Ludwig Tieck: Abschied – Text und Analyse

Ludwig Tieck: Abschied

Was ist das Leben? Kommen nur und Schwinden,

Ein Wechsel nur von Nacht und Tageshelle,

Verlust und Schmerz, Sehnsucht und Wiederfinden,

So schwebt durch Traum und Wachen hin die Welle, –

Drum lächelt hoffend in der Trennung Wehen

Durch Abschiedstränen schon das Wiedersehen.

Dieses Gedicht steht im dritten Teil seiner „Gedichte“ (1823). Ein Sprecher, der nicht als Person in Erscheinung tritt, reflektiert wie ein Philosoph die große Frage: „Was ist das [menschliche] Leben?“ (V. 1) Das heißt etwa: Worauf läuft es hinaus, was ist sein Grundgesetz? Die Antwort wird dreifach gegeben, wobei jeweils Gegensätze dadurch miteinander verbunden werden, dass ihr Zusammenhang als eine wiederkehrende Abfolge, ein „Wechsel“ (V. 2) beschrieben oder erklärt wird. „Kommen und Schwinden“ (V. 1, Schwinden = Verschwinden, verkürzt um des Taktes willen) gilt von allen Wesen der Fauna, vielleicht sogar von Phänomenen der Atmosphäre. Explizit dahin gehört „Nacht und Tageshelle“ (V. 2), das elementarste Ereignis beständigen Wechsels. Es folgen Beispiele aus dem Gefühlsleben der Menschen, die zusammen ein Beispiel bilden: „Verlust und Schmerz“ bilden eine Einheit, zu der oft auch noch die Sehnsucht gehört (V. 3); das Wiederfinden (V. 3) gehört einmal als Antonym zum Verlust, aber auch zur Sehnsucht als deren Erfüllung. Es geht dem Sprecher hauptsächlich um diese in V. 3 beschriebenen Gefühle (s. auch V. 5 f.!), die in den Zusammenhang kosmischer Gesetze (V. 1 f.) gestellt werden.

Mit dem folgenden „So“ (V. 4) wird das Fazit eingeleitet: Das Grundgesetz des Lebens, der Welt kann nun formuliert werden; es ist das Gesetz der Welle, die „durch Traum und Wachen“ schwebt. Damit hat der Sprecher ein neues Gegensatzpaar eingeführt, das dem Wechsel von Nacht und Tag (V. 2) entspricht, aber vom Traum er die Konnotation des Schwebens ermöglicht, womit dem Wechsel alles Schmerzliche genommen wird – sofern man ihn nur richtig begreift, eben als schwebende Welle.

Diese Folgerung zieht der Sprecher („Drum“, V. 5) dann in den beiden letzten Versen: Die „Wehen“ (Schmerzen) der Trennung, die Tränen beim Abschied von Freunden werden, wenn man das Grundgesetz des Ganzen anerkennt und nicht im Augenblick verharrt, schon von Hoffnung und Lächeln überstrahlt.

Die sechs Verse bestehen aus fünf Jamben mit ausklingender weiblicher Kadenz, die eine kleine Pause im sonst getragenen Sprechen bewirkt. Wir haben zunächst einen Kreuzreim und dann einen Paarreim vor uns, wodurch zweimal passende Gegensatzpaare und einmal Gegensätze (V. 5 f.) im Klang aneinander gebunden werden.

Es drängt sich förmlich ein Vergleich dieses Gedichts mit Goethes „Dauer im Wechsel“ (1804) auf, wo auch das Bild der Welle auftaucht, die aber im Meer aufgeht, also verschwindet und Dauer nur im Geist gewonnen wird; in Tiecks Gedicht ist dagegen die Welle selbst das Dauernde.

https://www.deutsche-biographie.de/sfz6847.html (Ludwig Tieck)

https://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_Tieck (dito)

https://www.lernhelfer.de/schuelerlexikon/deutsch-abitur/artikel/lebensgeschichte-und-literarisches-schaffen-3 (dito)

https://abi.unicum.de/abitur/abitur-lernen/romantik-epoche (Romantik)

https://www.schreiben.net/artikel/romantik-epoche-3771/ (Romantik)

Ludwig Tieck: Glosse – ein Beispiel für Intertextualität, Analyse

Ludwig Tieck: Glosse

Liebe denkt in süßen Tönen,
Denn Gedanken stehn zu fern,
Nur in Tönen mag sie gern
Alles, was sie will, verschönen.

Wenn im tiefen Schmerz verloren
Alle Geister in mir klagen,
Und gerührt die Freunde fragen:
»Welch ein Leid ist Dir geboren?«
Kann ich keine Antwort sagen,
Ob sich Freuden wollen finden,
Leiden in mein Herz gewöhnen,
Geister, die sich liebend binden
Kann kein Wort niemals verkünden,
Liebe denkt in süßen Tönen.

Warum hat Gesangessüße
Immer sich von mir geschieden?
Zornig hat sie mich vermieden,
Wie ich auch die Holde grüße.
So geschieht es, daß ich büße,
Schweigen ist mir vorgeschrieben,
Und ich sagte doch so gern
Was dem Herzen sei sein Lieben,
Aber stumm bin ich geblieben,
Denn Gedanken stehn zu fern.

Ach, wo kann ich doch ein Zeichen,
Meiner Liebe ew‘ges Leben
Mir nur selber kund zu geben,
Wie ein Lebenswort erreichen?
Wenn dann alles will entweichen
Muß ich oft in Trauer wähnen
Liebe sei dem Herzen fern.
Dann weckt sie das tiefste Sehnen,
Sprechen mag sie nur in Thränen,
Nur in Tönen mag sie gern.

Will die Liebe in mir weinen,
Bringt sie Jammer, bringt sie Wonne,
Will sie Nacht seyn, oder Sonne,
Sollen Glückessterne scheinen?
Tausend Wunder sich vereinen,
Ihr Gedanken schweiget stille,
Denn die Liebe will mich krönen,
Und was sich an mir erfülle,
Weiß ich das, es wird ihr Wille
Alles, was sie will, verschönen.

Zur Form: Laut den „Epochen der deutschen Lyrik“, hrsg. von Walter Killy. Bd. 7 (dtv 1970) stammt das Gedicht aus Tiecks „Phantasus“ (1816) und hat dort die ersten vier Verse (das Motto) nicht gesondert, sondern nur in den vier Dezimen die Schlussverse kursiv gesetzt. Ich habe also einen Kompromiss gewählt, da es zur Form der Glosse gehört, dass die vier Schlussverse als kleines Gedicht den vier Strophen vorangestellt werden. In dieser Form steht es in Tiecks „Gedichte“, 1821/23, wie Paul Gerhard Klussmann es auch wiedergibt (Bewegliche Imagination oder Die Kunst der Töne. In: Gedichte und Interpretationen, Band 3: Klassik und Romantik. Hrsg. von Wulf Segebrecht. Reclam 1984 = 1998, S. 342 ff.).

Die „Glosse“ steht in einem Geflecht von Texten, das man ohne fremde Hilfe nicht durchschaut; ich verlasse mich auf die Hinweise Klussmanns. Ausgangspunkt ist folgendes Gedicht Tiecks (1799), das in seinem Essay „Die Töne“ steht (s. den Link unten!):

Weht ein Ton vom Feld herüber
Grüßt mich immerdar ein Freund,
Spricht zu mir: was weinst du Lieber?
Sieh, wie Sonne Liebe scheint:
Herz am Herzen stets vereint
Gehn die bösen Stunden über.

Liebe denkt in süßen Tönen,
Denn Gedanken stehn zu fern,
Nur in Tönen mag sie gern
Alles, was sie will, verschönen.
Drum ist ewig uns zugegen,
Wenn Musik mit Klängen spricht,
Ihr die Sprache nicht gebricht
Holde Lieb‘ auf allen Wegen,
Liebe kann sich nicht bewegen
Leihet sie [die Musik, N.T.] den Othem [Odem, N.T.] nicht.

Die ersten vier Verse der zweiten Strophe haben Friedrich Schlegel und Tiecks Schwester Sophie Bernhardi-Tieck jeweils zum Thema einer Glosse gemacht, die 1803 unter der Überschrift "Variationen“ in der Zeitschrift "Europa“ erschienen sind (s. Link unten!). Schlegel sei es gewesen, der die programmatische Bedeutung der vier Verse erkannt habe. Es folgen dort zwei weitere Glossen, von denen zumindest eine August Wilhelm Schlegel geschrieben hat. Tieck hat seine Glosse "Töne“ vermutlich bald nach den "Variationen“ geschrieben, dann im "Phantasus“ 1816 mit vier kursiv markierten Schlussversen veröffentlicht; in der Ausgabe seiner Gedichte 1821/23 hat er die vier Verse als Motto vorangestellt, wie bereits Schlegel in den "Variationen“. Ludwig Uhland hat, wobei er den ersten Vers des Mottos leicht verändert hat, die gefühlvolle Dichtung der Variationen“ 1815 in der Parodie "Der Rezensent“ auf die Schippe genommen:

Liebtet ihr nicht, stolze Schönen!
Selbst die Logik zu verhöhnen,
Würd ich zu beweisen wagen,
Daß es Unsinn ist zu sagen:
Süße Liebe denkt in Tönen.

Wir haben ein großes Beispiel für Intertextualität vor uns, die hier natürlich nicht in den Feinheiten entfaltet werden kann; dazu muss man mindestens Klussmanns Aufsatz lesen.
Das Motto, die ersten vier Verse, sind das romantische "Programm der Musikalisierung, das in Dichtung, Malerei und Musik den romantischen Weg nach Innen noch entschiedener vorantreiben sollte“ (Klussmann, S. 346); Schlegel hat mit seiner literarischen Partnerin die Form der Glosse in die deutsche Literatur eingeführt. Tieck hat, anders als Schlegel und seine Schwester, auf konkrete Bilder in seiner Glosse verzichtet und auf die Musikalität der Sprache gesetzt und durch das Spiel der Reime und die Elemente des Wortklangs die Verbindung zwischen den Sätzen hergestellt (Klussmann, S. 350).
Im Motto werden die süßen Töne der Musik den Gedanken gegenübergestellt: In Tönen denke die Musik, Gedanken als solche ständen ihr fern; mit Tönen verschöne sie "alles, was sie will“ (V. 4). Der etymologische Rückgriff auf „denken“ verbindet trotzdem die Gegensätze, die Laute "-önen“ beherrschen das Motto und seinen Kreuzreim.
Die vier Dezimen, die ich mit lateinischen Ziffern bezeichne, stehen unter dem Strukturprinzip von Frage und Antwort; dabei fällt auf, dass es keine Antwort auf die Fragen gibt: Kein Wort kann vom Inneren des Ichs künden (I 9), ihm ist Schweigen vorgeschrieben (II 6); ein Lebenswort hört das sprachlose Ich nur in Tränen und Tönen (III 9 f.). Die Gedanken haben zu schweigen, wenn die Liebe ihr Werk "krönen / verschönen“ vollbringt (IV 6 ff.). Gesangessüße und Lebenswort, zwei Neologismen, sind nach Klussmann die zentralen Begriffe, mit denen das Wirken des Liebesmusik umschrieben wird. 
Man sollte nicht versuchen, sachlich-logische Beziehungen zwischen den verschiedenen Aussagen herzustellen. Solche Versuche scheitern: Warum hat sich die Gesangessüße etwa vom Ich "geschieden“ (II 2), während gleichzeitig die Gedanken fernstehen (II 10)? Woher weiß das Ich, dass es von der Liebe gekrönt werden soll (IV 7)? Solche Fragen darf man an dieses Gedicht nicht stellen, man muss einfach dem Strom der Laute zuhören, die Abfolge der unanschaulichen Topoi hinnehmen – oder eben wie Uhland die Glossen über die Liebesmusik parodieren.
Die Dezimen bestehen aus vierfüßigen Trochäen. Das Reimschema ist a – b – b – a – b – c – d – c – c – d; in der Mitte der Dezime ist also bei der Lautung ein Einschnitt, während für die Fragen vier bzw. zwei Verse (so nur in II) vorgesehen sind. Die "Glosse“ ist eines der Programmgedichte der Romantik, vielleicht sogar das entscheidende.

https://www.deutsche-biographie.de/sfz6847.html (Ludwig Tieck)

https://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_Tieck (dito)

https://www.lernhelfer.de/schuelerlexikon/deutsch-abitur/artikel/lebensgeschichte-und-literarisches-schaffen-3 (dito)

http://www.zeno.org/Literatur/M/Wackenroder,+Wilhelm+Heinrich/Schriften+und+Dichtungen/Phantasien+%C3%BCber+die+Kunst+f%C3%BCr+Freunde+der+Kunst/Zweiter+Abschnitt/8.+Die+T%C3%B6ne (Tieck: Die Töne, in Wackenroder: Phantasien über die Kunst…, 1799)

http://homepage.univie.ac.at/konstanze.fliedl/VO_Gedichte_WS_2013/Gedichte-04.ppt (Präsentation zu Tiecks „Glosse“)

https://archive.org/details/bub_gb_pRJGAAAAcAAJ/page/n81/mode/2up („Variationen“, in: Europa. Eine Zeitschrift, 1803, S. 78 ff.)

https://www.babelmatrix.org/works/de/Schlegel%2C_Friedrich_von-1772/S%C3%BCsse_Liebe_denkt Schlegels Glosse

https://gedichte.xbib.de/Uhland_gedicht_1.+Der+Rezensent.htm (Uhland: Der Rezensent)

https://de.wikipedia.org/wiki/Glosa_(Kunst) (Gedichtform Glosse)

https://www.jewiki.net/wiki/Glosse_(Gedichtform) (dito)

https://wortwuchs.net/gedichtformen/ (Gedichtformen)

https://abi.unicum.de/abitur/abitur-lernen/romantik-epoche (Romantik)

https://www.schreiben.net/artikel/romantik-epoche-3771/ (Romantik)

Ludwig Tieck: Wunder der Liebe – Text und Analyse

Ludwig Tieck: Wunder der Liebe

Glosse.

Mondbeglänzte Zaubernacht,
Die den Sinn gefangen hält,
Wundervolle Märchenwelt,
Steig‘ auf in der alten Pracht!

Liebe läßt sich suchen, finden,
Niemals lernen, oder lehren,
Wer da will die Flamm‘ entzünden
Ohne selbst sich zu verzehren,
Muß sich reinigen der Sünden.
Alles schläft, weil er noch wacht,
Wenn der Stern der Liebe lacht,
Goldne Augen auf ihn blicken,
Schaut er trunken von Entzücken
Mondbeglänzte Zaubernacht.

Aber nie darf er erschrecken,
Wenn sich Wolken dunkel jagen,
Finsternis die Sterne decken,
Kaum der Mond es noch will wagen,
Einen Schimmer zu erwecken.
Ewig steht der Liebe Zelt,
Von dem eignen Licht erhellt,
Aber Mut nur kann zerbrechen,
Was die Furcht will ewig schwächen,
Die den Sinn gefangen hält.

Keiner Liebe hat gefunden,
Dem ein trüber Ernst beschieden,
Flüchtig sind die goldnen Stunden,
Welche immer den vermieden,
Den die bleiche Sorg‘ umwunden;
Wer die Schlange an sich hält,
Dem ist Schatten vorgestellt,
Alles, was die Dichter sangen,
Nennt der Arme, eingefangen,
Wundervolle Märchenwelt.

Herz, im Glauben auferblühend,
Fühlt alsbald die goldnen Scheine,
Die es lieblich in sich ziehend
Macht zu eigen sich und seine,
In der schönsten Flamme glühend.
Ist das Opfer angefacht,
Wird‘s dem Himmel dargebracht;
Hat dich Liebe angenommen,
Auf dem Altar hell entglommen
Steig‘ auf in der alten Pracht.

Zum Ort des Gedichts: „Ludwig Tieck (1773-1853) stellte ans Ende des »Der Aufzug der Romanze« betitelten Prologs zu seinem Lustspiel »Kaiser Octavianus« (1804) die Verse: »Mondbeglänzte Zaubernacht, / Die den Sinn gefangen hält, / Wundervolle Märchenwelt, / Steig auf in der alten Pracht!« Mit dem von ihm geprägten Wort »Waldeinsamkeit« (im Kunstmärchen »Der blonde Eckbert«, 1797) wurde die »mondbeglänzte Zaubernacht« zum zweiten charakteristischen Begriff für die Naturauffassung und die symbolische Poetik der Romantik.“ (Universal-Lexikon) Was steht hinter dieser Karriere der mondbeglänzten Zaubernacht?

Das Gedicht ist in der Form der Glosa oder Glosse (s. die Links!) verfasst, hat also einen spielerischen Hauch an sich: Die vier Verse der ersten Strophe bilden die letzten Zeilen der vier restlichen Strophen, die Form ist vorgegeben. In der ersten Strophe wird die „[m]ondbeglänzte Zaubernacht persönlich angesprochen und gebeten, „in der alten Pracht“ (V. 4) aufzusteigen. In diesen vier Versen zeigt sich schon die Eigenart des frühromantischen Gedichts von 1804. Die Zaubernacht ist eine märchenhafte Größe, die ja auch in der Apposition „[w]undervolle Märchenwelt genannt wird; mondbeglänzt kann eine Landschaft oder ein Gebäude sein, aber nicht die Nacht selbst – eine beglänzte, eigentlich finstere Nacht ist eine paradoxe Größe, etwas Überirdisches, weshalb sie auch den Sinn, den Verstand (?) gefangen hält (V. 2). Nach Adelung ist der Sinn eigentlich „die Fähigkeit zu empfinden“, übertragen dann u.a. die Fähigkeit, zu erkennen und zu beurteilen (der Verstand) oder auch die Fähigkeit „zu wollen, sich nach Vorstellungen zu bestimmen“. Die Zaubernacht überwältigt also den Menschen; sie wird jetzt gebeten (Imperativ), „in der alten Pracht“ aufzusteigen: Es hat sie also früher schon gegeben, zwischenzeitlich lag sie darnieder, jetzt soll sie wieder aufstehen, auferstehen – das nennen wir Romantik. Die vier Verse bestehen aus vier Trochäen, deren letzter unvollständig ist (männliche Kadenz), was eine kleine Pause im Sprechen einfordert. Betont sind „Mond-, Zauber-, Sinn, gefangen-, Wunder-, Märchen-, auf, alten, Pracht“. Die Verse sind im Kreuzreim verbunden, die „Zaubernacht“ kommt „in der alten Pracht“.

Detlef Kremer hat in seinem Buch „Romantik“ (2. Aufl. 2003) Tiecks Dichtung so charakterisiert: Die Sprache bewege sich in der Nähe der Musik, Worte könnten die wahre Natur nicht benennen. „Die musikalisch-klangliche Dimension des poetischen Gedichts bekommt nichts weniger zur Aufgabe, als den Zusammenhang aller Elemente zu beschwören und die in rationaler Perspektive getrennten Sphären der Welt, oben und unten, innen und außen, Subjekt und Objekt, zu vereinigen.“ (S. 290) Die mondbeglänzte Zaubernacht beschreibe genauso wie die Waldeinsamkeit oder die blaue Blume keine Gegenstände in der Natur, sondern sie seien „als allegorische Chiffren angelegt, die jedoch nicht mit einem feststehenden, sondern mit einem vagen, immer in der Schwebe bleibenden Bedeutungswert ausgezeichnet sind“ (S. 292).

Die Überschrift „Wunder der Liebe“ mutet bisher befremdlich an und erschließt sich erst in den vier großen Strophen. Die erste beginnt mit einem Lehrsatz: „Liebe läßt sich suchen, finden, / Niemals lernen oder lehren“ (I 1 f.) Das ist eine Lebenserfahrung, vielleicht lässt sie sich sogar nicht einmal suchen; in den folgenden Versen wird eine Bedingung dafür genannt, dass der Liebeswillige „die Flamm‘ entzünden“ kann (I 3-5): von Sünden befreit, also rein sein. In den folgenden fünf Versen wird dann angedeutet, wie die Liebe erwacht. Drei Hauptsätze stehen unverbunden nebeneinander (I 6-10): 1. Alles schläft. 2. Goldne Augen blicken auf ihn. 3. Er schaut trunken… Ich schlage vor, den weil-Satz mit seinem temporalen Nebensatz „wann…“ als Begründung für den zweiten Hauptsatz zu lesen. Der Stern der Liebe wird also vom Wachenden erblickt, bzw. goldene Augen blicken auf ihn, so dass er „trunken vor Entzücken“ die mondbeglänzte Zaubernacht erblickt: das Wunder der Liebe. Man könnte hier poetisch umschrieben finden, wie ein liebevoller Blick die Liebe entzündet und Verliebtsein bewirkt: Der Angeschaute ist hin und weg, mondbeglänzte Zaubernacht. V. 4 der Eingangsstrophe passt gut in den Zusammenhang. Die Reimform ist a – b – a – b – a – c – c – d – d – c, eine wunderbare melodische Folge; die Verse bestehen (bis auf den abschließenden I 10) aus vier vollständigen Trochäen, die Reime bzw. die reimenden Verse passen semantisch zusammen (bis auf I 2 / 4).

Die nächste Strophe ist von zwei Kontrasten bestimmt: Dunkel / Licht und Mut / Furcht. Weil „der Liebe Zelt“ im eigenen Licht steht (II 6 f.), braucht Dunkelheit den Liebenden nicht zu erschrecken (II 1-5). Woher diese Dunkelheit stammt, selbst der glänzende Mond kaum Licht gibt (II 4 f.), wird nicht gesagt; es könnten äußere hinderliche Umstände sein, die jedoch dem Licht der Liebe nichts anhaben können. Der Schluss der Strophe ist dagegen rätselhaft (II 8-10): Das adversative „Aber“ leitet den Hauptsatz ein; das Objekt zu „zerbrechen“ steht im ersten Relativsatz (II 9), wobei das völlig unbestimmte „Was“ das Objekt bezeichnet, welches die Furcht schwächen will (oder ist „Was“ Subjekt und „die Furcht“ Objekt?): Das könnte vielleicht der zarte Faden der Liebe sein? Die Furcht wird dann in ihrer Wirkung in einem Relativsatz (II 10 = V. 2) bestimmt, der auch diesmal gut in den Kontext passt. Für die Form der zweiten großen Strophe gilt das Gleiche wie für die die erste, nur dass II 10 als Relativsatz von II 9 semantisch nicht zu II 6 f. passen kann.

Auch die dritte große Strophe ist von einem Kontrast bestimmt: Auf der einen stehen die, welche keine Liebe gefunden haben oder finden können (III 1-5), auf der anderen die, denen es gelingt (III 6-10). Die ersteren sind die Melancholischen (III 2) und die Besorgten (III 5); zu den anderen gehört der, „[w]er die Schlange an sich hält“ (III 6). Das ist einigermaßen rätselhaft gesprochen und bezieht sich wohl auf die märchenhafte Vorstellung von der Schlangenkönigin, wie sie in Novalis‘ Gedicht „Der Himmel war umzogen“ (s.u.) auftaucht: Das Ich sieht die Schlangenkönigin, nähert sich ihr und kann sie mit einer Zauberrute berühren: „So wunderbarerweise / Ward ich unsäglich reich.“ Dass dem, der die Schlange an sich hält, „Schatten vorgestellt“ ist (III 7), kann ich nicht schlüssig erklären (vielleicht ist steht er in der Sicht anderer im Schatten?), ebenso wenig, dass er ein Armer ist (III 9); „eingefangen“ (III 9) ist er, weil er im Bann der Schlange lebt, weshalb er auch die Dichtungen als wundervolle Märchenwelt versteht (III 8-10). Arm ist er vielleicht, weil er allein von der wundervollen Märchenwelt beschenkt werden kann. V. 3 passt wiederum gut in den Kontext der großen Strophe. Für die Form gilt das Gleiche wie für die zweite große Strophe.

In der letzten großen Strophe wird das Schicksal dessen beschrieben, der „im Glauben“ (IV 1) an die Märchenwelt (III 10) lebt: Er fühlt den von der Schlange ausgehenden goldenen Schein, macht ihn sich zu eigen und erglüht selber in der schönsten Flamme (IV 2-5). Ungewöhnlich ist der Plural „die Scheine“ (IV 2, reimbedingt), ebenso die Konstruktion um das Verb „sich zu eigen machen“, wo „seine“ im Sinn von „zu den seinen“ zu lesen ist. Mit dem Nomen „Glauben“ (IV 1) und dem Bild des Glühens (IV 5) ist die Deutung des Liebesgeschehens in religiösen Metaphern (IV 6-10) vorbereitet: Der in der Liebe Erglühende ist ein „Opfer“ (IV 6 f.), das auf dem Altar verbrennt, bis es „entglommen“ ist (IV 9, ein Neologismus, im Sinn von „verglimmen“). Die Liebe (IV 8) = der Himmel (IV 7) nimmt das Opfer an. Vers 4 passt nicht ganz in den Kontext: Richtig wäre das finite Präsens „Du steigst auf“ statt des Imperativs „Steig‘ auf“, weil das Opfer ja schon von der Liebe angenommen ist, also seinerseits nicht mehr zum Aufsteigen aufgefordert werden muss; der Zusammenhang IV 8 / 9 f. lässt sich am einfachsten konditional verstehen (wenn / dann). Die Reime in der ersten Hälfte passen außer IV 1 / 5 nicht recht zueinander, dafür passt jedoch IV 10 zu IV 6 f.

Meine analytischen Bemerkungen sollen entschleiern, was sprachlich unklar sein könnte; sie können aber natürlich nicht die Wunder der Liebe erklären oder dem sprachlichen Zauber des Gedichts gerecht werden.

https://www.deutsche-biographie.de/sfz6847.html (Ludwig Tieck)

https://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_Tieck (dito)

https://www.lernhelfer.de/schuelerlexikon/deutsch-abitur/artikel/lebensgeschichte-und-literarisches-schaffen-3 (dito)

https://norberto42.wordpress.com/2021/01/31/novalis-der-himmel-war-umzogen-text-und-analyse/ (Novalis: Der Himmel war umzogen, zum Bild der Schlangenkönigin)

https://de.wikipedia.org/wiki/Glosa_(Kunst) (Gedichtform Glosse)

https://www.jewiki.net/wiki/Glosse_(Gedichtform) (dito)

https://wortwuchs.net/gedichtformen/ (Gedichtformen)

https://abi.unicum.de/abitur/abitur-lernen/romantik-epoche (Romantik)

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Ludwig Tieck: Melancholie – Text und Analyse

Ludwig Tieck: Melankolie

Schwarz war die Nacht und dunkle Sterne brannten
Durch Wolkenschleier matt und bleich,
Die Flur durchstrich das Geisterreich,
Als feindlich sich die Parzen abwärts wandten,
Und zorn’ge Götter mich in’s Leben sandten.

Die Eule sang mir grause Wiegenlieder
Und schrie mir durch die stille Ruh
Ein gräßliches: Willkommen! zu.
Der bleiche Gram und Jammer sanken nieder
Und grüßten mich als längst gekannte Brüder.

Da sprach der Gram in banger Geisterstunde:
Du bist zu Quaalen eingeweiht,
Ein Ziel des Schicksals Grausamkeit,
Die Bogen sind gespannt und jede Stunde
Schlägt grausam dir stets neue blutge Wunde.

Dich werden alle Menschenfreuden fliehen,
Dich spricht kein Wesen freundlich an,
Du gehst die wüste Felsenbahn,
Wo Klippen drohn, wo keine Blumen blühen,
Der Sonne Strahlen heiß und heißer glühen.

Die Liebe, die der Schöpfung All durchklingt,
Der Schirm in Jammer und in Leiden,
Die Blüthe aller Menschenfreuden,
Die unser Herz zum höchsten Himmel schwingt,
Wo Durst aus seelgem Born Erquicken trinkt,

Die Liebe sei auf ewig dir versagt.
Das Thor ist hinter dir geschlossen,
Auf der Verzweiflung wilden Rossen
Wirst du durch’s öde Leben hingejagt,
Wo keine Freude dir zu folgen wagt.

Dann sinkst du in die ewge Nacht zurück,
Sieh tausend Elend auf dich zielen,
Im Schmerz dein Dasein nur zu fühlen!
Ja erst im ausgelöschten Todesblick
Begrüßt voll Mitleid dich das erste Glück. –

(Ich orientiere mich in der Textgestalt an der Ausgabe http://www.zeno.org/Literatur/M/Tieck,+Ludwig/Gedichte/Gedichte/Zweiter+Theil/Melankolie.)

Das Gedicht ist ein Bericht, der aber nur eine Phantasie sein kann; denn ein Ich berichtet davon, wie es in eine grauenvolle Welt kam und was „der Gram“ dabei zu ihm sagte (V. 11 ff.). Sieben Strophen machen das Gedicht aus, das 1795 entstanden ist und die dunkle Seite der Romantik repräsentiert.

In der ersten Strophe wird die Weltsituation bei der Geburt des Ichs – von Geburt ist eigentlich nicht die Rede, sondern davon, durch Götter ins Leben gesandt zu sein (V. 5) – beschrieben: schwarze Nacht, bleiche Wolkenschleier; die dunklen Sterne (V. 1) sind beinahe ein paradoxes Phänomen. Rätselhaft klingt, dass die Flur das Geisterreich durchstrich; gegen mein früheres Verständnis löst man das Problem, wenn man „das Geisterreich“ als Subjekt und „Die Flur“ als Objekt versteht; das passt dann auch zu V. 4. Die Parzen: Das Wort fehlt in Adelungs Wörterbuch, gehört als latinisierte Form der griechischen Moiren der Bildungssprache an; es sind die Schicksalsgöttinnen, die jedem Menschen sein Geschick zuteilen. Die Szene ist wohl so vorgestellt, dass aus einem himmlischen Geisterreich (V. 3) feindlich gesinnte Parzen und zornige Götter das Ich auf die Erde schicken, „in‘s Leben“. Wieso die Parzen und Götter dem Ich nicht gewogen sind, wird nicht gesagt – von Anfang an und schon vorher stand sein Geschick unter keinem guten Stern, sondern nur unter dunklen Sternen.

Die Form des Gedichtes ist eigenwillig: Fünf Verse reimen sich im Schema a – b – b – a – a; dabei bestehen die a-Verse aus fünf Jamben mit weiblicher Kadenz, die eine kleine Sprechpause einfordert, die b-Verse aus vier Jamben. Das ergibt ein insgesamt bewegtes Sprechen. Die Reime sind semantisch sinnvoll, die Verse stellen insgesamt eine schlimme Situation dar. „Schwarz“ (V. 1) ist gegen den Takt betont und macht als erstes Wort sogleich klar, dass einen nichts Gutes erwartet. Ab Strophe 4 haben die b-Verse eine weibliche Kadenz, was das Sprechen noch etwas weicher macht, während die a-Verse männlich-hart enden.

In der zweiten Strophe wird die Ankunft auf der Erde beschrieben: Begrüßung durch einen grässlichen Eulenschrei: Die Eule begrüßt als Todesvogel den neuen Erdenbürger mit „Willkommen“ (V. 6-8); Gram und Jammer treten personifiziert auf (V. 9 f.). Dass sie niedersanken, kann nur bedeuten, dass sie zuvor auch im Geisterreich waren und mit dem neuen Menschen kamen; sie sind ihm als „Brüder“ verwandt, die Partikel „als“ (V. 10) liest man am besten im Sinn von „wie“ im Sinn eines irrealen Vergleichs. Für die Reime gilt das gleiche wie in Strophe 1, nur dass die b-Verse hier einen Kontrast abbilden.

Von der dritten Strophe an wird in wörtlicher Rede berichtet, was der Gram zur Begrüßung dem neuen Erdenbürger sagt. Was ist der Gram? „Ein höherer Grad der anhaltenden Betrübniß über ein Übel. Ihr Auge verräth seit einiger Zeit einen heimlichen Gram. Seinem Grame nachhängen. Von dem Grame verzehret werden. Sieh wie der Gram um dich ihn zerfoltert, Weiße.“ (Adelung) Dass der Gram personifiziert wird, ist also auch sonst üblich. Die Zeitangabe „in banger Geisterstunde“ (V. 11), also zur Mitternacht, passt zur schrecklichen Botschaft des Grams. Sie besagt, kurz gefasst, dass dem Ich eine „wüste Felsenbahn“ (V. 18) als Lebensweg bestimmt ist (Str. 3 und 4) und dass ihm die Liebe auf ewig versagt bleibt (Str. 5 und 6), so dass der Tod ihm schließlich eine Erlösung sein wird (Str. 7). Gegen den Takt betont sind die Personalpronomen der 2. Person am Versanfang (V. 12, V. 16 ff.) und das drohende „Dann“ (V. 31).

In der dritten Strophe ist die Wendung „zu Quaalen eingeweiht“ (V. 12) eher rätselhaft, verdankt sich wohl dem Reimwort „Grausamkeit“ (V. 13); „einweihen“ heißt: zu einem gewissen Gebrauch bestimmen (Adelung) – am einfachsten liest man „eingeweiht“ im allgemeineren Sinn von „bestimmt“. In V. 13 fehlt aus metrischen Gründen ein „von“, welches „Grausamkeit“ als Attribut zu „Ziel“ ausweist. „Die Bogen“ (V. 14) sind völlig unbestimmt, wer sie und seine Pfeile gegen das Ich richtet, wird nicht gesagt: Die Botschaft des Grams ist eine einzige Sammlung bedrohlicher Aspekte.

Im Folgenden wird zunächst die Liebe gepriesen (Str. 5), ehe sie dem Ich versagt wird (Str. 6); vielleicht ist hier die Wurzel seiner Melancholie zu finden, dass es sich als einziges Geschöpf („der Schöpfung All durchklingt“, V. 21) ungeliebt und freudlos (V. 30) weiß – aber das ist nur eine Spekulation. Auch das „hinter dir“ geschlossene Tor (V. 27), ohne Attribut vorgestellt, ist auf den ersten Blick rätselhaft; man könnte an das Tor des Paradieses denken, des Paradieses der Liebe – aber dafür müsste das Ich zuvor im Paradies gewesen sein. So bleibt nur ein allgemeines Bild dafür, dass es für das Ich keinen Zugang in jenes gelobte Land gibt.

Das drohende „Dann“ (V. 31) weist auf einen nicht greifbaren Zeitpunkt hin, obwohl bisher nur künftiges Unheil verkündet, aber kein Ereignis berichtet worden ist (Präsens neben einer futurischen Wendung, V. 16, und einem imperativischen Konjunktiv mit futurischer Bedeutung, V. 26); offenbar wird unterstellt, alle diese Unheilsdrohungen würden irgendwann Wirklichkeit werden – „Dann sinkst du in die ewge Nacht zurück“ (V. 31; das Präsens „sinkst zurück“ muss dann als Teil der Unheilsbotschaft futurische Bedeutung haben). Hier kommt der Sprecher mit seinen Zeitvorstellungen durcheinander: „Dann“ kann ja wohl nur den Tod bezeichnen, von dem erneut V. 34 f. die Rede ist; vorher jedoch, zwischen „Dann“ und dem Todesblick, liegen noch der Blick auf das Elend (richtig „Elende“, da tausend, ein nicht üblicher Plural, hier des Metrums wegen verkürzt) und das schmerzhafte Gefühl des Daseins (V. 32 f.) – es sei denn, man denke sich das Ich so, dass es im Prozess des Sterbens (V. 31, aber das war doch schon vorher der Fall!?) das Elend sähe und das Dasein fühle, um dann gleich nach dem Sterben vom personifizierten Glück (des Nicht mehr Seins – oder doch des reinen Glücks?) begrüßt zu werden, „voll Mitleid“ (V. 35).

Im Brockhaus von 1809 gibt es keinen Melancholie-Artikel. Im Damen Conversations Lexikon von 1836 finden wir: „Melancholie, die Schwermuth oder der Trübsinn, ein einseitig, fieberloses, anhaltendes Delirium, welches durch Schwäche, Trauer, Betrübniß und niederdrückende Affecte unterhalten wird. Der Melancholische verbindet seine irrigen Ideen ganz gut, hält sie für wahr und schließt nach ihnen ganz richtig auf andere Dinge. (…)“ Im Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon steht 1839 ein größerer Artikel: „Melancholie, Trübsinn, Schwermuth wird die Art von Seelenstörung genannt, welche auf anhaltender und ausschließlicher Beschäftigung des Gemüths mit wirklich begründeten oder nur eingebildeten, Schmerz und Trauer erregenden Gegenständen beruht, sodaß für andere Eindrücke und Vorstellungen wenig oder gar keine Empfänglichkeit mehr sich zeigt, das Bewußtsein mehr oder weniger getrübt und Vernunft und Wille befangen und in ihren Äußerungen beeinträchtigt erscheinen. Abgesehen von dem Leiden der Seele verräth sich die Melancholie auch durch körperliche Merkmale und Zufälle, namentlich durch eine bleiche, gelbliche oder erdfahle Gesichtsfarbe, einen matten, trüben, unstäten oder auch stieren Blick, ungewöhnliche Trockenheit und Kühle der Haut, Magerkeit, Trägheit des Pulses, Mangel an Appetit, schlechte Verdauung, Mattigkeit, Beängstigungen und Krämpfe. (…)“

Tieck hat ein sprachlich ambitioniertes Gedicht geschrieben, das mehr vom Pathos des Leidens als von formaler Meisterschaft geprägt ist und die Nachtseite menschlicher Existenz durchmisst.

https://www.deutsche-biographie.de/sfz6847.html (Ludwig Tieck)

https://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_Tieck (dito)

https://www.lernhelfer.de/schuelerlexikon/deutsch-abitur/artikel/lebensgeschichte-und-literarisches-schaffen-3 (dito)

https://de.wikipedia.org/wiki/Melancholie (Melancholie, dort auch Bilder)

https://www.deutschlandfunk.de/melancholie-als-unvermittelbares-leid-ich-weiss-nicht-was.1184.de.html?dram:article_id=432500 (Melancholie)

https://www.deutschlandfunkkultur.de/von-melancholie-und-anderen-duesteren-gefuehlen.976.de.html?dram:article_id=401360 (dito)

https://www.textlog.de/1792.html (Wb Kirchner; Melancholie, 1907)

https://gedichte.xbib.de/_Melancholie_gedicht.htm Melancholie-Gedichte

https://gedichte.xbib.de/Melancholie_gedichte_recherche.htm (dito)

https://abi.unicum.de/abitur/abitur-lernen/romantik-epoche (Romantik)

Nachträglich stelle ich fest, dass Franz Loquai eine gelehrte Analyse des Gedichts geschrieben hat (Lovells Leiden und die Poesie der Melancholie, in: Gedichte und Interpretationen, Band 3: Klassik und Romantik. Hrsg. von Wulf Segebrecht. Reclam 1984 = 1998, S. 100 ff.): „Lovell interpretiert in diesem Gedicht seine Geburt im Gestus der Rückschau so, daß sie als sein ganzes Leben prägend erscheint, um seine Empfindungslage in der Gegenwart als schicksalhaft determiniert erklären zu können.“ (S. 101) Die Strophen 5 und 6 seien kontrapunktisch auf die Strophen 3 und 4 bezogen (S. 103). „Dem Gedicht liegt eine zyklische, kontrapunktisch verfahrende Strukturierung zugrunde (Eröffnung, Variation und Abschluß des Themas). Die Grobstruktur wird im kleinen wiederholt, in Varianten, Spiegelungen und Rückbezügen. Viele Begriffe und Bilder kommen unverändert oder variiert zweimal vor (z.B. ‚grausam‘. ‚bleich‘ usw.; ‚wüst‘/‚öde‘, ‚schwarz/‚dunkel‘ usw.).“ (S. 104). Ab S. 104 wird die Stellung des Gedichts im Roman ausführlich gewürdigt, ab S. 108 in der Dichtung Tiecks. – Loquai weist auch noch auf Schillers „Melancholie an Laura“ und Karl Philipp Moritz‘ „Die Melancholie“ (im „Anton Reiser“) hin und nennt zum Schluss viele Werke der Sekundärliteratur. [Schillers Gedicht mit seinen über 100 Versen findet man leicht im Netz. Moritz‘ „Die Melancholie“ muss man am besten mit dem Gedichtanfang suchen: „Dir, Freund, will ich mein Leiden klagen“, da findet man den ganzen Text stückweise; später hat der Erzähler die erste Strophe umgedichtet: „Der Seele Leiden will ich klagen“.]

Ludwig Tieck: Seid mir gegrüßt – Text und Analyse

Tieck: Seid mir gegrüßt…

Seid mir gegrüßt, ihr frohen goldnen Jahre,

Sosehr ihr auch mein Herz mit Wehmut füllt!

Ach! damals! damals! – immer strebt mein Geist zurück

In jenes schöne Land, das einst die Heimat war.

Das goldne, tiefgesenkte Abendrot,

Des Mondes zarter Schimmer, der Gesang

Der Nachtigallen, jede Schönheit gab

Mir freundlich stillen Gruß, es labte sich

Mein Geist an allen wechselnden Gestalten

Und sah im Spiegel frischer Phantasie

Die Schönheit schöner: Willig fand die Anmut

Zum Ungeheuren sich, und alles band sich stets

In reine Harmonie zusammen. – Doch

Entschwunden ist die Zeit, das ehrne Alter

Des Mannes trat in alle seine Rechte.

Mich kennt kein zartes, kindliches Gefühl,

Zerrissen alle Harmonie, das Chaos

Verwirrter Zweifel streckt sich vor mir aus.

Von jäher Felsenspitze schau ich schwindelnd

In schwarze, wüste, wildzerrißne Klüfte.

Ein wilder Reigen dreht sich gräßlich unten,

Ein freches Hohngelächter schallt herauf,

Und bleiche Fackeln zittern hin und her.

Dämonen, fürchterliche Larven feiern

Mit raschem Schwung ein nächtlich Lustgelage.

Wer ist der schwarze Riese unter ihnen? –

Er nennt sich Tod und streckt den bleichen Arm

Nach mir herauf! – Hinweg du Gräßlicher! –

Was rührt sich in den Bäumen? – Ist‘s mein Vater?

Er will zu mir! er kömmt mit Rosalinen

Und langsam geht Pietro hinter ihm,

Auch Willys Kopf streckt sich aus feuchtem Grabe! –

Hinweg! – ich kenn euch nicht! – zur Höll hinab!! –

Doch laut und immer lauter rauscht die Waldung,

Es braust das Meer und schilt mit allen Wogen –

Und in mir klopft ein ängstlich feiges Herz. –

Ihr alle richtet mich? verdammt mich alle? –

Du selbst bist gegen dich? – O Tor, laß ja

Den Geist in dir, den frechen Dämon nie

Gebändigt werden! Laß das Schicksal zürnen,

Laß Lieb und Freundschaft zu Verrätern werden,

Laß alles treulos von dir fallen: ha! was kümmern

Dich Luftgestalten? – sei dir selbst genug!

Das Gedicht steht in einem Brief William Lovells an Rosa in Tiecks Briefroman „Geschichte des Herrn William Lovell“ (1795/96, später überarbeitet). William hat auf seiner Bildungsreise den Italiener Rosa und durch diesen Rosaline kennengelernt, die er verführt. Sie erkennt, dass William am Tode ihres Bräutigams Pietro, eines Räubers, schuld ist, und geht in den Tiber. William erfährt über seinen Freund Eduard Burton vom Tode des Vaters; immer stärkt bedrückt ihn Melancholie. – In einem Brief an Rosa (Neuntes Buch, 27.) berichtet er, wie er erneut von Räubern überfallen wurde und sich ihnen anschloss. Als er den Brief schreibt, ist er allein, hat Sehnsucht nach seinen Freunden, möchte Rosaline und den Vater wiedersehen. Er teilt Rosa ein altes Gedicht mit, von dem er sich jedoch distanziert, und schreibt dann „Seid mir gegrüßt…“ auf. Er kommentiert das Gedicht danach kurz: „Was meinen Sie? – Wenn ich über mich selbst ein Trauerspiel machte, müßte sich da diese Tirade nicht am Schlusse des vierten Akts ganz gut ausnehmen?“

Das Gedicht ist die Meditation eines jungen Mannes, William Lovell, der innehält und im Selbstgespräch über sich und seine Lage nachdenkt. Er beginnt mit einem Gruß an die vergangenen Jahre der Kindheit, „ihr frohen goldnen Jahre“ (V. 1, vgl. „damals“, V. 3, und „einst“, V. 4), in denen er Schönes erlebte (V. 4, V. 7 ff.); sie waren dadurch gekennzeichnet, dass „die Anmut“ sich mit dem „Ungeheuren“ verband „[i]n reine Harmonie“ (V. 13).

Das adversative „Doch“ (V. 13) markiert den Umschwung von der Kindheit zum Mannesalter (das ehrne = eherne, eiserne Alter des Mannes, V. 14 f.), wo der Sprecher aus der reinen Harmonie der Kindheit in „das Chaos“ des Lebens (V. 17) geriet, wo verwirrte Zweifel ihn befielen und Dämonen ihn bedrängten (V. 17 ff.) – dies ist seine gegenwärtige Situation, die er im Präsens beschreibt (ab V. 16). Er beschreibt sie aber nicht in der Ich-Form (Ich erlebe dies…; Ausnahme V. 19), sondern so, als ob Gestalten ihn verließen oder bedrängten („Mich kennt kein zartes, kindliches Gefühl“, V. 16) und ein Reigen von Dämonen ihn umgäbe (V. 19 ff.). Mit Fragen wendet er sich an die trüben Gestalten, wer sie seien (V. 26 ff.); es sind der Tod und die Toten, die an seinem Lebensweg zurückgeblieben sind (bis V. 32). Der Gedankenstrich hinter V. 32 signalisiert, dass er nachdenkt, dass er den Anblick der Gestalten auf sich wirken lässt.

Auf diese Schreckgestalten reagiert er dann zwiefach: Zunächst will er sie abwehren („Hinweg!“, V. 33); doch ihr Lärmen bedroht ihn weiter (V. 34 f.). Der Gedankenstrich hinter V. 36 markiert einen neuen Einschnitt: Er stellt sich mit drei Fragen (V. 37 f.) gegen die bedrängenden Gestalten, er wehrt sich gegen den Ansturm der Gespenster. Dabei ist die dritte Frage die entscheidende: „Du selbst bist gegen dich?“ (V. 38) Diese Frage weist die bedrohlichen Gestalten als einen Teil seines Inneren (statt Waldung, Meer, Wogen, V. 34 f.) aus; indem er die Gespenster heimholt, kann er ihrer Herr werden – was er nach einer erneuten Besinnung (Gedankenstrich, V. 38) erkennt: „O Tor“. Mit vierfachem „Laß“ ermannt er sich, diesen Schreckgestalten Raum zu lassen, da er sie nicht vertreiben kann: den Dämon, das Schicksal, die Untreue – er degradiert sie zu bloßen „Luftgestalten“ (V. 43), von denen er sich abwendet, die er von sich abfallen oder abprallen lässt (V. 42), und ermannt sich: „ – sei dir selbst genug!“ (V. 43)

Der Sprecher trägt seine Gedanken und Gefühle in reimlosen Jamben vor (5 Hebungen pro Vers, manchmal mit einer weiblichen Kadenz ausklingend; nur in V. 12 stehen 6 Takte). Solches Sprechen ist geeignet, der gehetzten Seele Ausdruck zu geben und sich Luft zu verschaffen. Dass Gedichte in Romane integriert sind, ist typisch für die Romantik; bekannt dafür ist Eichendorffs „Taugenichts“. – Wenn William älter geworden ist, müsste er erkennen, dass auch die Luftgestalten zu ihm selbst gehören und dass er sich mit ihnen versöhnen muss, um Ruhe zu finden. In einem anderen Gedicht Tiecks („So wandelt sie, im ewig gleichen Kreise“, in: Phantasien über die Kunst, für Freunde der Kunst, 1799) wird zunächst der Gleichklang der fortschreitenden Zeit beschrieben. Zum Schluss heißt es:

„Von außen nichts sich je erneut,

In Dir trägst du die wechselnde Zeit,

In Dir nur Glück und Begebenheit.“ (V. 12-14)

Mit dem anschließenden Kommentar („Tirade“, s.o.) distanziert er sich halb ironisch von seinem eigenen Gedicht, aber das braucht uns jetzt nicht mehr zu interessieren: Wir lesen das Gedicht als Äußerung eines jungen Mannes, der von Zweifeln befallen ist, aber sich ermannt, den eigenen Weg zu gehen. In diesem Rückgang auf sich selbst steht er in einer großen Tradition, die letztlich von der Stoa bestimmt ist. Ich nenne einige weitere Beispiele deutscher Dichtung für diese Rückbesinnung auf sich selbst, wenn auch in jeweils verschiedenen Situationen:

Paul Fleming: An sich

Lessing: Ich

Storm: Für meine Söhne

Wie gesagt, die Toten bleiben am Rand des eigenen Weges liegen – andernfalls betrügt man sich selbst und konstruiert sich einen idealen Weg, den es in Wahrheit nie gegeben hat. Das scheint auch William am Ende seines Lebens gesehen zu haben, wie ich dem in der Wikipedia beschriebenen Inhalt entnehme: „William verspielt in Paris sein neues Vermögen, geht nach Italien zurück und sinkt zum Räuber und sodann zum Bettler herab. Er sehnt den Tod herbei. Zufällig kommt er wieder zu Geld. Karl Wilmont stellt William Lovell in Neapel und fordert ihn zum Duell. William lässt sich erschießen, nachdem er die eigene Brust mit einer Malve aus Rosalines Garten markiert hat.“

https://de.wikipedia.org/wiki/William_Lovell (der Roman)

http://www.zeno.org/Literatur/M/Tieck,+Ludwig/Romane/Geschichte+des+Herrn+William+Lovell/Neuntes+Buch/27.+William+Lovell+an+Rosa (Text des Romans)

https://www.deutsche-biographie.de/sfz6847.html (Ludwig Tieck)

https://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_Tieck (dito)

https://www.lernhelfer.de/schuelerlexikon/deutsch-abitur/artikel/lebensgeschichte-und-literarisches-schaffen-3 (dito)

https://abi.unicum.de/abitur/abitur-lernen/romantik-epoche (Romantik)

https://www.schreiben.net/artikel/romantik-epoche-3771/ (Romantik)

Deutsche Märchen

Märchensammler

Johann Karl August Musäus: Volksmährchen der Deutschen, 1782/86

http://www.zeno.org/Literatur/M/Mus%C3%A4us,+Johann+Karl+August/M%C3%A4rchen/Volksm%C3%A4rchen+der+Deutschen

http://de.wikisource.org/wiki/Johann_Karl_August_Mus%C3%A4us (dort verlinkt)

Benedikte Naubert: Neue Volksmärchen der Deutschen, 1789

http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/9/9c/Naubert_Neue_Volksmaehrchen_der_Deutschen_1.pdf

Ludwig Tieck: Volksmärchen, hrsg. von Peter Lebrecht, 1797

http://books.google.de/books?id=3ss6AAAAcAAJ&redir_esc=y

http://books.google.de/books?id=8ss6AAAAcAAJ&redir_esc=y

Die Märchen aus dem „Phantasus“ (1812/15):

http://www.zeno.org/Literatur/M/Tieck,+Ludwig/Erz%C3%A4hlungen+und+M%C3%A4rchen/Die+M%C3%A4rchen+aus+dem+Phantasus

Albert Ludewig Grimm: Kindermährchen (1809)

http://www.zeno.org/Literatur/M/Grimm,+Albert+Ludewig/M%C3%A4rchen/Kinderm%C3%A4rchen

Lina’s Mährchenbuch (1816) http://www.zeno.org/Literatur/M/Grimm,+Albert+Ludewig/M%C3%A4rchen/Lina%27s+M%C3%A4hrchenbuch

Johann Gustav Büsching: Volks-Sagen, Märchen und Legenden (1812)

http://www.zeno.org/Literatur/M/B%C3%BCsching,+Johann+Gustav/M%C3%A4rchen+und+Sagen/Volkssagen,+M%C3%A4rchen+und+Legenden

Brüder Grimm: Kinder- und Hausmärchen (ab 1812)

http://www.zeno.org/Literatur/M/Grimm,+Jacob+und+Wilhelm/M%C3%A4rchen/Kinder-+und+Hausm%C3%A4rchen+%281812-15%29 (1. Fassung, 1812/15); vgl. Jacob Grimm, Friedrich Panzer: Die Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm, 1913

http://de.wikisource.org/wiki/Kategorie:M%C3%A4rchen_Grimm_%281812%E2%80%931815%29 (1. Fassung)

http://www.zeno.org/Literatur/M/Grimm,+Jacob+und+Wilhelm/M%C3%A4rchen/Kinder-+und+Hausm%C3%A4rchen (späte Fassung)

http://khm.li/ (in der Ordnung der KHM, per Link aufrufbar)

http://www.sagen.at/texte/maerchen/maerchen_deutschland/brueder_grimm/maerchen_brueder_grimm.htm

http://www.grimmstories.com/de/grimm_maerchen/index

http://de.wikisource.org/w/index.php?title=Kategorie:M%C3%A4rchen_Grimm_%281857%29&pageuntil=Simeliberg+%281857%29#mw-pages (1857)

http://de.wikisource.org/wiki/Kinder-_und_Hausm%C3%A4rchen (Übersicht_ alle Auflagen) mit http://de.wikisource.org/wiki/Kategorie:Kinder-_und_Hausm%C3%A4rchen

http://www.maerchenlexikon.de/Grimm/konkordanzkhmat.htm (mit Typ)

http://de.wikisource.org/wiki/Kinder-_und_Haus-M%C3%A4rchen_Band_3_%281856%29/Anmerkungen (Anmerkungen der Brüder Grimm zu den KHM)

https://archive.org/stream/dieliterarischen00hamauoft#page/n5/mode/2up (Hermann Hamann: Die literarischen Vorlagen der Kinder- und Hausmärchen und ihre Bearbeitung durch die Brüder Grimm, 1906)

Bolte – Polívka: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm (3 Bände, 1913 ff. – es gibt neuere Auflagen in 5 Bd.):

https://archive.org/stream/anmerkungenzuden01grim#page/n5/mode/2up (Nr. 1 – 60)

https://archive.org/stream/anmerkungenzuden02grim#page/n5/mode/2up (Nr. 61 – 120)

https://archive.org/stream/anmerkungenzuden03grim#page/n5/mode/2up (Nr. 121 ff.)

Ernst Moritz Arndt: Mährchen und Jugenderinnerungen / 1. Teil (1813)

http://de.wikisource.org/wiki/M%C3%A4hrchen_und_Jugenderinnerungen/Erster_Theil

http://books.google.de/books?id=_XoHAAAAQAAJ&printsec=frontcover&hl=de&source=gbs_ge_summary_r&cad=0#v=onepage&q&f=false

2. Teil (1843) http://de.wikisource.org/wiki/Kategorie:M%C3%A4rchen_und_Jugenderinnerungen_%28Arndt%29_2

http://books.google.de/books?id=lGg6AAAAcAAJ&printsec=frontcover&hl=de&source=gbs_ge_summary_r&cad=0#v=onepage&q&f=false

Friedrich Gottschalck: Die Sagen und Volksmährchen der Deutschen (1814)

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Karoline Stahl: Fabeln, Mährchen und Erzählungen für Kinder (1818)

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Johann Andreas Christian Löhr: Das Buch der Maehrchen für Kindheit und Jugend, nebst etzlichen Schnaken und Schnurren, anmuthig und lehrhaftig [1–]2 (ca. 1819/20)

http://www.zeno.org/Literatur/M/L%C3%B6hr,+Johann+Andreas+Christian/M%C3%A4rchen/Das+Buch+der+M%C3%A4hrchen

Johann Heinrich Lehnert: Mährchenkranz für Kinder, der erheiternden Unterhaltung besonders im Familienkreise geweiht (1829)

http://www.zeno.org/Literatur/M/Lehnert,+Johann+Heinrich/M%C3%A4rchen/M%C3%A4hrchenkranz+f%C3%BCr+Kinder

Heinrich Kletke: Almanach deutscher Volksmärchen (1839) – im Internet nicht greifbar

Johann Jakob Nathanael Mussäus: Meklenburgische Volksmährchen (1840)

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(Georg Hippolyt) Hermann Harrys: Volkssagen, Märchen und Legenden Niedersachsens (1840, 2 Teile)

https://archive.org/stream/volkssagenmrche00harrgoog#page/n5/mode/2up

http://books.google.de/books?id=0GoAAAAAcAAJ&pg=PP5&lpg=PP5&dq=harrys:+Sagen,+M%C3%A4rchen+und+Legenden+niedersachsens&source=bl&ots=GFQnQH-23f&sig=047qccRSWg7MpFFgcB8lGsfrTtE&hl=de&sa=X&ei=a1oxVNKoOsuwPLiKgbgI&ved=0CDYQ6AEwBQ#v=onepage&q=harrys%3A%20Sagen%2C%20M%C3%A4rchen%20und%20Legenden%20niedersachsens&f=false

Sagen und Märchen aus der Oberlausitz. Nacherzählt von Ernst Willkomm (1843)

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Adalbert Kuhn: Märkische Sagen und Märchen nebst einem Anhange von Gebräuchen und Aberglauben (1843)

http://www.zeno.org/Literatur/M/Kuhn,+Adalbert/Märchen+und+Sagen/Märkische+Sagen+und+Märchen = https://archive.org/stream/mrkischesagenun02kuhngoog#page/n6/mode/2up

Norddeutsche Sachen, Märchen und Gebräuche… (1848, mit Wilhelm Schwartz) http://www.zeno.org/Literatur/M/Kuhn,+Adalbert/Märchen+und+Sagen/Norddeutsche+Sagen,+Märchen+und+Gebräuche

Sagen, Gebräuche und Märchen aus Westfalen… (1859) http://www.zeno.org/Literatur/M/Kuhn,+Adalbert/Märchen+und+Sagen/Sagen,+Gebräuche+und+Märchen+aus+Westfalen

Karl Müllenhoff: Sagen, Märchen und Lieder der Herzogthümer Schleswig-Holstein und Lauenburg (1845)

http://www.zeno.org/Literatur/M/Müllenhoff,+Karl/Märchen+und+Sagen/Sagen,+Märchen+und+Lieder

Karl Simrock: Die deutschen Volksbücher (1845)

http://de.wikipedia.org/wiki/Die_deutschen_Volksb%C3%BCcher (dort verlinkt)

Germaniens Völkerstimmen. Sammlung der deutschen Mundarten in Dichtungen, Sagen, Märchen, Volksliedern. Hrsg. von Joh. Matthias Firmenich. 1. Band (1845)

https://archive.org/stream/germaniensvlke01firmuoft#page/n3/mode/2up

2. Band (1846) https://archive.org/stream/germaniensvlke02firmuoft#page/n3/mode/2up

Johann Wilhelm Wolf: Deutsche Märchen und Sagen, 1845:

http://books.google.de/books?id=pSYPAAAAQAAJ&printsec=frontcover#v=onepage&q&f=false

https://archive.org/details/deutschemrchenu00wolfgoog ->

https://archive.org/stream/deutschemrchenu00wolfgoog#page/n16/mode/2up

http://www.zeno.org/M%C3%A4rchen/M/Flandern/Johann+Wilhelm+Wolf%3A+Deutsche+M%C3%A4rchen+und+Sagen

Deutsche Hausmärchen 1851 (zusammen mit Wilhelm von Ploennies)

http://www.zeno.org/Literatur/M/Wolf,+Johann+Wilhelm/M%C3%A4rchen/Deutsche+Hausm%C3%A4rchen

http://de.wikisource.org/wiki/Deutsche_Hausm%C3%A4rchen

http://books.google.de/books?id=i2A7AAAAcAAJ&printsec=frontcove

http://literaturnetz.org/3107

Ludwig Bechstein: Deutsches Märchenbuch 1845

http://www.zeno.org/Literatur/M/Bechstein,+Ludwig/M%C3%A4rchen/Deutsches+M%C3%A4rchenbuch

http://literaturnetz.org/2524 (Märchen)

http://www.maerchen.com/ludwig-bechstein.htm (dito)

http://www.1000-maerchen.de/cAContent,3,1,2,0-ludwig-bechstein.htm (dito)

Neues deutsches Märchenbuch, 1856

http://www.zeno.org/Literatur/M/Bechstein,+Ludwig/M%C3%A4rchen/Neues+deutsches+M%C3%A4rchenbuch

Emil Sommer: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Sachsen und Thüringen 1 (1846)

http://www.zeno.org/Literatur/M/Sommer,+Emil/M%C3%A4rchen+und+Sagen/Sagen,+M%C3%A4rchen+und+Gebr%C3%A4uche+aus+Sachsen+und+Th%C3%BCringen

Kuhn, Adalbert: Norddeutsche Sagen, Märchen und Gebräuche aus Mecklenburg, Pommern, der Mark, Sachsen, Thüringen, Braunschweig, Hannover, Oldenburg und Westfalen (1848)

http://www.zeno.org/Literatur/M/Kuhn,+Adalbert/M%C3%A4rchen+und+Sagen/Norddeutsche+Sagen,+M%C3%A4rchen+und+Gebr%C3%A4uche/B.+M%C3%A4rchen

Friedrich Heinrich von der Hagen: Gesammtabenteuer. Hundert altdeutsche Erählungen: Ritter- und Pfaffen-Mären usw., drei Bände, Tübingen 1850,

Band 1: Stadt- und Dorfgeschichten. Schwänke, Wundersagen und Legenden Google, Google, Google;

Band 2: Ritter- und Pfaffen-Mären Google, Google, Google, Google;

Band 3: Ritter- und Pfaffen-Mären Google, Google, Google, Google

Ernst Heinrich Meier: Deutsche Volksmärchen aus Schwaben (1852)

http://www.zeno.org/Literatur/M/Meier,+Ernst/M%C3%A4rchen/Deutsche+Volksm%C3%A4rchen+aus+Schwaben

Kinder- und Hausmärchen, gesammelt durch die Brüder Zingerle (1852)

http://babel.hathitrust.org/cgi/pt?id=hvd.32044089079958;view=1up;seq=21 bzw.

http://babel.hathitrust.org/cgi/pt?id=hvd.32044089079958;view=2up;seq=20

http://books.google.de/books/about/Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen.html?id=SHcAAAAAMAAJ&redir_esc=y

Ignaz und Joseph Zingerle: Kinder- und Hausmärchen aus Süddeutschland (1854)

http://www.zeno.org/M%C3%A4rchen/M/%C3%96sterreich/Ignaz+und+Joseph+Zingerle%3A+Kinder+und+Hausm%C3%A4rchen+aus+S%C3%BCddeutschland

https://archive.org/stream/kinderundhausmr00zinggoog#page/n8/mode/2up

Heinrich Pröhle: Kinder- und Volksmärchen (1853)

http://www.zeno.org/Literatur/M/Pr%C3%B6hle,+Heinrich/M%C3%A4rchen/Kinder-+und+Volksm%C3%A4rchen

Märchen für die Jugend (1854) http://www.zeno.org/Literatur/M/Pr%C3%B6hle,+Heinrich/M%C3%A4rchen/M%C3%A4rchen+f%C3%BCr+die+Jugend

Carl Colshorn, Theodor Colshorn: Märchen und Sagen aus Hannover (1854)

http://www.zeno.org/Literatur/M/Colshorn,+Carl+und+Theodor/Märchen+und+Sagen/Märchen+und+Sagen+aus+Hannover

Karl Seifart: Sagen, Märchen, Schwänke und Gebräuche aus Sachsen und Thüringen (1854)

(im Internet nicht greifbar)

Sagen, Märchen, Schwänke und Gebräuche aus Stadt und Stift Hildesheim (1854)

https://archive.org/stream/bub_gb_ATA7AAAAcAAJ#page/n3/mode/2up (enthält nur zwei Märchen)

Georg Schambach und Wilhelm Müller: Niedersächsische Sagen und Märchen (1855)

http://www.zeno.org/Literatur/M/Schambach,+Georg/M%C3%A4rchen+und+Sagen

Josef Haltrich: Deutsche Volksmärchen aus dem Sachsenlande in Siebenbürgen (1856)

http://www.digibib.tu-bs.de/start.php?suffix=jpg&maxpage=176&derivate_id=351

Anton Birlinger, M. R. Buck: Sagen, Märchen, Volksberglauben. Volksthümliches aus Schwaben 1 (1861)

http://www.zeno.org/Literatur/M/Birlinger,+Anton/M%C3%A4rchen+und+Sagen/Sagen,+M%C3%A4rchen,+Volksaberglauben

Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1 (1879)

http://www.zeno.org/Literatur/M/Bartsch,+Karl/M%C3%A4rchen+und+Sagen/Sagen,+M%C3%A4rchen+und+Gebr%C3%A4uche+aus+Meklenburg/Erster+Band%3A+Sagen+und+M%C3%A4rchen

Alfred Haas: Rügensche Sagen und Märchen (3. Aufl., 1903; 2. Aufl. 1896)

https://archive.org/stream/rgenschesagenu00haas#page/n5/mode/2up

Ulrich Jahn: Volksmärchen aus Pommern und Rügen l (1891)

http://www.zeno.org/Literatur/M/Jahn,+Ulrich/M%C3%A4rchen+und+Sagen/Volksm%C3%A4rchen+aus+Pommern+und+R%C3%BCgen

Kinder- und Hausmärchen, dem Volke treu nacherzählt von Theodor Vernaleken (4. Auflage 1900)

https://archive.org/stream/bub_gb_SHsWAAAAYAAJ#page/n3/mode/2up

http://www.zeno.org/M%C3%A4rchen/M/Allgemein/Theodor+Vernaleken%3A+Kinder-+und+Hausm%C3%A4rchen+dem+Volke+treu+nacherz%C3%A4hlt (3. Aufl. 1896)

Oskar Dähnhardt: Deutsches Märchenbuch, Bd. 1 (1903)

Deutsches Märchenbuch, Bd. 2 (1912) – beide im Internet nicht greifbar

Karl Spiegel: Märchen aus Bayern (1914)

http://www.zeno.org/Literatur/M/Spiegel,+Karl/M%C3%A4rchen/M%C3%A4rchen+aus+Bayern

Deutsche Märchen seit Grimm. Hrsg. von Paul Zaunert (1917)

https://archive.org/stream/deutschemrchen00zaun#page/n9/mode/2up (Inhaltsverzeichnis: S. 413 ff.)

Deutsche Volksmärchen (es gibt vermutlich noch mehr Sammlungen)

http://www.hexenhort.de/buecher/maerchen/maerchen.htm

http://de.wikisource.org/wiki/M%C3%A4rchen_aus_Bayern (Bayern)

http://www.sagen.at/texte/sagen/deutschland/niedersachsen/hannover/sagen_hannover.htm (Hannover)

http://www.sachsen-lese.de/index.php?article_id=91 (Sachsen)

http://literaturnetz.org/2992 (Märchen und Sagen aus Vorpommern)

http://www.zeno.org/Literatur/M/B%C3%BCsching,+Johann+Gustav/M%C3%A4rchen+und+Sagen/Volkssagen,+M%C3%A4rchen+und+Legenden/1.+Schlesische+Sagen+und+M%C3%A4hrchen (Schlesien)

http://www.zeno.org/Literatur/M/B%C3%BCsching,+Johann+Gustav/M%C3%A4rchen+und+Sagen/Volkssagen,+M%C3%A4rchen+und+Legenden (verschiedene Gegenden)

http://literaturnetz.org/2525 (Sächsische Volksmärchen aus Siebenbürgen)

Als Märchendichter sind zu nennen:

Wilhelm Hauff: Märchen-Almanache (1825/27)

http://www.zeno.org/Literatur/M/Hauff,+Wilhelm

http://www.1000-maerchen.de/cAContent,5,1,2,0-Wilhelm-Hauff.htm

ETA Hoffmann, ca.1820

http://www.zeno.org/Literatur/M/Hoffmann,+E.+T.+A./Erz%C3%A4hlungen,+M%C3%A4rchen+und+Schriften

Theodor Storm: Märchen und Spukgeschichten (1850/65)

http://www.zeno.org/Literatur/M/Storm,+Theodor/M%C3%A4rchen+und+Spukgeschichten

Richard von Volkmann-Leander (Leander): Träumereien an französischen Kaminen (nach 1870)

http://www.1000-maerchen.de/cAContent,4,1,2,0-Richard-von-Volkmann-Leander.htm

http://www.sagen.at/texte/maerchen/maerchen_deutschland/volkmann/maerchen_deutschland_volkmann.htm

http://www.hekaya.de/maerchen/autoren–volkmann_leander.html

https://archive.org/stream/trumereienanfra04volkgoog#page/n9/mode/2up

Heinrich Seidel: Dreißig Märchen (1905)

http://gutenberg.spiegel.de/buch/dreissig-marchen-5946/1

Friedrich Panzer, zur Theorie des Märchens (1926): http://www.maerchenlexikon.de/texte/archiv/panzer01.htm

Neben den deutschen Sammlern von Märchen sind zu nennen:

Afanasjew (russ.)

Asbjörnsen (norw.)

Caballero (span.)

Croker (ir.)

Grundtvig (dän.)

Ispirescu (rumän.)

Jacobs (div.)

Kretschmer (griech.)

Nemcová (tschech.)

Moe (norweg.)

Puschkin (russ.)

Sutermeister (schweiz.)

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Vor den deutschen Märchensammlungen sind bereits anderswo Märchen gesammelt worden. Die bedeutendsten Sammlungen sind:

Straparola (italien.): Die ergötzlichen Nächte (1550/53)

http://gutenberg.spiegel.de/buch/ergotzliche-nachte-3762/1

Basile (italien.): Das Pentameron (1634/36 unter einem Pseodonym, heutiger Titel ab 1674)

http://www.maerchenatlas.de/aus-aller-welt/marchensammler/giambattista-basile/das-pentameron/ (Übersicht)

http://babel.hathitrust.org/cgi/pt?id=uc1.$b291912;view=1up;seq=5 1. Band

http://babel.hathitrust.org/cgi/pt?id=uc1.$b291913;view=1up;seq=5 2. Band

http://gutenberg.spiegel.de/buch/das-pentameron-4884/1 (Text)

Perrault (franz.): Histoires ou contes du temps passé… (1697)

http://de.wikipedia.org/wiki/Charles_Perrault (Übersicht)

http://gutenberg.spiegel.de/buch/charles-perrault-m-5446/1

urn:nbn:de:bvb:355-ubr07455-2

(Manche dieser Stoffe finden sich auch bei den Brüdern Grimm!)

Galland (franz.): Märchen aus 1001 Nacht, ab 1704

http://gutenberg.spiegel.de/buch/tausend-und-eine-nacht-erster-band-3445/1

http://www.maerchen.org/tausendundeine-nacht.htm

http://literaturnetz.org/tausendundeinenacht

http://www.kuehnle-online.de/literatur/habicht/1001/index.htm

http://forum.tunesien.org/ubbthreads.php?ubb=showflat&Number=96414 (Liste der Märchen)

Eichendorff: In der Fremde – Analyse

Aus der Heimat hinter den Blitzen rot …

Text

https://www.deutschelyrik.de/in-der-fremde-1833.html

http://www.textlog.de/22709.html

(Eichendorffs Gedicht „Ich hör die Bächlein rauschen …“ steht ebenfalls unter der Überschrift „In der Fremde“.)

Das Gedicht ist vor 1823 entstanden; gedruckt wurde es ohne Titel 1832 in der Novelle „Viel Lärmen um Nichts“; da wird es von Julie, einer jungen Frau, schwermütig gesungen.

Wenn man das Gedicht biografisch lesen will, wird man Folgendes erwähnen: 1818 verstarb der Vater des Dichters; das überschuldete Schloss Lubowitz musste verkauft werden. 1822 starb Eichendorffs Mutter; danach gingen alle Güter der Familie in Schlesien verloren. Das wäre der biografische Hintergrund des 1823 entstandenen Gedichts – dazu passt aber nicht recht die Aussage des lyrischen Ich, dass Vater und Mutter schon „lange tot“ (V. 4) sind; auch war Eichendorff 1823 erst 35 Jahre alt, also zu jung, um auf seinen baldigen Tod (V. 5) vorauszublicken. Wir sollten es also auch in diesem Fall so halten, dass wir klar zwischen dem lyrischen Ich des Sprechers und der Biografie des Autors unterscheiden.

Wiewohl das Gedicht nur aus acht Versen besteht, kann man eine erste Hälfte (V. 1-4) deutlich von der zweiten abgrenzen. Zuerst blickt das lyrische Ich aus räumlicher und zeitlicher Ferne auf die verlorene Heimat und klagt: „Es kennt mich dort keiner mehr.“ (V. 4) In der zweiten Hälfte blickt es auf seinen baldigen Tod voraus (V. 5-7; „wie bald“ wird wiederholt, V. 5) und bekennt: „Und keiner mehr kennt mich [bald] auch hier.“ (V. 8) Die Opposition ist „jetzt-dort“ vs. „bald-hier“. V. 8 klingt für m.E. weniger traurig als V. 4, weil das eigene Totsein friedvoll als „stille Zeit“ (V. 5), Ruhe (V. 6), „über mir (…) die schöne Waldeinsamkeit“ (V. 6 f. – ein Gedicht über die Waldeinsamkeit gibt es bereits in Tiecks Erzählung „Der blonde Eckbert“, 1797) gekennzeichnet wird, wogegen die Heimat als Ort „hinter den Blitzen“ und Ursprungsort der Wolken (V. 1) umschrieben wird. Dem Status „jetzt verwaist sein“ (V. 3) wird der Status „Stille, Ruhe genießen, im Wald sein“ (V. 5-7) gegenübergestellt. Das lyrische Ich ist also im doppelten Sinn „In der Fremde“ (Überschrift): Einmal hat es die Heimat samt Eltern verloren, was schlimm ist (V. 1-4); ferner ist es als sterblicher Mensch grundsätzlich „hier“ (religiös gesprochen: hier auf Erden) in der Fremde (V. 5-8), doch dieser zweite Zustand erscheint ihm als einer, der sehr bald aufgehoben wird in Ruhe („ewige Ruhe“, sagen die Gläubigen) und schöner Waldeinsamkeit: ein irdisches Bild des Himmels, von dem der Wald in seinem Rauschen spricht (vgl. „Der Abend“).

In diesem Gedicht ist die Fremde also der dauerhaft eingenommene Ort des lyrischen Ich; sonst (etwa im „Taugenichts“) ist es bei Eichendorff so, dass man zur „Frühlingsfahrt“ in die Ferne aufbrechen kann – wenn man kein Glück hat, landet man vorübergehend in der Fremde, aus der man jedoch wiederum in die Ferne aufbrechen kann, um so etwas wie „Heimat“ zu finden. Die Fremde ist also in diesem Gedicht Zeugnis einer pessimistischeren Sicht auf die Welt, wobei das lyrische Ich jedoch durchaus den Blick auf die baldige Ruhe in der schönen Waldeinsamkeit nicht verliert.

Der Rhythmus ist eigenwillig: Ich sehe in den acht Versen abwechselnd vier und drei Hebungen ohne festen Takt. Im Kreuzreim sind die Verse verbunden, ohne dass die reimenden Verse immer in einem semantischen Zusammenhang ständen (v.a. in der ersten Hälfte); in der zweiten Hälfte ist zudem der Einschnitt nicht hinter V. 6, sondern mitten in V. 6.

Es fällt auf, dass dieses Gedicht heute wenig rezipiert wird und im Schulunterricht anscheinend nicht vorkommt. Ich habe im Netz keinen Vortrag des Gedichts und keine Analyse dazu gefunden.

Sonstiges

http://www.recmusic.org/lieder/e/eichendorff/ (Liste: Eichendorffs Lieder, vertont)

Es gibt laut Liste Vertonungen des Gedichts von J. Brahms, R. Schumann, A. Mier und C. Lewy.

Tieck: Der blonde Eckbert – zur Interpretation

Die Erzählung vom blonden Eckbert weist verschiedene Aspekte auf; es ist eine Geschichte vom Schuldigwerden und vom Einbruch des Entsetzlichen in das Leben der Schuldigen, die trotz ihrer Einsicht in den Untergang getrieben werden. In diesem Geschehen wird also der Schein des Soliden, der sich zu Beginn über das Leben des Ehepaars breitet, zerstört; das Eigentümliche liegt darin, dass der Freund, dem man das eigene Vergehen bekennt, sich als der in allen Geschädigten identische (und bereits ermordete) Geschädigte erweist und in einem die Alte, die Retterin und Erzieherin Berthas, ist, was eben das Entsetzen hervorruft.
Formal ist die Erzählung so aufgebaut, dass in der „Gegenwart“ vom Leben und Untergang des Ehepaars Eckbert und Bertha erzählt wird; diese Erzählung umspannt als Rahmen die Geschichte Berthas (Binnenerzählung in Ich-Form) von ihrer unglückseligen Kindheit und ihrer Erziehung durch die Alte bis zur Heirat mit Eckbert und führt so an die Gegenwart des erzählten Geschehens („bis jetzt noch keinen Augenblick gereut“) heran.
Dass dieses Nichtgereuen nur ein Schein ist, wird in Eckberts letzter Äußerung deutlich, dass er „diesen schrecklichen Gedanken“, Berthas Halbbruder zu sein, schon „immer geahndet [geahnt]“ habe. Zu Beginn sagt der Erzähler auch deutlich, dass die beiden sich von Herzen zu lieben „schienen“; dass Eckbert in Wahrheit von zurückhaltender Melancholie erfüllt ist; dass bei den Beweisen offener Freundschaft zuweilen einer vor der Bekanntschaft des andern zurückschreckt – Philipp Walther wird dem Freund durch Berthas Offenheit tatsächlich fremd.
Von Bedeutung ist noch das variierte Lied des Vogels, das zuerst ungestörte Harmonie bezeugt („So morgen wie heut“), das nach Berthas Diebstahl deren Reue ankündigt und die Waldeinsamkeit als „einzge Freud“ preist; das zum Schluss, vor Eckberts unseligem Ende, von neuem die Waldeinsamkeit preist. Dieser Vogel bezeugt gegen die Menschenwelt mit ihren Verfehlungen, wo die reine Seele wohnt: in der Waldeinsamkeit
Berthas Kommentar ihrer Verfehlung, dass man als Mensch seinen Verstand nur bekommt, um die Unschuld der Seele zu verlieren, und die psycho-logische Begründung in den durch die Lektüre hervorgerufenen wunderlichen Vorstellungen von der Welt und von den Menschen erinnert mich ein bisschen an die Erzählung vom Sündenfall; die Gesamtkonstellation der Ehe verweist von ferne auf das Ödipus-Geschick.

http://bildungsserver.hamburg.de/ludwig-tieck/ (Tieck beim HBS)
http://de.wikipedia.org/wiki/Der_blonde_Eckbert (knapp, problematisch, einige Links)
http://www.textem.de/731.0.html (Inhalt, Deutung)
http://www.lesekost.de/HHL274.htm (Deutung als Märchen, Links zu Tieck)
http://courses.washington.edu/ger311/studyques/tieckstud.htm (Fragen zur genauen Lektüre und zum Verständnis )
http://www.ub.fu-berlin.de/service_neu/internetquellen/fachinformation/germanistik/autoren/autort/tieck.html (Links FU)

http://www.mythos-magazin.de/methodenforschung/mk_tieck.pdf (Schuld und Schicksal)

http://www.uni-due.de/imperia/md/content/germanistik/mauerschau/mauerschau5_neubner.pdf (Raum und Zeit des Geschehens)

http://homepage.bnv-bamberg.de/gk_deutsch/index.htm (dort Datei mit einem Tafelbild: Aufbau der Erzählung)

http://www.msu.edu/course/grm/341/Syllabus.htm (dt. Literatur und Kultur von der Romantik bis 1918)
http://odl.vwv.at/deutsch/Romantik/muster.cgi?p=ahs (Modul: Romantik)
http://www.lektueretipp.de/html/body_epochen_im_uberblick.html (Epochen im Überblick)

Im KLL bestimmt Paul Wührl die Märchennovelle als dem Typ des tragischen Märchens zugehörig, wo der Held seinen eigenen Dämonen verfällt. Thema sei „der Verfolgungswahn, der dem schlechten Gewissen entspringt“. Es gebe „keine zuverlässige, durch Erfahrung verfügbar gewordene Wirklichkeit mehr. Man erlebt sie lediglich in der Gestalt, in der sie jene Gequälten erleben, und nimmt Teil an ihrem Schauder und Schrecken.“

In seinem eindrucksvollen Kommentar (S. 342 ff.) in der Anthologie „Meistererzählungen der deutschen Romantik“ (dtv Nr. 2147, 1985) hebt Walter Schmitz „wunderbar, wunderlich, seltsam“ als die Leitworte der Erzählung hervor. Thema sei das Verhältnis von Märchen und vernünftiger Weltordnung (gesehen vor dem Hintergrund der Berliner Aufklärung Ende des 18. Jh.).
Berthas Weg führe vom Dorf in die idyllische Natur, das Land des Traums, wo es seltsam, abenteuerlich, außerordentlich zugeht, wo sie aber alles lernt und wie eine „Tochter“ der Alten lebt. Die zunächst unverstandene Moral zerstöre die Idylle, die Einheit der Seele zerbricht in die beiden Kräfte der Phantasie und der Vernunft. Das zweite Lied offenbare, dass nun an die Stelle der zeitlosen Wiederholung das Diktat der Zeit getreten ist; aus den Schätzen ist Geld geworden, statt des schönen Ritters bekommt Bertha ihren bloden (mittelmäßigen) Eckbert. Der habe von Anfang an nur in einer ambivalenten Freundschaft gelebt und trotz seiner Ahnungen nichts bereut.
„Begegnet der Leser in Bertha dem poetischen Menschen, der sich seinem wunderbaren Wesen entfremdet, so ist in ihrem Gemahl der Rezipient der Poesie verkörpert.“ An ihn ergehe (wie an den Leser) die Mahnung, das Wunderbare von Berthas Erzählung nicht für ein Märchen zu halten; doch das wunderbare Land gehört der Vergangenheit an, der Traum der Kindheit kann sich jetzt nicht mehr erfüllen.
In einem weiteren Kommentar beschreibt Schmitz „Tiecks Selbstrezeption“ der Märchennovelle (S. 346 ff.).

Bei der Auseinandersetzung mit Schmitz beziehe ich mich auf den Text in „Meistererzählungen der deutschen Romantik, 1985, S. 7-23.
Schmitz‘ Theorie des poetischen Menschen Bertha bedarf einer Überprüfung; Bertha ist nämlich durchaus auch Rezipientin der Poesie. Bertha ist als Kind von der Alten in die Idylle der Waldeinsamkeit hinein sozialisiert worden (S. 12 f.). In ihrer Lerngeschichte steht auch das Lesenlernen, was ihr „eine Quelle von unendlichem Vergnügen“ wird, weil die alten Bücher „wunderbare Geschichten“ enthalten (S. 13).
Als Bertha 12 Jahre alt ist, entdeckt die Alte ihr das Geheimnis der Vogeleier (S. 13); außerdem spielt Bertha in ihrer Phantasie in die gelesenen Geschichten sich hinein und empfindet Mitleid mit sich selbst, wenn der schönste Ritter sie nicht wieder liebt (S. 14). – Hier sind die Geschichten bereits nicht mehr nur wunderbar; es ist eine Vorstufe der folgenden dritten Lesephase erreicht, auch wenn sie jetzt noch keinen „Wunsch nach Veränderung“ verspürt (S. 14).
Durch die moralische Mahnung der Alten (parallel dem biblischen Verbot, vom Baum der Erkenntnis zu essen) beginnt Bertha nachzudenken: Sie versteht Perlen und Edelsteine erstmals als etwas Kostbares, weiß aber nicht, was die rechte Bahn ist, von der man abweichen kann (S. 15). Nach dem Kommentar zum Verlust der Unschuld (S. 15) erzählt sie: „Ich begriff nämlich wohl, dass es nur auf mich ankomme“, mit den Schätzen der Alten in die Welt zu gehen und „den überaus schönen Ritter anzutreffen, der mir immer noch im Gedächtnisse lag“ (S. 15). Jetzt ist also der Wunsch nach Veränderung eingetreten, jetzt hat sich die vom Lesen animierte Phantasie (vgl. S. 14) mit dem durch die Einweihung in das Geheimnis und die Strafandrohung geweckten Verstand verbunden. Bertha ist 14 Jahre alt, sie kann einfach nicht immer Kind bleiben: Sie leidet an der Differenz zwischen „der kleinen engen Wohnung“ und der vorgestellten Welt, wo sie als Dame von Rittern und Prinzen umgeben ist.
Des Erzählers Konzept (nach Schmitz) vom poetischen Menschen, der als Kind für die Waldeinsamkeit erzogen wird, aber lesen kann und gerade durch die alten Geschichten in der Phantasie berührt wird, muss scheitern: Das zur Frau erwachsende Mädchen muss zwangsläufig (der Gedanke kommt immer wider ihren Willen zurück, S. 15) für sich als wirklich wünschen, was in den Geschichten erzählt wird.
Auch sind die regressiven Phantasien der Kindheit (plötzlich reich werden, die Eltern mit Schätzen überschütten, S. 8) in der Waldeinsamkeit nicht untergegangen: Mit ihren gestohlenen Schätzen denkt Bertha, sich die Kindertäume zu erfüllen (S. 17); sie hat also ihre seelischen Kindheitstraumata nicht überwunden – die Waldeinsamkeit hat sie nicht heilen können. Doch die Welt ist nicht so wunderbar, wie Bertha aufgrund ihrer Geschichten vermutet hat (S. 17), und der Vogel bestätigt ihr nur, was sie ohnehin weiß: dass die Waldeinsamkeit und das Glück dahin sind (S. 17).
Statt darüber nun nachzudenken, dreht sie dem Vogel den Hals um und heiratet Eckbert (S. 18) – das ist zu wenig, wenn man schuldig geworden und zur Erkenntnis gekommen ist, dass es in der Welt keine Waldeinsamkeit mehr gibt. Deshalb stirbt sie auch an dem Mehrwissen Walthers: dass der Hund „Strohmi“ hieß (S. 18 f.). Sie hat nach meinem Verständnis zu wenig gedacht und in ihrer Angst vor Beraubung (S. 18) Schutz beim „jungen Ritter“ Eckbert gesucht; das aber genügt nicht, um in der Welt ohne Waldeinsamkeit überleben zu können.