/literaturepochen.html (gute Gesamtdarstellung, aber zu wenig Autoren)

http://www.schuelerlexikon.de/SID/12de18d2df4fe37e57f67d9bea904103/index.php?id=21#, dort „Lexikon“ öffnen, dann unter „3 Literaturgeschichte“ die Punkte 3.7 (Lit. des 18. Jh.) und 3.8 (Lit. des 19. Jh.) suchen – sehr differenziert, die beste Gesamtdarstellung

http://www.literaturwelt.com/epochen.html (ziemlich einfach, nicht fehlerfrei)

http://www.faecher.lernnetz.de/faecherportal/index.php?DownloadID=2330 (Arbeiten zum Zentralabitur Deutsch in Schleswig-Holstein 2008-2010, dort S. 253 ff.)

http://wiki.zum.de/Epochen_der_deutschen_Literatur (unterschiedlich, je nach Epoche)

http://www.pinselpark.org/geschichte/spezif/literaturg/index.html (etwas besser als „literaturwelt.com“)

http://www.literaturknoten.de/geschichte/spezif/literaturg/index.html (gleich „pinselpark.org“, also überflüssig)

http://de.wikipedia.org/wiki/Deutschsprachige_Literatur (sehr knapp)

http://www.netschool.de/deu/litg/klett_1.htm und http://www.netschool.de/deu/litg/klett_2.htm (knappe Übersicht)

http://gabrieleweis.de/2-bldungsbits/literaturgeschichtsbits/lg-index2.htm (knapp, einige schräge Stellen)

http://www.netschool.de/deu/litg/litg_gnd.htm (mehr als knapp)

http://www.hamburger-bildungsserver.de/welcome.phtml?unten=/faecher/deutsch/autoren/ (nur Links, eher für Lehrer)

http://www.buecher-wiki.de/index.php/BuecherWiki/Literatur-Epochen (da muss man sich anmelden; noch unvollständig – einzelne Artikel unten)

Und noch zwei Übersichten eigener Art:

http://www.gymnasedechamblandes.ch/static/sharedFiles/liges.pdf (Einführung in die Literaturgeschichte)

http://www.rezitator.de/3sat/archiv/ (Eine kleine gesprochene Literaturgeschichte der Lyrik, von Lutz Görner)

Barock (gehört nur am Rand noch zum Epochenumbruch um 1800, ist aber schulrelevant)

http://de.wikipedia.org/wiki/Barock_(Literatur)

http://www.hellfirez.de/web/referate/inhalte/Barockei.htm (knapp)

http://blog.zeit.de/schueler/category/literatur/barock/ (mit Links)

http://www.lehrer.uni-karlsruhe.de/~za874/homepage/barock.htm (knapp, Links)

http://www.wissen.de/lexikon/barock (mit Links)

http://webs.schule.at/website/Literatur/literatur_barock.htm (ausführlich)

http://www.bhak-bludenz.ac.at/literatur/barock/default.asp (mit Beispielen und Bildern)

http://encyclopedie-de.snyke.com/articles/barockliteratur.html (zur Problematik des Begriffs „Barockliteratur“)

Aufklärung

http://www.judentum-projekt.de/lessingweb/Aufklaerung.htm (umfassend)

http://de.wikipedia.org/wiki/Aufklärung (umfassend)

http://de.wikipedia.org/wiki/Aufklärung_(Literatur)

http://www.lehrer.uni-karlsruhe.de/~za874/homepage/aufklaerung.htm

http://blog.zeit.de/schueler/2010/07/28/thema-literatur-des-sturm-und-drang-1767-1790/

http://www.teachsam.de/deutsch/d_literatur/d_litgesch/aufkl/litge_auf0.htm (begrenzt gut)

http://www.abipur.de/hausaufgaben/neu/detail/stat/157969243.html

http://www.zum.de/Faecher/D/BW/gym/sturmwerke/

Empfindsamkeit

http://de.wikipedia.org/wiki/Empfindsamkeit

http://blog.zeit.de/schueler/2010/07/27/thema-literatur-der-empfindsamkeit-1740-1790/

http://www.udo-leuschner.de/sehn-sucht/sehn-sucht/s11empfindsamkeit.htm (Beispiel: Garten)

Pietismus

http://www.uni-protokolle.de/Lexikon/Pietismus.html

http://www.philos-website.de/index_b.htm?autoren/pietismus_b.htm~main2

http://www.enzyklo.de/Begriff/Pietismus

http://de.wikipedia.org/wiki/Pietismus (allgemein)

http://www.philos-website.de/index_b.htm?autoren/pietismus_b.htm~main2 (allgemein)

Sturm und Drang

http://www6.digitale-schule-bayern.de/dsdaten/18/722.pdf

http://de.wikipedia.org/wiki/Sturm_und_Drang

http://www.buecher-wiki.de/index.php/BuecherWiki/Sturm_und_Drang

http://blog.zeit.de/schueler/2010/07/28/thema-literatur-des-sturm-und-drang-1767-1790/#more-430

http://www.uni-due.de/einladung/Vorlesungen/literaturge/sturmdrang.htm

http://de.wikipedia.org/wiki/Kategorie:Sturm_und_Drang_(Literatur)

Weimarer Klassik

http://herrlarbig.de/de/2011/08/04/deutsche-klassik-als-literarische-epochen/

http://www.dinkela.de/zineedit/data/romklassik/Klassik.doc (Weimarer Klassik)

http://www.krref.krefeld.schulen.net/referate/deutsch/r0362t00.htm (kurz)

http://www.till-dembeck.de/folders/dembeck/Dembeck__VL_Klassik_2.pdf (Ringvorlesung „Klassik“)

http://www.goethezeitportal.de/fileadmin/PDF/db/wiss/epoche/lauer_klassik.pdf (Lauer: Klassik als Epoche)

http://www.teachsam.de/deutsch/d_literatur/d_litgesch/klas/litge_klass_0.htm

http://www.buecher-wiki.de/index.php/BuecherWiki/Klassik

http://blog.zeit.de/schueler/2010/08/02/thema-literatur-der-klassik-1786-1832/

http://geschichte-wissen.de/neuzeit/49-franzoesische-revolution-napoleon/110-die-weimarer-klassik.html (Schülerarbeit)

http://www.weimar-tourist.de/weimarer-klassik.html

http://de.wikipedia.org/wiki/Weimarer_Klassik

http://www.gym-raubling.de/inhalte/faecher/deutsch/Klassik.doc

*** Neben der Weimarer Klassik wird seit kurzem auch die Berliner Klassik genannt:

http://www.berliner-klassik.de/ (das Projekt)

http://berlinerklassik.bbaw.de/BK (Datenbanken)

Romantik

http://www.lehrer-online.de/romantik.php

http://www.buecher-wiki.de/index.php/BuecherWiki/Romantik

http://de.wikipedia.org/wiki/Romantik

http://blog.zeit.de/schueler/category/literatur/romantik/

http://www.gymnasium-meschede.de/projekte/romantik/literatur.htm

http://www.wcurrlin.de/kulturepochen/kultur_romantik.htm

http://www.referate10.com/referate/Epochen/2/Romantik—Literatur-der-Romantik–Philosophischer-Hintergrund-der-Romantik-reon.php (Schülerreferat)

https://norberto42.wordpress.com/2013/04/15/liebeslyrik-romantik-literatur-der-romantik/ (Liebeslyrik)

Realismus (bürgerlicher bzw. poetischer)

http://www.xlibris.de/Epochen/Realismus

http://webs.schule.at/website/Literatur/literatur_realismus_poetisch.htm

http://webs.schule.at/website/Literatur/literatur_realismus_poetisch_de.htm (Autoren!)

http://www.wissen.de/thema/der-realismus-rueckzug-aufs-buergerliche

https://de.wikipedia.org/wiki/Realismus_(Literatur)

http://www2.digitale-schule-bayern.de/dsdaten/18/726.pdf

http://www.pinselpark.de/geschichte/spezif/literaturg/epochen/1850_realismus.html (schwach)

http://www.literaturwelt.com/epochen/real.html (schwach)

http://bildungsserver.hamburg.de/realismus/ (Links)

Ich finde es auch hilfreich, Bilder einer Epoche zu betrachten. Dazu habe ich gefunden:

Aufklärung und Absolutismus:

http://www.zum.de/Faecher/G/BW/Landeskunde/rhein/baden/ka/absol/index.htm (Übersicht, Start der Austellung: Baden 1689 – 1789, im Badischen Landesmuseum Karlsruhe, sehr umfangreich und anschaulich)

http://www.picsearch.de/imageDetail.cgi?id=tf1n8LrL458SPiXtg23_XUefo3MhON8tTdHOBqMHW7s&width=1748&start=127&q=Aufklärung (das 18. Jh.)

Empfindsamkeit:

http://www.picsearch.de/imageDetail.cgi?id=Ip4OaJyQY9L61FN8nIaNp2RXdEOjnUC5zWRlsmPW-Mo&width=1748&start=1&q=Empfindsamkeit

Unter google Bilder: Die Suchwörter „Weimarer Klassik“ bieten viele Bilder, daneben gibt es mit Bildern den „Schnellkurs Goethe“ unter http://www.goethezeitportal.de/index.php?id=804 (das ganze Goethezeitportal ist lesenswert!).

Sodann sind bei google „Romantik Kunst“ und „Romantik Epoche (Malerei)“ ergiebig; „Pietismus Epoche“: wenig, „Sturm und Drang Epoche“: wenig, während es zur „Empfindsamkeit Epoche“ einige Bilder gibt.

Vgl. auch meine Darstellung „Epochenumbruch um 1900“, zu dem eigentlich der oben genannte bürgerliche Realismus bereits als Hintergrund gehört: https://norberto42.wordpress.com/2010/10/03/epochenumbruch-um-1900-2/ und die Linksammlung zu Neue Sachlichkeit!

Zur Entmystifizierung der Vorstellung eines Epochenumbruchs siehe R. Musil: Der Mann ohne Eigenschaften, Kap. 34, v.a. den 4. Absatz (https://www.projekt-gutenberg.org/musil/mannohne/chap034.html)!