Hans-Peter Kraus: Freund Hain – Besprechung

Freund Hain. Die einzig wahre Geschichte seiner Freundschaft mit dem Dichter Matthias Claudius. Erzählt von ihm selbst. Aufgeschrieben von Hans-Peter Kraus. 2014

Ein in mehrfacher Hinsicht ungewöhnliches Buch gilt es vorzustellen: Einmal erscheint es gleichzeitig als E-Book und gedruckt (on demand), zudem kann man es als E-Mail-Abo-Roman kostenlos lesen (http://www.lyrikmond.de/hain/); hier wird der Tod nicht nur als Erzähler, sondern auch als „Mensch“ eingeführt, als Person, die sich mit Matthias Claudius anfreundet. Damit sind eine Reihe erzählerischer Möglichkeiten und Probleme gegeben.

Die Geschichte dieser Freundschaft ist auch die Lebensgeschichte des Dichters Claudius (1740-1815). Was Freund Hain von dieser Lebensgeschichte erzählt, geht ein wenig über das hinaus, was man in der Wikipedia– oder der NDB-Biografie des Dichters lesen kann.

Was solchen Biografien fehlt, sind wirkliche Einblick in das literarische Schaffen. Die bietet Kraus’ Buch: Er hat 30 Texte, meist Gedichte, in der Schrifttype abgesetzt, in das Buch eingeflochten, davon einige nur Auszüge (z.B. über das Vaterunser). Bekannt davon sind etwa die Gedichte „Der Mensch“, „An – als ihm die – starb“ oder „Der Tod und das Mädchen“. Für mich waren das reizende Gedicht „Frau Rebekka“, aber auch „An Frau Rebekka“ und „Anselmuccio“ neu; ich habe regelmäßig nachgeschlagen, wann und wo die einzelnen Werke erschienen sind (http://gutenberg.spiegel.de/autor/matthias-claudius-103 oder http://www.zeno.org/Literatur/M/Claudius,+Matthias). So habe ich bei der Lektüre auch ein wenig im „Wandsbecker Bote[n]“ gelesen, den ich bisher nur dem Titel nach kannte. Solches Stöbern anzuregen ist nicht die geringste Leistung des Buches. Ein Text, der in einem Buch über die Freundschaft Freund Hains mit Claudius nicht fehlen darf, fehlt allerdings: „Von der Freundschaft“. Was Claudius selber von der Freundschaft sagt, müsste in einer Geschichte seiner Freundschaft reflektiert werden. Und wieso (nach Meinung der Protagonisten und vermutlich auch des Autors Kraus) die beiden Gedichte „Der Tod“ und „Die Liebe“ in Wahrheit ein einziges seien, verstehe ich nicht.

Damit kommen wir zum schwierigen Teil: Wie kann der Tod mit jemandem Freund sein, wie kann er davon erzählen? Die literarische Fiktion ist die, dass der Tod (hier Freund Hain, sonst oft Freund Hein) anscheinend dem Autor Kraus die Geschichte erzählt hat, womit auch ein nicht umschriebenes „Heute“ des Erzählens konstituiert ist. Wir kennen zwar seit langem den Tod als Gesprächspartner oder –gegner des Ackermanns aus Böhmen (http://gutenberg.spiegel.de/buch/der-ackermann-aus-b-4255/1; vgl. http://radiergummi.wordpress.com/2010/07/27/johannes-von-tepl-ackermann/ und http://www.writework.com/essay/anthropologische-konzepte-ackermann-aus-bohmen), aus Märchen auch als Taufpaten. Bei Kraus ist die Pointe jedoch eine andere: Der Tod entwickelt selber menschliche Gefühle.

Ehe wir diese Entwicklung verfolgen, möchte ich die Grundlage dieser Idee im Werk des Matthias Claudius skizzieren. Der Tod ist in vielen, auch bedeutenden seiner Gedichte präsent („Der Tod und das Mädchen“ u.a.). Vor allem ist jedoch bemerkenswert, dass der „Asmus“ (1775), Claudius’ Sammlung seiner Beiträge in der Zeitung, ihm gewidmet ist. Das muss man unbedingt lesen: http://gutenberg.spiegel.de/buch/der-wandsbecker-bote-5206/3 Da findet man zwar das Grauen vor dem Tod, aber auch eine Nähe zu ihm, der einmal kommen wird, „meinen Schmachtriemen aufzulösen, und mich auf bess’re Zeiten sicher an Ort und Stelle zur Ruhe hinzulegen“. Ihm ist das Buch gewidmet, „und Er soll als Schutzheiliger und Hausgott vorn an der Haustüre des Buchs stehen“. Das ist schon ungewöhnlich – belässt aber die Bezeichnung „Freund Hain“ doch im Bereich des Euphemismus, denke ich (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Freund_Hein). Es ist also ein gewagtes Unterfangen, daraus eine „reale“ Freundschaft herauszuspinnen.

Ich zähle kurz einige Aspekte der „Person“ Tod und seiner Freundschaft mit Claudius auf:

  • Er erscheint dem Sterbenden in beliebiger Gestalt.
  • Er geht da hin, „wohin die Kraft mich ruft“; in jedem Menschen ist nämlich eine Kraft, die den Tod leitet, und wenn sie ihren Höhepunkt erreicht, dann schneidet er (eine fragwürdige Konstruktion, die den Tod, aber auch die Leichtsinnigen und  die Mörder entlastet, allerdings an die Perspektive des Todes gebunden ist).
  • Er trifft Entscheidungen nach Gefühl (?).
  • Er weiß nichts vom Jenseits usw.
  • Gleich nach seiner Geburt lächelt Matthias ihn an.
  • Beim Tod des Bruders Josias stellt er sich Matthias vor („Freund Hain“); er darf wiederkommen – der Beginn der Freundschaft.
  • Er spielt mit Matthias eine Partie Schach auf Leben und Tod, als Matthias lebensmüde ist (die berühmte Partie Hamppe-Meitner, die remis endet; die normale Notation wäre mir lieber als eine verbale Umschreibung der Züge).
  • Er stiehlt Bücher Verstorbener für Matthias, später auch Lebensmittel und Geld.
  • Er fördert die Verbindung Rebekkas mit Matthias, nennt sich Hans Schneider.
  • Er fühlt sich einsam; hat Skrupel, als das erste Kind der Eheleute Claudius stirbt.
  • Er regt auch Gedichte an.
  • Es gibt einen Bruch in der Freundschaft (weil der Tod nicht an Gott glaubt); er bricht zusammen und weiß dann, wie es ist, einen Menschen zu verlieren.
  • Er liest die Bibel und kommentiert sie sehr kritisch.
  • Die Freundschaft wird erneuert; er weiß, wie sich Glück anfühlt.
  • Er hat Angst vor dem Schnitt bei Matthias.
  • In der letzten Begegnung mit Rebekka weiß er, dass sie ihn (wie er sie) liebt.

Es gibt im Buch eine Reihe Disputationen und Spekulationen über das Verhältnis von Gott und Tod; die zu verfolgen wäre hier zu kompliziert. Als Deutschlehrer habe ich auch ein paar sprachliche Schnitzer bemerkt; die lassen wir jetzt einmal beiseite. Fragen wir ganz einfach: Ist die Geschichte der Freundschaft erzählerisch gelungen?

In der Hinsicht ist sie gelungen, dass man sich eine menschliche Entwicklung des Todes vorstellen und seine Zuneigung zur Frau Rebekka nachvollziehen kann – sie muss eine ungewöhnliche Frau gewesen sein. Sie ist insofern nicht gelungen, als die Freundschaft trotz aller Anschaulichkeit für mich unglaubwürdig bleibt – und das bleibt sie, weil die sentimentale Bildung des Todes sich am Schluss in nichts auflöst, weil es keine Fortführung seiner Geschichte über Rebekkas Tod hinaus gibt: Das erzählerische „Heute“ ist mit dem Ende der Eheleute Claudius nicht vermittelt; „heute“ müsste sich zeigen, was durch diese Freundschaft aus dem Tod geworden ist – falls das nicht möglich ist, ist die Überdehnung des Euphemismus „Freund Hain“ in eine „reale“ Freundschaft keine erzählerisch überzeugende Idee.

Mit anderen Claudius-Biografien, die in diesem Jahr erschienen sind und vielleicht noch erscheinen werden, stimmt das Buch auf das Jahr 2015 ein, in dem sich der Todestag des Dichters zum 200. Mal jährt. Solche Biografien machen die trockenen Lexikonartikel lebendiger, anschaulicher. Ihre letzte Bestimmung sollte aber sein, uns zum Werk des Dichters zu führen – auch wenn da manches (wie das Gedicht „Ein Seliger an die Seinen in der Welt“) auf den Müllhaufen der Literaturgeschichte, das meiste vermutlich in die Tonne gehört, wo man Themen für germanistische Doktorarbeiten findet. Es gilt, in den acht Asmus-Bänden die auch heute noch glänzenden Perlen zu entdecken.

P.S. Hans-Peter Kraus hat zu meiner Besprechung u.a. Folgendes geschrieben:

„Freund Hain als Person: Die Widmung kann man noch als Euphemismus für den Tod verstehen, obwohl M.C. ihn direkt anspricht, aber in dem Gedicht ‚Nach der Krankheit 1777’ ist Freund Hain bereits eine Person, die selbst spricht.“

Dazu muss ich gestehen, dass „Euphemismus“ nicht der treffende Begriff ist. Richtig wäre vielleicht: „euphemistischer Anthropomorphismus“ (oder „e. Personifikation“), der als solcher bzw. als metaphorischer bewusst ist. Den sprechenden Tod gab es ja bereits beim Ackermann aus Böhmen; neu ist bei Kraus, dass der Tod sich im Lauf der Begegnung mit Claudius verändert. Das führt dann zu meiner Kritik, dass diese Veränderung nicht mit dem Heute vermittelt ist, also wieder hinfällig und damit nicht „real“ (bzw. als real Erzähltes „glaubwürdig“) ist. Ein bloß sprechender Tod bleibt ein unveränderter Tod, der im Sprechen nur bisher unbeachtete Aspekte des Todes offenbart. Genau genommen kann auch die Erzählung von einem sich ändernden Tod nur Aspekte des Todes aufzeigen, die bislang nicht beachtet wurden; aber die Veränderung muss bis in die Zeit des Erzählens erhalten bleiben, wenn es denn die neu gesehenen Seiten des Todes wirklich geben soll – andernfalls haben wir nur die Hirngespinste des Dichters Claudius oder einen Gag des Autors Kraus vor uns.

Wahrscheinlich liegt die Lösung der Frage, wieso Freund Hain ein „Freund“ des Matthias Claudius ist, jedoch an anderer Stelle: im christlichen Glauben, der aus der Dedikation spricht (s.o.), dass der Tod ihn nämlich auf bessere Zeiten sicher zur Ruhe legt – insofern ist der durchaus schmerzliche Tod sein Freund. Zur Verdeutlichung möchte ich auf eine Stelle aus dem 1. Kapitel des Philipperbriefs des Apostels Paulus zitieren: 20Darauf warte und hoffe ich, dass ich in keiner Hinsicht beschämt werde, dass vielmehr Christus in aller Öffentlichkeit – wie immer, so auch jetzt – durch meinen Leib verherrlicht wird, ob ich lebe oder sterbe. 21Denn für mich ist Christus das Leben und Sterben Gewinn. 22Wenn ich aber weiterleben soll, bedeutet das für mich fruchtbare Arbeit. Was soll ich wählen? Ich weiß es nicht. 23Es zieht mich nach beiden Seiten: Ich sehne mich danach, aufzubrechen und bei Christus zu sein – um wie viel besser wäre das! 24Aber euretwegen ist es notwendiger, dass ich am Leben bleibe. (Einheitsübersetzung) Für denjenigen, der sich nach ewigem Leben an einem himmlischen Ort sehnt, ist der eigene Tod schlimmstenfalls ein notwendiges Übel, bestenfalls der Freund, der den Durchlass zum ewigen Leben gewährt. Insofern ist dann eine Freundschaft zwischen Hain und Matthes, wie Kraus sie erzählt, „metaphysisch“ verfehlt; die christliche Perspektive des Paulus und des Matthias Claudius ist nämlich streng an ein „Jenseits“ gebunden, sie braucht für andere nicht nachvollziehbar zu sein und kann nicht als menschlich-freundschaftliche Verbundenheit mit Freund Hain begriffen werden (vgl. auch das Gedicht „Auf O – – o R – – s Grab“!). Freund Hain braucht vom Jenseits nichts zu wissen; aber ohne des Dichters Claudius Wissen (bzw. Glauben) könnte er für Claudius nicht Freund Hain sein.

[Außerhalb der Besprechung: Vgl. dazu die von mir analysierten Gedichte!]

Noch zwei alte Biografien:

Wilhelm Herbst: Matthias Claudius der Wandsbecker Bote, 2. Aufl. 1857 http://babel.hathitrust.org/cgi/pt?id=hvd.hnxvxw;view=2up;seq=6

Wolfgang Stammler: Matthias Claudius der Wandsbecker Bothe, 1915 https://archive.org/stream/matthiasclaudius00stamuoft#page/n3/mode/2up

 

ASMUS omnia sua SECUM portans,

oder

Sämmtliche Werke des Wandsbecker Bothen

https://archive.org/stream/asmusomniasuase02claugoog#page/n7/mode/2up I und II, 1775

https://archive.org/stream/asmusomniasuase06claugoog#page/n6/mode/2up III, 1777

https://archive.org/stream/asmusomniasuase04claugoog#page/n7/mode/2up IV, 1782

https://archive.org/stream/asmusomniasuase03claugoog#page/n7/mode/2up V, 1789

https://archive.org/stream/asmusomniasuase05claugoog#page/n7/mode/2up VI, 1797

https://archive.org/stream/asmusomniasuase01claugoog#page/n7/mode/2up VII, 1802

https://archive.org/stream/asmusomniasuase00claugoog#page/n8/mode/2up VIII, 1812

 

bzw. (sorgfältiger digitalisiert)

http://catalog.hathitrust.org/Record/008672016, nämlich:

http://babel.hathitrust.org/cgi/pt?id=nyp.33433074956388;view=2up;seq=6 (I und II)

http://babel.hathitrust.org/cgi/pt?id=nyp.33433074956396;view=2up;seq=6 (III)

http://babel.hathitrust.org/cgi/pt?id=nyp.33433074956404;view=2up;seq=6 (IV)

http://babel.hathitrust.org/cgi/pt?id=nyp.33433074956412;view=2up;seq=6 (V)

http://babel.hathitrust.org/cgi/pt?id=nyp.33433074956420;view=2up;seq=6 (VI)

http://babel.hathitrust.org/cgi/pt?id=nyp.33433074956438;view=2up;seq=6 (VII)

http://babel.hathitrust.org/cgi/pt?id=nyp.33433074956446;view=2up;seq=6 (VIII)

 

bzw. die 12. Auflage, 1882 besorgt von Dr. C. Redlich (mit Angabe, wann der betreffende Titel im „Wandsbecker Boten“ erschienen ist):

https://archive.org/stream/matthiasclaudius01clau#page/n7/mode/2up 1. Band (I-V)

https://archive.org/stream/matthiasclaudiu02clau#page/n7/mode/2up 2. Band (VI ff.)

Matthias Claudius: Der Tod und das Mädchen – Analyse

Vorüber! Ach, vorüber! …

Text

http://gutenberg.spiegel.de/buch/5209/23

Das Gedicht ist erstmals 1774 veröffentlicht worden. Das Gedicht ist in der Vertonung durch Franz Schubert eines der bekanntesten deutschen Kunstlieder.

Zur Interpretation ist das Wesentliche im Wikipedia-Artikel gesagt (s. ersten Link). Ich erwähne es hier nur, um noch einmal die rhetorischen Möglichkeiten der Personifikation bewusst zu machen (s. dazu meine Analyse von „Ein Lied hinterm Ofen zu singen“, vgl. auch das Gedicht „Der Tod“). Im Gedicht vom Tod und dem Mädchen sprechen die beiden miteinander: Das Mädchen kann seine Angst artikulieren; vor allem aber kann der Tod als Person das Mädchen vor seinem Tod beruhigen (und so Trauernde anschließend trösten). Er stellt nämlich verbreitete, Angst erzeugende „Irrtümer“ über den Tod richtig: Ich bin nicht …, du sollst im Tod ruhig schlafen. Mit der Metapher vom Tod als Schlaf (gebunden an den Kontrast: wild/sanft: Kontrastierung als rhetorisches Programm des Todes, vgl. vorüber gehen/die Hand geben; Knochenmann/Freund; [Angst haben]/guten Mutes sein; nicht anrühren/in den Armen schlafen) wird ein Übriges getan, um den Schmerz des endgültigen Verlustes zu mildern: Im Schlaf ist man ja selber noch da, wenn auch in einem anderen Zustand. So bereitet der Mensch, hier Matthias Claudius, sich in seinen Symbolen eine neue Bilderwelt, in der er die Schrecken der Welt leichter ertragen kann.

http://de.wikipedia.org/wiki/Der_Tod_und_das_M%C3%A4dchen_(Gedicht) (Interpretation, mit Text)

http://www.lyrik-und-lied.de/ll.pl?kat=typ.show.poem.histcomm&ds=2621&start=0

http://www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/5803/pdf/Claudius_Aufsatz_2002_2008.pdf (Bilder des Schlafes und des Todes bei Matthias Claudius und seinen Zeitgenossen)

http://www.wisskirchen-online.de/downloads/schubertdertodklausur1988.pdf (Klausur zu Gedicht und Lied)

Vortrag

http://media3.roadkast.com/sprechbude/tod_und_das_maedchen_claudius_grokow_maasch.mp3 (dramatisiert)

http://www.youtube.com/watch?v=XOrKRB_vczc (Schubert: W. Ruttkowski)

http://www.youtube.com/watch?v=5ioezoC8lEI (Schubert: Maria B.)

http://www.youtube.com/watch?v=vKh4JsWvsPw  (Schubert: Christa Ludwig)

http://www.youtube.com/watch?v=UjqkGZGLyCE (Schubert: Julia Berta Culp)

http://www.youtube.com/watch?v=N3HDjIUB9NI (Schubert: Jessye Norman)

http://www.youtube.com/watch?v=cSymzgqaA6s  (Schubert: Aafje Heynis)

http://www.youtube.com/watch?v=NJ1m72JxrQE (Schubert: Thomas Quasthoff) u. viele andere bei youtube!

Sonstiges

http://www.vorleser.net/hoerbuch.php?id=claudius_boysen (Claus Boysen liest M. Claudius)

http://de.wikipedia.org/wiki/Der_Tod_und_das_M%C3%A4dchen_(Lied) (das Lied: Schubert)

http://peedaschul.ohost.de/K12,1/Musik%20GK/Der%20Tod%20u%20das%20M%E4dchen%20(aufgaben).PDF (Aufgaben zum Lied)

http://de.wikipedia.org/wiki/Der_Tod_und_das_M%C3%A4dchen (bildende Kunst)

http://www.mutopiaproject.org/ftp/SchubertF/D531/SchubertF-D531_DerTodUndDasMaedchen/SchubertF-D531_DerTodUndDasMaedchen-a4.pdf (Noten: Schubert)

Burkhard Scherer: Tod, Schlafes Bruder. Intertextuelle Streifzüge und Fallstudien (Paragrana 17, 2008) https://www.academia.edu/475206/Tod_Schlafes_Bruder._Intertextuelle_Streifz%C3%BCge_und_Fallstudien?email_work_card=thumbnail-desktop

Matthias Claudius: Die Liebe – Analyse

Die Liebe hemmet nichts …

Text

http://www.zeno.org/Literatur/M/Claudius,+Matthias/Gedichte+und+Prosa/Asmus+omnia+sua+secum+portans/Sechster+Teil/Die+Liebe

Das Gedicht, in Asmus VI hinter „Der Tod“, ist 1798 erschienen. Heute wird es gern als Hochzeitsspruch gebraucht oder als das schönste Liebesgedicht des Nordens von NDR-Hörern gekürt.

Ein ungenannter Sprecher belehrt über die Liebe, indem er sie preist. Zwei Aussagen macht er in den vier Versen: Die Liebe hemmet nichts (V. 1); sie ist ewig (V. 3 f.). Das ist höchst allgemein, ist ohne Begründung vorgetragen, ist an das Bild der Figur (Person) Liebe gebunden – diese besitzt Flügel, schlägt ihre Flügel: ihre Haupttätigkeit. Damit haben wir die Stichworte, die man weiter verfolgen kann: Personifikation der Liebe, geflügelter Eros, Lobpreis der Liebe.

Zur Personifikation ist einiges beim Gedicht „Ein Lied hinterm Ofen zu singen“ gesagt (mit Links). Die wesentlichen Aussagen über den Eros finden Sie auf der Seite http://www.zeno.org/Meta/Eros+(Mythologie). Der Lobpreis der Liebe ist ein altes europäisches Thema, mit zwei Hauptdokumenten in Platons Symposion und im 1. Korintherbrief des Paulus (1 Kor 13), s.u.

Form: vier Verse im Jambus, abwechselnd sechs Takte mit weiblich nachklingender Silbe plus drei Takte, Kreuzreim. „dringt sich durch …“ ist eine ungewöhnliche Wendung; „dringt durch …“ entspräche eher dem Sinn, „drängt sich durch …“ wäre eine Möglichkeit – das „sich“ verdankt sich vermutlich dem Takt und dem Reim. „ewig“ wird in „ewiglich“ wiederholt (V. 3 f.). Durch die Voranstellung des Objekts „Die Liebe“ (V. 1, Inversion) wird das bereits in der Überschrift vorgestellte Thema hervorgehoben.

Der hohe Lobpreis, verbunden mit großer Unbestimmtheit und einfachster Gedankenführung, ist vermutlich eine Bedingung für den großen Erfolg des kleinen Gedichts.

http://www.ph-heidelberg.de/wp/haerle/download/Haerle_LiebLyr_310306.pdf (G. Härle: Lyrik – Liebe – Leidenschaft, S. 9) Lyrik – Liebe – Leidenschaft. Streifzug durch die Liebeslyrik von Sappho bis Sarah Kirsch. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2007, ISBN 978-3525208502.

Vortrag

http://www.youtube.com/watch?v=7bcT1B2jNxw (Musik von S. Zabransky, ohne Text)

Eros, geflügelt

http://www.zeno.org/Meta/Eros+(Mythologie) Eros (mehrere Lexika)

http://www.greek-gods.info/deutsch/griechische-goetter/eros/

http://universal_lexikon.deacademic.com/76939/Eros

http://www.canstockphoto.de/eros-piccadilly-zirkus-8042511.html (Bild vom Piccadilly)

http://www.canstockphoto.de/eros-piccadilly-zirkus-8042497.html (dito)

http://www.skulpturhalle.ch/uploads/pics/eros_mahdia.jpg (Eros von Mahdia)

http://www.cahn.ch/exhibitions/catalogues/12-12/images_web/11028-1.jpg (Mosaik mit segelndem Eros, römisch, um 200)

http://www.buergerzeitung-duisburg.de/2012haje%20bilder/eros1.jpg (Eros auf Delphin, Sammlung Köhler-Osbahr, Duisburg))

http://www.symbolonline.de/index.php?title=Fl%C3%BCgel (Symbol: Flügel)

http://daimon.myzel.net/Engel (Engel)

Sonstiges

http://www.deutsche-liebeslyrik.de/europaische_liebeslyrik/europaische_liebeslyrik.htm (Europäische Liebeslyrik)

http://www.gedichtepool.de/thema/liebe.htm (Liebesgedichte)

http://www.gedichte-fuer-alle-faelle.de/liebesgedichte/index.php?fnr=362 (dito)

http://www.gottwein.de/Grie/plat/sympos_komp01.php (Platon: Symposion, Aufbau)

http://www.zeno.org/Philosophie/M/Platon/Das+Gastmahl (Platon: Symposion, Text)

http://de.wikipedia.org/wiki/Hohelied_der_Liebe_(1._Korinther_13) (1 Kor 13)

http://www.die-bibel.de/online-bibeln/einheitsuebersetzung/bibeltext/bibel/text/lesen/stelle/56/130001/139999/ch/eccf82e8c3f95a185799c478af64f320/ (1 Kor 13)

http://gedichte.xbib.de/Claudius_gedicht_An+Frau+Rebekka,+bei+der+silbernen+Hochzeit,+den+15.+M%E4rz+1797.htm (Claudius: An Frau Rebekka)

http://www.scm-shop.de/fileadmin/mediafiles/scm_shopproduct/PDF/331107000_Leseprobe.pdf (Familiengeschichte der Claudius, garniert mit Gedichten)

Matthias Claudius: Der Tod – Analyse

Ach, es ist so dunkel in des Todes Kammer …

Text

http://www.zeno.org/Literatur/M/Claudius,+Matthias/Gedichte+und+Prosa/Asmus+omnia+sua+secum+portans/Sechster+Teil/Der+Tod

Das Gedicht ist 1798 erschienen.

Ein erlebendes Ich, das sich in seinen Wahrnehmungen und Wertungen bemerkbar macht, beschreibt, was es „in des Todes Kammer“ (V. 1) erlebt; der Tod wird personifiziert, das macht ihn als handelnde Figur wahrnehmbar. Das Sprecher-Ich beschreibt, was gerade („nun“, V. 3) geschieht: Der Tod schlägt mit seinem schweren Hammer die Stunde – die letzte Stunde, muss man angesichts des Todes sagen. Das Bild vom „Stunde Schlagen“ stammt aus der Zeit, wo die Zeit alle volle Stunde durch einen Glockenschlag im Kirchturm angezeigt wurde. Wenn die Stunde für etwas geschlagen wird, dann ist dessen Zeit um; als Kinder mussten wir beim Abendläuten um 19.00 Uhr („die Abendglocke“) zu Hause sein oder nach Hause kommen. Wenn jemandem die letzte Stunde schlägt (angeschlagen wird), dann kommt der Tod – eine geläufige Wendung.

Das Sprecher-Ich klagt: „Ach“; denn was es erlebt, ist bedrückend. Dunkel ist es in des Todes Kammer (V. 1); das ist metaphorisch die Wohnung des Todes, sachlich das Grab. Und wenn er selber die Stunde schlägt, dann tönt es „traurig“ – eine Bezugsgruppe wird nicht genannt, gemeint ist also derjenige, der diesen Glockenschlag als seinen letzten hört.

Form: Die vier Verse stehen im Trochäus, sind ernst und gemessen zu sprechen; sie sind im Kreuzreim verbunden. Der erste Vers weist sechs Takte auf, der 2. fünf (mit männlicher Kadenz, als um eine Silbe verkürzt: leichtes Innehalten der Stimme), der 3. fünf und der 4. drei, wiederum um eine Silbe verkürzt. Die Reduktion auf drei Takte lässt für den Leser/Hörer in der Erwartung der beiden fehlenden Takte eine Pause entstehen: eine Besinnungspause.

Das Gedicht ist eher ein Sinnspruch, konventionell in der Bildlichkeit und Personifikation des Todes; eine kleine Gelegenheitsarbeit. Vielleicht erleichtert die Personifikation des Todes in einem mythischen Weltbild das Sterben, macht es begreifbar?

http://www.zeit.de/1960/47/der-tod

https://norberto42.wordpress.com/2013/03/08/matthias-claudius-der-tod-und-das-madchen-analyse/ (M. Claudius: Der Tod und das Mädchen)

Vortrag

http://www.youtube.com/watch?v=cXFqPoUTpwo

Sonstiges

http://www.youtube.com/watch?v=F940rwC-A3k (interpretierende Verfilmung)

http://www.gedichte-fuer-alle-faelle.de/trauergedichte/index.php?fnr=385 (Gedichte an den Tod)

http://www.gedichte-fuer-alle-faelle.de/trauergedichte/index.php?fnr=375 (ähnlich)

http://www.gedichte-fuer-alle-faelle.de/trauergedichte/index.php?fnr=110 (ähnlich)

http://www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/5803/pdf/Claudius_Aufsatz_2002_2008.pdf (Bilder des Schlafes und des Todes bei Matthias Claudius und seinen Zeitgenossen)

Matthias Claudius: Urians Reise um die Welt, mit Anmerkungen – Analyse

Wenn jemand eine Reise tut …

Text

http://meister.igl.uni-freiburg.de/gedichte/cla_m03.html

http://freiburger-anthologie.ub.uni-freiburg.de/fa/fa.pl?cmd=gedichte&sub=show&noheader=1&add=&id=413

Vertont wurde das Gedicht nicht nur von Ludwig Berger und Beethoven, erschienen ist es 1786.

Urian ist bzw. war der fiktive Eigenname eines jeden Mannes, „vor welchem man wenig Achtung an den Tag legen will, besonders, wenn man seiner in einem Falle gedenkt, wo man ihn nicht erwartete“ (Adelung).

Herr Urian erzählt von einer Weltreise, die er unternommen hat; ein Chor (Tutti) kommentiert seine Erzählung nach jeweils vier Versen mit dem Refrain: „Da hat Er gar nicht übel dran getan; / Verzähl er doch weiter Herr Urian!“ (Das sind die Anmerkungen, die im Titel erwähnt werden – dort müsste „mit Anmerkungen“ kursiv gesetzt sein, was mir in diesem Blog technisch nicht möglich ist.) Herr Urian erzählt von seiner Reise zum Nordpol, nach Grönland, nach Amerika, Mexiko, Asien, China und Bengalen, Java, Otaheiti (eine der Gesellschaftsinseln) und Afrika. Überall stellt er sich jedoch dumm an, alles misslingt ihm oder er findet nichts Gutes – trotzdem fordert die dumme Menge (Tutti!), er solle weitererzählen. Schließlich ist das Fazit seiner Reise, dass er es überall so gefunden hat „wie hier,

Fand überall ’n Sparren, 


Die Menschen gradeso wie wir, 


Und eben solche Narren.“

Darauf, obwohl das die wesentliche Erkenntnis seiner Reise ist, ändern Tutti den Refrain und sagen zum Schluss:

„Da hat Er übel übel dran getan; 


Verzähl Er nicht weiter Herr Urian!“

Die Form ist einfach: Volksliedstrophe für Urians Erzählung (Jambus, Kreuzreim, Wechsel vier- und dreihebiger Verse mit männlicher und weinlicher Kadenz). Der Refrain ist im ersten Vers ein fünfhebiger Jambus, der zweite ist vierhebig mit unsauberem Takt.

Das Gedicht kann nur als Satire auf die Reise- und Entdeckungslust der frühen Neuzeit oder als Parodie der Reiseliteratur verstanden werden; das zeigt sich vor allem in der Reaktion der Menge auf einen nichtssagenden Reisebericht, vielleicht auch in der Verbform Verzähl er doch (statt Erzähl er doch). Verzählen bedeutete auch um 1800  falsch zählen; doch setzt es die plattdeutsche Form vertelle ins Hochdeutsche, wodurch die Tutti entweder als dumme Menschen vom Land oder als solche, die an platten Verzellcher ihre Freude haben, ausgewiesen werden. Jedenfalls gehört die Reaktion der Tutti (neben dem Namen Urian) wesentlich zur Satire. Vielleicht ist der Titelzusatz „mit Anmerkungen“ bereits der erste Hinweis auf den satirischen Charakter des Gedichts; denn was die Tutti als „Anmerkungen“ von sich geben, sind ja beileibe keine Anmerkungen! Adelungs Wörterbuch verzeichnet als dritte Bedeutung von „Anmerkung“: „die Erläuterung einer dunkeln Stelle in dem Hauptsatze; Scholion. Ein Buch mit Anmerkungen heraus geben. Anmerkungen zu einer Schrift machen“. Aber selbst in der alltäglichen Bedeutung (Anmerkung = Bemerkung) wären die Anmerkungen reichlich deplatziert: Satire! – Der Eingangsvers ist eine Redewendung geworden („Wenn jemand eine Reise tut …“), die heute ohne jeden ironischen Beigeschmack gebraucht wird, oft als Kommentar zur Erzählung unerwarteter Reiseerlebnisse.

Vortrag

http://www.youtube.com/watch?v=4u-Yl62x1P0 (Beethoven)

Sonstiges

http://de.wikipedia.org/wiki/Urian (Urian)

http://www.zeno.org/Wander-1867/A/Urian?hl=urian

http://library.musicaneo.com/de/data/sheetmusic/57092_1.pdf (Noten: Carl Friedrich Zelter)

Matthias Claudius: Ein Lied hinterm Ofen zu singen – Analyse

Der Winter ist ein rechter Mann …

Text

http://www.zeno.org/Literatur/M/Claudius,+Matthias/Gedichte+und+Prosa/Asmus+omnia+sua+secum+portans/Vierter+Teil/Ein+Lied

http://de.wikisource.org/wiki/Ein_Lied_hinterm_Ofen_zu_singen

http://www.claudius-matthias.de/claudiuseinlied/

http://www.medienwerkstatt-online.de/lws_wissen/vorlagen/showcard.php?id=3700

Das Gedicht wurde von Christoph Rheineck, Johann Friedrich Reichardt, Othmar Schoeck und Engelbert Humperdinck vertont; erschienen ist es erstmals 1783.

An diesem Gedicht kann man sehr schön zeigen, was Personifikation ist: die Vermenschlichung nichtmenschlicher Erscheinungen (Meyers 1908). „Die beseelende Apperzeption [= Personifikation] besteht darin, daß der Auffassende dem Gegenstand seiner Wahrnehmung menschliches oder menschenähnliches Denken und Fühlen verleiht, insbes. nicht beseelten Gegenständen Seele schenkt. Vor allem tritt die beseelende Apperzeption in dem Naturgefühl zu Tage: in dem mythologischen Naturgefühl primitiver Zeiten, wonach etwa Berg und Wald, Fluß und Hain, Baum und Strauch durch menschenähnliche göttliche Wesen beseelt gedacht werden; in dem sentimentalen Naturgefühl der modernen Zeit, das am mächtigsten durch Rousseau entwickelt worden ist, wird die unbeseelte Natur gleichfalls als mit Menschenleben ausgestattet, mitfühlend und teilnehmend gedacht. Die Beseelung kann sich aber auch auf Abstrakta, auf künstliche Gebilde der Menschenhand und andres beziehen.“ (Meyers 1905) Das sieht dann in diesem Gedicht so aus, dass der Winter ein kerniger Mann ist (1. Str.); dass er gesund ist (2., 3. Str.); dass er sich aus der lebendigen Natur nichts macht, aber die Kälte liebt (4.-6. Str.); dass er am Nordpol, aber im Sommer auch in der Schweiz (wo die Alpen sind) wohnt (7. Str.) und deshalb auf der Durchreise gelegentlich zu uns kommt (8. Str.). Damit haben wir in einem den Aufbau des Gedichtes beschrieben.

Wenn das Gedicht ein Lied ist, das hinterm Ofen zu singen ist (Überschrift), dann heißt das, dass wir auch bei grimmiger Kälte fröhlich sein sollen. Das Gedicht wird heute meistens als Kindergedicht gelesen; daher sollen für Kinder folgende Erklärungen gegeben werden:

V. 1 recht: richtig, gut

V. 2 kernfest: hat einen festen Kern

V. 4 weder Süß noch Sauer scheuen: er isst alles, stellt sich beim Essen nicht zimperlich an

V. 6 kranken: richtig krank werden (ein neues Wort, hier von „kränkeln“ abgeleitet)

V. 6 kränkeln: leicht (ein wenig) krank werden

V. 7 Nachtschweiß: bei Fieber

V. 7 Vapeurs: Dämpfe, die im Körper aufsteigen und Schwindel erzeugen (dachte man früher); eingebildete Krankheiten

V. 11 Fluß im Zahn: Zahnschmerzen

V. 12 Kolik: starke Schmerzen in einem Organ

V. 17 die Füchse bellen: vor Hunger, wegen der Kälte

V. 18 knittert: knistert

V. 19 Knecht und Herr: alle (selbst die Knechte müssen wegen der Kälte nicht arbeiten)

V. 20 zittert: des Reimes wegen im Singular (richtig: zittern)

V. 21 Stein und Bein: alles (Harte), selbst Steine und Knochen

V. 22 krachen: wenn das Eis darauf bricht

V. 24 Denn: Dann

V. 28 Schweizerland: Schweiz als Land der Alpen

V. 30 Regiment führen: (regieren,) nach dem Rechten sehen

V. 31 er zieht durch: auf der Reise vom Nordpol in die Schweiz zieht er bei uns in Deutschland durch.

Die Form der acht Strophen ist die Volksliedstrophe: vier Verse, im Jambus, abwechselnd vier und drei Hebungen, wobei im jeweils zweiten Vers nur eine Silbe fehlt (weibliche Kadenz), was eine kleine Pause mit sich bringt. Die Verse sind im Kreuzreim verbunden, jeweils zwei Verse bilden also ein Paar, meistens auch nach Satzbau und Sinn – nur in der 5. Strophe geht der Nebensatz über das Ende des zweiten Verses hinaus. Gelegentlich sind die ersten Silben eines Verses gegen den Takt betont (Kern-, Weiß, Haßt, Doch, Das, Da, Gut) was – zusammen mit dem Wechsel starke und schwacher Akzente (schwach sind z.B. „ist“, V. 1, und „auf“, V. 2, betont, usw.) im Takt – den eigentümlichen Rhythmus des Gedichts ausmacht.

Vortrag

http://www.youtube.com/watch?v=cmbicNgFwKc (solide)

http://www.podcast.at/episoden/ein-lied-hinterm-ofen-zu-singen-mathias-claudius-9366888.html = http://www.sprechbude.de/ein-lied-hinterm-ofen-zu-singen-mathias-claudius/ = http://www.podcasters.de/episoden/ein-lied-hinterm-ofen-zu-singen-mathias-claudius-9366888.html

Sonstiges

http://www.uni-heidelberg.de/transculturality/personfikation_start.html (Personifikation)

http://www.li-go.de/prosa/rhetorik/personifikation.html (Personifikation)

http://universal_lexikon.deacademic.com/41907/Personifikation (Personifikation)

http://m.schuelerlexikon.de/deu_abi2011/Personifikation.htm (Personifikation: Schülerlexikon)

http://www.zeno.org/Meyers-1905/A/Ästhetische+Apperzeptionsformen (Personifikation: eine der ästhetischen Apperzeptionsformen, wie man 1905 sagte)

http://www.bibelwissenschaft.de/nc/wibilex/das-bibellexikon/details/quelle/WIBI/referenz/34659/cache/26f02aedcc1feed4e0c105e69a995c78/ (Weisheit: Personifikation)

http://lists.gnu.org/archive/html/lilypond-user/2005-03/pdfULGkCBbyxr.pdf (Noten J. F. Reichardt)

Matthias Claudius: Der Mensch – neue Analyse

Empfangen und genähret …

Text

http://de.wikisource.org/wiki/Der_Mensch_(Claudius)

http://www.zeno.org/Literatur/M/Claudius,+Matthias/Gedichte+und+Prosa/Asmus+omnia+sua+secum+portans/Vierter+Teil/Der+Mensch

http://www.kalliope.org/en/digt.pl?longdid=claudius2001102220

Das Gedicht ist 1783 im Asmus IV erschienen. Es ist ein besinnliches, lehrhaftes Gedicht; ein des Menschen kundiger Sprecher legt dar, was „Der Mensch“, also jeder Mensch, für ein Wesen ist.

Aufbau des Gedichts: Der (all)wissende Sprecher beschreibt die Existenz des Menschen, die voller Widersprüche vom Anfang bis zum Ende ist. Die Aussage „Er kömmt (kommt)“ steht am Anfang (V. 3) und am Ende (V. 18) des Gedichts und rahmt so die ganze Beschreibung ein. Am Anfang deutet der Sprecher an, woher der Mensch kommt: aus dem Mutterleib (V. 1 f.); am Ende sagt er, wohin er geht: „zu seinen Vätern“, ins Reich der Toten, um „nimmer wieder“ zu kommen (V. 17 f.). In der Spannung zwischen diesen beiden „kömmt“-Sätzen zweigt sich die Spannung, die das menschliche Leben bestimmt.

„Empfangen“ (V. 1) ist der Mensch, wird der Mensch in seinem Anfang. „Empfangen“ bedeutet 1) in seine Verwahrung bekommen, von einem anderen an sich nehmen; 2) einen Ankommenden bewillkommen; 3) schwanger werden (Adelung). Die beiden erstgenannten Bedeutungen deuten an, was im „schwanger Werden“ mitschwingt – nicht ein Gezeugter wird der Mensch genannt, sondern ein Empfangener, obwohl Claudius als Vater vieler Kinder sicher wusste, dass zur Empfängnis die Zeugung gehört. Hier jedoch wird die Mutter, das Weib (V. 2) als die wesentliche Hüterin des Anfangs genannt (V. 1 f.). Und dieser Anfang im Mutterleib ist „wunderbar“ (V. 29); wunderbar ist das, was wert ist, „bewundert zu werden, dessen Möglichkeit und Zusammenhang man nicht einsiehet“ (Adelung). Wunderbar ist, dass ein Kind quasi aus dem Nichts auf die Welt kommt.

Diesem wunderbaren Anfang entspricht der weitere Lebenslauf nicht mehr, wie in den folgenden Versen dargelegt wird, und zwar in der knappsten möglichen Form: Die Verben haben durchweg keine Prädikate bei sich, keine näheren Bestimmungen und Angaben; diese Reduktion auf das pure Verbum (sehen, hören, nicht wahrnehmen, gelüsten usw., V. 3 ff.) passt zum Abstraktum „der Mensch“ und drückt so aus, dass es immer so ist, dass alles gemeint ist, was man sehen, hören, begehren usw. kann. Und in dieser Fülle der Möglichkeiten und Wirklichkeiten führt der Mensch ein Leben voller Widersprüche:

1) Trotz aller Wahrnehmungen nimmt er „des Trugs nicht wahr“ (V. 3 f.);

2) er begehrt vieles und muss doch verzichten (und bringt deshalb „sein Tränlein dar“, V. 5 f.). Das Diminutiv „Tränlein“ relativiert die Leiden der Entbehrenden als etwas Normales; im Verb „darbringen“ klingt die religiöse Vorstellung des Opferns an, ohne dass der Altar benannt würde, auf dem man das Tränenopfer darbringt;

3) er „verachtet und verehret“ (V. 7, V-Alliteration) , was zwei Gegensätze sind;

4) er hat „Freude und Gefahr“ (V. 8 – die Gefahr passt nicht als Kontrast zur Freude, der Begriff verdankt sich als Reimwort von „dar“, V. 6);

5) glauben / zweifeln (V. 9) sind Gegensätze;

6) wähnen / lehren (V. 9) passen sachlich nicht zusammen, weil man nur das lehren soll oder kann, was man weiß – Faust sieht wie mancher Lehrende später ein, dass er gelehrt hat, was er nicht wusste;

7) nichts und alles (für) wahr halten (V. 10), dieser Gegensatz löst sich dahin auf, dass es einfach verschiedene Menschen sind, die alles bezweifeln oder alles blind glauben; es kann jedoch auch ein religiöser Skeptiker sich von einem geschickten Verkäufer alles Mögliche andrehen lassen;

8) erbauen / zerstören (V. 11) sind wieder Gegensätze;

9) sich immerdar quälen (V. 12), das ist die andere Seite dessen, dass der Mensch so viele Unternehmen zuversichtlich angepackt hat, um in ihrem Verlauf zu merken, wie leichtfertig seine anfängliche Zuversicht war;

10) schlafen / wachen (V. 13) ist eher ein Pendant als ein Gegensatz;

11) wachsen / zehren (V. 13); dass hier ein Gegensatz vorliegt, versteht man erst, wenn man eine bestimmte Bedeutung von „zehren“ kennt: „Vermindert werden, sich verzehren, besonders von flüssigen Dingen, wenn sie durch Ausdünstung, oder vielleicht auch durch den Bodensatz abnehmen“ (Adelung) – das ungewöhnliche Verb verdankt sich dem Reimwort „zerstöret“ (V. 11);

12) braunes / graues Haar (V. 14), das sind zwar Gegensätze, die als Folge des Alterns aber nur dann als solche wahrgenommen werden, wenn man jemand jahrelang nicht gesehen hat;

13 das „etc.“ (V. 14: et cetera = und so weiter) liest man am besten als Fortsetzung der ganzen Reihe der aufgezählten Widersprüche; es ist jedoch auch möglich, es als Fortsetzung nur der Anzeichen des Alterns (V. 14: grau werden) zu sehen, die ja jeder kennt und die aufzuzählen deshalb überflüssig wäre.

Es folgt der ernüchternde Abschluss: der Hinweis auf die Grenze dieses von Widersprüchen bestimmten Lebens, auf den Tod (V. 17, denn = dann). Auch die „Väter“, die Vorfahren sind diesen Lebensweg gegangen, bis zum bitteren Ende in der Erde; zu denen legt der Mensch beim Sterben sich nieder. Die reflexive (oder mediale) Form „sich niederlegen“ weist darauf hin, dass das Sterben nicht nur ein natürlicher Prozess ist, sondern auch menschlich vollbracht werden muss – ich denke an das von Johannes überlieferte letzte Wort Jesu: „Es ist vollbracht.“ (Joh 19,30)

„Und er kömmt nimmer wieder.“ (V. 18) Damit ist der in V. 3 aufgespannte Bogen abgeschlossen, auch wieder ein Gegensatz: das wunderbare Kommen zu Beginn / der endgültige Abgang in die Erde, wenn auch „zu seinen Vätern“ (V. 17).

Diese Sicht auf das Ende des Menschen entspricht einer Erfahrung in der Bibel:

„Unser Leben währet siebzig Jahre,

und wenn’s hoch kommt, so sind’s achtzig Jahre,

und wenn’s köstlich gewesen ist, so ist es Mühe und Arbeit gewesen;

denn es fährt schnell dahin, als flögen wir davon.“ (Psalm 90,10; vgl. auch Jes 40,6 ff.)

Form des Gedichts: Diese illusionslose Beschreibung des menschlichen Lebens erfolgt in einer einzigen Strophe, im Jambus, dreihebig. Jeweils zwei Verse gehören auf besondere Weise zusammen, oft sinngemäß (V. 1 f.; 3 f.; 5 f.; 9 f.; 15 f.; 17 f.), manchmal auch nur im Rhythmus der Reime. Das Gedicht ist nämlich im Kreuzreim geschrieben, wobei die Reime „genähret – höret – begehret – verehret – lehret – zerstöret – zehret – währet /wunderbar – nicht wahr – dar usw.“ (V. 1/2) als zum Teil unreine Reime die ersten 16 Verse beherrschen; die beiden letzten Verse sind im Paarreim verbunden und markieren so den Abschluss. Der erste der jeweils zwei Verse enthält eine zusätzliche Silbe (weibliche Kadenz), wodurch am Ende dieses Verses eine kleine Pause nötig wird; am Ende des zweiten Verses ist die Pause länger, auch weil dort ein Semikolon oder Punkt den Satz schließen (mit einer Ausnahme: V. 2). Eine Reihe erster Silben ist gegen den Takt betont (V. 3, V. 9 u.ö.), was dem Rhythmus ein eigenes Gesicht gibt. Gelegentlich sind Wörter durch Alliteration verbunden: W- in V. 2, W- in V. 13, W- in V. 15 f; Assonanz ver- in V. 7. Durch die zahlreichen Aufzählungen, durch Komma oder „und“ verbunden (V. 1, V. 3, V. 5, V. 7, V. 8, V. 9, V. 10, V. 11, V. 13, V. 14 – davon zweimal vier Prädikate in einem Vers), wird die ganze Fülle des Lebens in ihren Widersprüchen abgedeckt.

„Auf biblische Reden von der Lebensmühsal und Hinfälligkeit zurückgreifend, macht Claudius eine generalisierende Aussage über den Menschen, die im schneidenden Gegensatz zur hochgemuten Anthropologie der klassischen Epoche steht. Dass der Mensch gut sei, durchklingt das Zeitalter, aber der Wandsbecker Bote scheint es nicht vernommen zu haben.“ (Gerhard Kaiser: Vater und Mutter oder Heilsgeschichte und Natur. In: Augenblicke deutscher Lyrik, insel taschenbuch 978. Frankfurt1987, S. 163 ff.) Als Zeugnis der „klassischen“ Sicht des Menschen könnte man Goethes Gedicht „Das Göttliche“ zum Vergleich heranziehen: „Edel sei der Mensch, / Hilfreich und gut! / Denn das allein / Unterscheidet ihn / Von allen Wesen, / Die wir kennen.“ Oder Goethes Gedichte „Die Metamorphose der Pflanzen“ oder „Eins und Alles“ oder…

Das Gedicht stimmt mich beim Lesen ein wenig nachdenklich – es sagt nichts Neues, macht aber die Zerrissenheit unserer Existenz bewusst; es ist jedoch nicht Matthias Claudius’ letztes Wort – das ist ein gläubiges Bekenntnis zum christlichen Gott. Man kann den Brief an seinen Sohn Johannes als gültigen Kommentar des Dichters zu seinem Gedicht lesen.

http://www.christoph-moder.de/texte/lebensregeln-claudius.html (Claudius’ Brief an seinen Sohn Johannes, 1799)

http://www2.klett.de/sixcms/media.php/229/347466_0027.pdf (G. Kaiser; die vollständige Interpretation in Gerhard Kaiser: Augenblicke deutscher Lyrik, it 978, S. 163 ff.)

http://litteratour.wordpress.com/2012/11/08/matthias-claudius-der-mensch/ (persönliche Rezeption einer „bibliophilen Philosophin“)

Vortrag

http://www.youtube.com/watch?v=8xhMWLhaW7w (laienhaft)

http://ia700402.us.archive.org/16/items/sammlung_gedichte_006_0903_librivox/sammlung_gedichte_006_06dermensch_rk.mp3 (gut) = http://www.nuttymp3.com/mp3/453043

http://www.deutschelyrik.de/index.php/der-mensch.html (Fritz Stavenhagen)

http://www.rezitator.de/gdt/823/ (Lutz Görner, mäßig)

Sonstiges

http://www.christoph-moder.de/texte/lebensregeln-claudius.html (Claudius’ Brief an seinen Sohn Johannes, 1799, quasi ein Kommentar zum Gedicht)

http://primanota.net/huub-de-lange/drei-claudius-lieder-der-mensch-sheets.htm (Noten Huub de Lange)

Matthias Claudius: Kriegslied – Analyse

‘s ist Krieg! ‘s ist Krieg! …

Text

http://de.wikisource.org/wiki/Kriegslied_(Matthias_Claudius)

http://www.zeno.org/Literatur/M/Claudius,+Matthias/Gedichte+und+Prosa/Asmus+omnia+sua+secum+portans/Vierter+Teil/Kriegslied

Entstanden 1778, vertont von Wilhelm Ferdinand Halter, Othmar Schoeck, Salvador Ley und Huub de Lange.

Aufbau: In der 1. Strophe ruft das lyrische Ich entsetzt (zweimal) aus, dass Krieg ist; wendet sich hilfesuchend an Gottes Engel und bekennt, am Krieg „nicht schuld“ sein wollen (V. 3 f.). Dieser letzte Hauptsatz („und ich begehre / Nicht schuld daran zu sein!“ – die Negation „nicht“ muss zu „begehre“ gezogen werden, hinter „nicht“ müsste also ein Komma stehen) zieht die vier folgenden Strophen nach sich: Da wird fiktiv (Konjunktiv II) aus der Sicht eines am Krieg Schuldigen gefragt, was „ich“ (das lyrische Ich, als fiktiv Schuldiger) tun wollte, wenn die vom Krieg Betroffenen sich bei ihm im Schlaf beschweren kämen und wenn Hunger und Seuchen „mir zu Ehren krähten / Von einer Leich herab“ (V. 20). Die erste Hälfte der letzten Strophe schließt die vier voraufgehenden Strophen ab: Immer noch in der Rolle eines schuldigen Königs („Kron“, V. 21), dem als Kriegsgründe „Land und Gold und Ehre“ offenbar genügen, bekennt das Ich: „Die könnten mich [wenn ich König wäre] nicht freun!“ (V. 22) In den beiden letzten Versen wiederholt das Ich seine bereits geäußerte Abneigung, die Schuld für diesen Krieg tragen zu wollen (V. 23 f. = V. 3 f.); die beiden Verse bilden sozusagen den Rahmen des Gedichts.

Es gibt eine gute Interpretation des Gedichts im Netz, die ich im ersten Link nenne, die von Wolfgang Promies. Ich beschreibe deshalb nur kurz deren Inhalt, die Einzelheiten kann jeder nachlesen: Promies beschreibt einige fehlerhafte Auslegungen des Liedes (S. 103 f.), die Form (S. 104 ff.), die vom Ich beschriebenen Visionen (S. 106 f.), die Position des lyrischen Ichs (S. 107 f.); er zitiert die ursprünglich 7. Strophe, die Claudius erst 1783 für seine Sammlung „Asmus omnia sua secum portans, Vierter Teil“ gestrichen hat:

Doch Friede schaffen, Fried’ im Land’ und Meere:

Das wäre Freude nun!

Ihr Fürsten, ach! Wenn’s irgend möglich wäre!!

Was könnt Ihr Größers thun? (S. 107)

Promies reflektiert diesen Vorgang (S. 108) und seine Stellung im Werk des Matthias Claudius (S. 109 ff.); er stellt das Gedicht in den Kontext zeitgenössischer Äußerungen (S. 111 ff.) und nennt die relevante Literatur (S. 113 f.).

Zum Schluss zitierte ich zum Vergleich einige Gedichte von Claudius’ Freund Gleim, der als preußischer Parteigänger 1778 den gleichen Krieg dichterisch begleitete:

Gleim: Preußische Kriegslieder

Vom März 1778 bis Aprill 1779

(4. Lied)

„Zu Krieg, zu Krieg, ihr Brüder, auf,

Der Kaiser fordert Krieg!

Zu Gott dem Herrn sehn wir hinauf,

Und unser ist der Sieg!

 

Von unserm Vater hat er kühn

Den Bruder weggewandt,

Und sieht mit Feindes-Augen Ihn!

Den Säbel in der Hand!

 

Und seine Krieger all’ zu Hauf

Stehn fertig, drohen Sieg!

Zu Krieg, zu Krieg, ihr Brüder, auf!

Der Kaiser drohet Krieg!

(letzte Strophe im 6. Lied)

Der Tapf’re siegt, der Tapf’re! der

Trinkt seines Feindes Wein;

Den Blöden frisst der Wolf; wer will

Von ihm gefressen seyn?

(7. Lied)

Gottlob, daß ich nicht Kaiser bin,

Und nicht des Kaisers Rath,

Der so mit Lust und leichtem Sinn

Zu Krieg gerathen hat.

 

Es war ihm Spiel und Scherz und Spott

Des Menschenblutes Fluth;

An jenem Tage wiegt ihm Gott

Jedweden Tropfen Blut.

 

Ach, aber, armer Kaiser, ach!

Du siehst der Wage zu;

Du gabst dem Friedenstörer nach,

O warum folgtest du!

 

Hast keine Tochter, keinen Sohn;

Die Kronen sind so schwer!

Hast ja so viel der Kronen schon,

Und willst der Kronen mehr?

(J. W. L. Gleim’s sämmtliche Werke. Erste Originalausgabe aus des Dichters Handschriften durch Wilhelm Körte. Vierter Band, Halberstadt im Büreau für Literatur und Kunst. 1811.)

Claudius’ „Kriegslied“ wird heute oft als Anti-Kriegslied zitiert.

http://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/2816/25/08-promies.pdf (W. Promies: Bürgerliche Bedenken gegen den Vater aller Dinge – die gleiche Interpretation wie in „Gedichte und Interpretationen“ 2, RUB 7891, S. 356 ff., mit Text)

http://hadavar.org/drupal/de/content/der-engel-des-herrn („Der Engel des Herrn“ – dieser Artikel stellt die heutige wissenschaftliche Sicht korrekt dar; die Frage ist allerdings, was Claudius sich unter „Gottes Engel“, V. 1, vorgestellt hat; er war als Kind aus einem evangelischen Pfarrhaus bibelfest und gläubig, hat also „Gottes Engel“ eher in dem hier umschriebenen Sinn denn als ganz allgemeinen „Engel“, sicher aber nicht als esoterischen Wolkendampf verstanden.)

http://www.bildungsserver-mv.de/download/abitur/abi-03-dt-lk-lehrer.pdf (Gedichtvergleich mit Trakl: Menschheit, dort S. 5)

http://www.zeit.de/1960/45/kriegslied/seite-1

http://edoc.vifapol.de/opus/volltexte/2008/368/pdf/sp0297.pdf

http://de.wikipedia.org/wiki/Kriegslied_(Matthias_Claudius)

Vortrag

http://www.youtube.com/watch?v=qVn4xVmOwSA (Christian Brückner, gut)

http://www.youtube.com/watch?v=9f-K5YucZa8 (vertont)

http://www.sprechbude.de/kriegslied-matthias-claudius/ (Christoph Maasch)

Sonstiges

http://de.academic.ru/dic.nsf/pierer/197730/Kriegslied (Kriegslied, normalerweise)

http://www.jakupka.de/nische.html (in der evangel. Kirche in Schönborn)

http://www.bleikloetzle.de/html/kriegslied.html (als Druck)

http://www.stormarnschule.de/assets/Uploads/Publikationen/SchriftstellerHamburg2006.pdf (in einem Projekt: Dichter in Hamburg)

http://www.nibis.de/nibis.php?menid=4188 (Krieg in Gedichten: Titel)

http://www.youtube.com/watch?v=Cd_-5ow57IM (Titel eines Videos)

http://www.zgedichte.de/gedicht_2609.html bzw. http://gedichte.xbib.de/Ramler_gedicht_Schlachtgesang.htm (Karl Wilhelm Ramler: Schlachtgesang, 1778)

http://www.zeno.org/Literatur/M/Claudius,+Matthias/Gedichte+und+Prosa/Asmus+omnia+sua+secum+portans/Vierter+Teil/Ein+Lied+nach+dem+Frieden (Matthias Claudius: Ein Lied nach dem Frieden, 1779)

Matthias Claudius: Täglich zu singen – Analyse

Ich danke Gott, und freue mich …

Text

http://www.claudius-gesellschaft.de/Kostprobe.html

http://www.zeno.org/Literatur/M/Claudius,+Matthias/Gedichte+und+Prosa/Asmus+omnia+sua+secum+portans/Dritter+Teil/T%C3%A4glich+zu+singen

Erstdruck in den Hamburgischen Adreß-Comtoir-Nachrichten, 1777; vertont von Johann Friedrich Reichardt, Franz Schubert, Johann Gottfried Schicht, Johann Abraham Peter Schulz und anderen.

Aufbau: Ein Ich-Sprecher trägt jubelnd ein Danklied vor; er bedenkt sein Leben, seine Lebensumstände und ist nicht nur zufrieden, sondern glücklich – das ruft er in diesem Lied aus und heraus. Zuerst dankt er Gott für seine Existenz (1.-3. Str.); dann dankt er wider Erwarten dafür, dass er kein großer Mann und nicht reich ist (4.-8. Str.). Zum Schluss bittet er voll Zuversicht um das tägliche Brot (9. Str.).

Form: Das Gedicht besteht aus neun Strophen in der Form der Volksliedstrophe: vier Verse, Jambus, abwechselnd vier- und dreihebig mit jeweils männlicher bzw. weiblicher Kadenz, Kreuzreim; jeweils zwei Verse bilden eine Sprech- und meistens Sinneinheit (allerdings geht der Satz in Str. 1,  3 und 5 über den jeweils zweiten Vers hinaus) – alles in allem ein lebhaft zu sprechendes Gedicht, wie es sich für ein jubelndes Danklied gehört. Die Sprache des Gedichts ist die der kleinen Leute, genauso wie die Perspektive – allerdings nicht die kritische oder aufrührerische Perspektive, sondern eine konservativ-zufriedene, verbunden mit viel Gottvertrauen; das mag den Gang der Rezeption bis heute beeinflusst haben (s.u.). [Kritische Gedichte gab es durchaus, etwa Bürgers „Der Bauer an seinen Fürsten“ (1776) oder Schubarts „Freiheitslied eines Kolonisten“ (1775), „Der gnädige Löwe“ (1775) und „Die Fürstengruft“ (1780); aber sie waren die Ausnahme, die Kritik drängte zum Drama!] Die Überschrift leitet – wen? den Sprecher, den Autor oder den Leser? – dazu an, dieses Danklied täglich zu singen.

In der 1. Strophe fällt die Verdoppelung „bin“ in V. 3 auf; das erste „bin“ bekommt gegen den Takt einen starken Akzent. In der 2. und 3. Strophe wird der daß-Satz (Aussage, worüber das Ich sich freut) fortgesetzt. Es freut sich über sein Dasein, über seine normalen Fähigkeiten des Sehens und Gehens in der Natur, über das dabei empfundene Glück. Das Schlusswort „amen“ (V. 12) macht aus diesem Danklied fast ein Gebet; es mag noch von der religiösen Einleitung der Weihnachtsbescherung herrühren, im Zusammenhang mit „bescheren“ ist es heute die Schlussformel eines geläufigen Tischgebets („Komm, Herr Jesus …“). Zweimal vergleicht er seine Freude mit der Freude von Kindern an Weihnachten (V. 1 f., V. 10 ff.); damit drückt er seine unbedingte, uneingeschränkte Freude aus, bekennt sich zugleich als beschenktes Kind des himmlischen Gott-Vaters. So rückt das Danklied doch in die Nähe eines Gebetes.

Ähnlichen Charakter hat in der nächsten Strophe die Wendung „mit Saitenspiel“ (V. 13), worin Psalm 150 anklingt: „Lobt ihn mit Posaunen, lobt ihn mit Harfe und Zither! Lobt ihn mit Tamburin und Tanz, lobt ihn mit Saitenspiel und Flötenklang!“ (Ps 150, 3 f.) So überschwänglicher Dank gilt Gott dafür, „Daß ich kein König [ge]worden [bin]“ (V. 14); parallel dazu steht der Dank,, dass er kein großer und reicher Mann ist (V. 18-20). Beide Danksagungen sind ungewöhnlich, weil normalerweise jeder einer höhere Position und Reichtum schätzt. Für beide Danksagungen weiß das singende Ich jedoch eine Begründung: Macht und Reichtum bergen die Gefahr in sich, dass man durch sie den guten Charakter verliert (V. 15 f.; V. 21 ff.). Dass der Besitz von Ehre und Reichtum „treibt und bläht“ (V. 21), ist eine Art Wortspiel und Witz: Die Wendung stammt wahrscheinlich von der Metapher „sich aufblähen“, ist aber wieder ins Wörtliche gewendet (und um „bläht“ erweitert) und besagt, dass Ehre und Reichtum zum (moralischen) Scheißen und Furzen führen, also nicht erstrebenswert sind. Anschließend reflektiert das Ich, was Geld und Gut (Alliteration) zu haben bedeutet: Sie können zwar „viele Sachen“ (V. 26) ermöglichen, aber nicht das Wesentliche (V. 29 f.!): „Gesundheit, Schlaf und guten Mut“ (V. 27). Die Folgerung aus diesen Abwägungen kann nur lauten: Ich mache mir nicht das Leben schwer, um reich zu werden (V. 31 f.; „kasteien“ = freiwillig Leiden und Entbehrungen auf sich nehmen). Worauf hier angespielt wird, ist die falsche Logik im Leben mancher Leute: sich einschränken, um über mehr Möglichkeiten (durch Geld) zu verfügen – ein innerer Widerspruch.

In der letzten Strophe bittet der Sprecher nur um den täglichen Lebensunterhalt („darf“, V. 34, = bedarf); er ist zuversichtlich, wieder mit einer Anspielung auf die Bibel (Mt 6,26 mit 10,29), dass er den auch bekommt, genauso wie der Sperling auf dem Dach (V. 35).

Heute wird dieses Gedicht sowohl im Gottesdienst gesungen als auch im Unterrichtsmaterial für die Grundschule bzw. für den Religionsunterricht geführt, steht auch wohl in einer Sammlung „Gebete großer Persönlichkeiten“ (http://www.christian-von-kamp.de/Gebete.pdf) und wird gelegentlich bei Konzerten vorgetragen.

Vortrag

http://www.lutzgoerner.de/gdt/853/ (Lutz Görner)

Sonstiges

http://www.musicalion.com/de/scores/noten/9998/johann-gottfried-schicht/11402/t%C3%A4glich-zu-singen-2-ich-danke-gott-und-freue-mich (Vertonung)

http://www.musicalion.com/de/scores/noten/9998/johann-gottfried-schicht/20183/t%C3%A4glich-zu-singen-1-ich-danke-gott-und-freue-mich (Noten: Schicht)

http://www.bachlund.org/PDF_Files_2012/Taeglich_zu_singen.pdf (Noten: Bachlund)

(Zu Matthias Claudius siehe die benachbarten Analysen!)

Peter Berglar: Matthias Claudius

in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, rm 192, 1972 – Besprechung

Im Zusammenhang mit meinem Bemühen, die kanonischen Gedichte des Matthias Claudius zu analysieren (und so zu ihrem Verständnis beizutragen), habe ich die Claudius-Biografie von Peter Berglar gelesen (rm 192). Berglar schildert Claudius voll des Lobes, aber ohne Lobhudelei auf eine Weise, die sein Büchlein auch nach 40 Jahren noch lesenswert macht: wenn man den Menschen Matthias C. als Eheman und Vater von 12 Kindern kennenlernen will, wenn man den Zeitgenossen von Herder und Klopstock, Jacobi und Goethe, Hölty und Merck aus der Nähe betrachten und zugleich einen Blick in die Geniezeit von 1770 bis 1800 tun möchte. Berglar bewertet Claudius als einen der Großen der deutschen Literatur, aber nicht als einen der ganz Großen; damit hat er wohl recht. Matthias Claudius’ frommes Christentum – er stammte aus dem evangelischen Pfarrhaus – erscheint mir manchmal als etwas naiv, aber persönlich echt.

Da dies die erste Biografie Claudius’ ist, die ich lese (und die ich vor rund 40 Jahren zusammen mit einem Schwung anderer Rowohl-Monographien gekauft habe, um meine literaturgeschichtlichen Kenntnisse aufzubessern), kann ich sie sachlich nicht „würdigen“; aber sie zeichnet einen guten Hintergrund für die Gedichte, die ich kenne. Vermutlich lohnt es nicht, sie sich auf verschlungenen Wegen zu besorgen; aber es lohnt, einen längeren Blick auf Matthias Claudius und seine Zeit zu werfen. Er ist eine Randfigur der deutschen Literaturgeschichte, von der aus Fäden in viele Richtungen gehen; mir ist bewusst geworden, dass ich vom Göttinger Hain fast nur den Namen kenne und dass ich diesen Hain bald besuchen muss.

Zum Vergleich:

http://www.deutsche-biographie.de/sfz35433.html Claudius: Biografie (beachte: Es gibt auch noch die ADB, siehe die Reiter oben lins);

http://bitflow.dyndns.org/german/WernerHehl/Matthias_Claudius_Dichter_Der_Christlichen_Gemeinde_1987.pdf (Hehl: Dichter der christlichen Gemeinde – Biografie Matthias Claudius’, Würdigung)

http://m.schuelerlexikon.de/deu_abi2011/Matthias_Claudius.htm

Matthias Claudius: Rheinweinlied – Analyse

Bekränzt mit Laub den lieben vollen Becher …

Text

http://de.wikisource.org/wiki/Rheinweinlied

Das Rheinweinlied entstand 1775 und wurde u.a. 1775 von Johann André sowie 1785 von J. A. P. Schulz vertont. Es ist unter den Claudius-Liedern das im 18. und das ganze 19. Jahrhundert hindurch am stärksten verbreitete. Es war als Trink- wie als Vaterlandslied beliebt; man „singt“ es volksliedhaft geläufig in Romanen und Erzählungen des 19. Jahrhunderts (Miriam Noa: Volkstümlichkeit und Nationbuilding). Das „Trinklied der Freien Mainzer“ griff (Man liest allenthalben, das Trinklied der Mainzer parodiere Claudius‘ Lied; ich bestreite das jedoch, da nicht Claudius‘ Lied attackiert wird, sondern das Despotentum!) 1793 auf das offensichtlich bekannte Rheinweinlied von Matthias Claudius wie auf einen Schlager zurück:

„Nun kränzt mit Laub den liebevollen Becher,

Und trinkt ihn fröhlich leer,

Denn unser Vaterland, ihr lieben Zecher,

Drückt kein Despote mehr!“

Als Emanuel Geibel 1835 auf einer Rheinfahrt das Rheinweinlied hörte, rief er begeistert: „Nun sage mir niemand mehr, dass die Deutschen kein Nationallied hätten!“ Heute liegt es bei den Aufrufen der Freiburger Anthologie weit abgeschlagen im unteren Drittel, auf Platz 839; im Allgemeinen Deutschen Kommersbuch hat es jedoch seinen Platz.

Um Claudius‘ „Rheinweinlied“ zu würdigen, muss man mindestens drei Dinge wissen: 1. Es gibt mit Klopstocks Gedicht „Der Rheinwein“ von 1771 eine thematische Vorlage, die Claudius vermutlich kannte, da er Klopstock gut kannte. 2. Ab etwa 1770 lässt sich literarisch eine Erhebung des Deutschen, des Deutschseins feststellen. 3. Es war damals offensichtlich modern, Trinklieder zu schreiben. Beginnen wir mit Klopstocks Gedicht „Der Rheinwein“:

O du, der Traube Sohn, der im Golde blinkt,

Den Freund, sonst Niemand, lad´ in die Kühlung ein.

Wir drey sind unser werth, und jener

Deutscheren Zeit, da du, edler Alter,

 

Noch ungekeltert, aber schon feuriger

Dem Rheine zuhingst, der dich mit auferzog,

Und deiner heissen Berge Füsse

Sorgsam mit grünlicher Woge kühlte.

Rheinwein, von ihnen hast du die edelste,

Und bist es würdig, dass du des Deutschen Geist

Nachahmst! bist glühend, nicht aufflammend,

Taumellos, stark, und von leichtem Schaum leer.

(Vgl. dazu: Herder über Klopstocks Oden!)

Auch von Hölty gibt es ein „Trinklied“, das dem Rheinwein gewidmet ist (1775) – es zeichnet sich die beginnende Rheinromantik ab:

Ein Leben wie im Paradies

Gewährt uns Vater Rhein;

Ich geb es zu, ein Kuß ist süß,

Doch süßer ist der Wein.

Ich bin so fröhlich wie ein Reh,

Das um die Quelle tanzt,

Wenn ich den lieben Schenktisch seh,

Und Gläser drauf gepflanzt. (…)

Für die Erhebung des Deutschen ab 1770 nenne ich einige Beispiele, wie ich sie in den „Epochen der deutschen Lyrik 1770-1800“ finde:

Klopstock: Lied von Klopstock. (1770)

Ich bin ein deutsches Mädchen!

Mein Aug ist blau, und sanft mein Blick.

Ich hab ein Herz

Das edel ist und stolz und gut. …

Klopstock: Unsere Sprache (1771)

Daß keine, welche lebt, mit Deutschlands Sprache sich

In den zu kühnen Wettstreit wage! …

Johann Friedrich Hahn: Teuthard an Minnehold. (1773)

Johann Martin Miller: Minnehold an Teuthard. (1773)

Johann Heinrich Voss: Deutschland. (1774)

Friedrich Leopold Graf zu Stolberg: Mein Vaterland. An Klopstock (1775)

Christian Friedrich Daniel Schubart: Das gnädige Fräulein. (1776)

Johann Heinrich Voss: Trinklied für Freye. (1776)

Mit Eichenlaub den Hut bekränzt.

Wohlauf! Und trinkt den Wein,

Der duftend uns entgegenglänzt!

Ihn sandte Vater Rhein!

 

Ist einem noch die Knechtschaft werth,

Und zittert ihm die Hand,

Zu heben Kolbe, Lanz’ und Schwert,

Wenns gilt für’s Vaterland:

 

Weg mit dem Schurken! weg von hier!

Er kriech um Schranzenbrod …

Von den Trinkliedern seien nur noch Höltys „Trinklied im Mai“ und „Trinklied im Winter“ genannt – der literarische Aufbruch 1770 wurde von jungen Männern mit Freundschaftsidealen getragen, da wurde eben auch getrunken, zumindest wurden Trinklieder gedichtet. Zu Hölty und dem Göttinger Hainbund stand Claudius in Beziehungen, die sich etwa in der Mitarbeit der Göttinger beim Wandsbecker Boten zeigten. „Der Göttinger Hain gilt als der ‚geschlossenste Dichterkreis des Sturm und Drang’. Im umfangreichen Textcorpus, das die insgesamt 16 Mitglieder des Hainbundes, darunter mehr oder minder bekannte Köpfe wie Ludwig Christoph Heinrich Hölty, Johann Martin Miller und Johann Heinrich Voß, hinterlassen haben, finden sich zahlreiche Motive, Themen und Einflüsse wieder, die die deutschsprachige Lyrik ab ca. 1740 in ihrer ganzen Vielfalt abbildet. Als glühende Anhängerschaft Friedrich Gottlieb Klopstocks (durch dessen Gedicht »Der Hügel und der Hain« sie ihren Namen erhielten) ist ein Schwerpunkt der Gruppe ein ins Bardenkostüm gekleideter flammender Vaterlandsdiskurs, gleichzeitig ist die antikisierende Anakreontik Grundlage zahlreicher Liebes- und Geselligkeitsgedichte, und auch der mittelhochdeutsche Minnesang übt einen wesentlich Einfluß auf die Hainbündler aus.“ (Patrick Peters, http://www.goethezeitportal.de/wissen/projektepool/goettinger-hain.html)

Aufbau: Im „Rheinweinlied“ spricht ein Zecher die anderen „Herren Zecher“ an und preist den deutschen Wein als einen besonderen: „Ihn bringt das Vaterland aus seiner Fülle“ (V. 9). In den Strophen 4-8 werden die deutschen Landschaften durchdekliniert, wobei sich zeigt, dass der gute deutsche Wein eben nur am Rhein wächst: „Gesegnet sei der Rhein!“ (V. 30). Der Sprecher schließt mit einem Aufruf, zu trinken und fröhlich zu sein (9. Str.).

Die poetische Form erzeugt ein gefälliges Lied: Jede Strophe besteht aus zwei Verspaaren im Jambus, die aus einem Fünfheber mit weiblicher Kadenz (zusätzliche Silbe – kleine Pause) und einem Dreiheber bestehen; diese beiden Verse bilden dann eine Sinneinheit oder einen Satz. Das bringt es mit sich, dass die im Kreuzreim gereimten Verse innerhalb der Strophe manchmal einen Sinnzusammenhang bilden (Ihn bringt das Vaterland aus seiner Fülle / Wie wär er sonst so edel, wäre stille, V. 9/11), manchmal jedoch nur den Gleichklang einzelner Wörter (im deutschen Reiche / faule Bäuche, V. 13/15).

Weniger die poetische Qualität des Gedichts als seine Vertonung durch Johann André mitsamt der vaterländischen Gesinnung dürften zur Verbreitung des Liedes beigetragen haben.

Sonstiges

http://www.lieder-archiv.de/rheinweinlied-midi_mp3_600518.html (einstimmige Melodie)

http://www.huegelland.net/keindespotmehr.htm (zum politischen Kontext der Parodie)

http://www.deutsche-biographie.de/sfz32849.html Hölty: Biografie (beachte: ADB und NDB, siehe die Reiter oben lins); dort auch weiter Biografien (siehe: Namen A-Z) von Claudius, Klopstock usw.

Rheinromantik

http://de.wikipedia.org/wiki/Rheinromantik

http://www.faszination-mittelalter.info/rheinromantik.html

http://www.romantischer-rhein.de/themen/rheinromantik.html

http://www.spiegel.de/reise/europa/200-jahre-rheinromantik-auf-den-spuren-von-dichtern-und-denkern-a-182184.html

http://www.youtube.com/watch?v=QfHtfZ8OGzc

Rheinwein

http://www.discogs.com/Hans-Roseneckh-Und-J%C3%B6rn-Harder-Rhein–Wein-Und-Trinklieder/release/1348293 (Lieder, heute)

http://www.zeno.org/Literatur/M/Klopstock,+Friedrich+Gottlieb/Gedichte/Oden.+Erster+Band/Der+Rheinwein (Klopstock: Der Rheinwein)

http://www.dein-rhein-main.de/rhein-main-blog/news/archive/uber-den-legendaren-rheinwein-315853.html

Göttinger Hain

http://de.wikipedia.org/wiki/G%C3%B6ttinger_Hainbund

http://www.goethezeitportal.de/wissen/projektepool/goettinger-hain.html

http://m.schuelerlexikon.de/mobile_deutsch/Der_Goettinger_Hain.htm

http://de.academic.ru/dic.nsf/meyers/46945/G%C3%B6ttinger (-> früher „Göttinger Dichterbund“)

http://www.hs-augsburg.de/~harsch/germanica/Chronologie/18Jh/Hoelty/hoe_intr.html

Matthias Claudius: Ein Wiegenlied bei Mondschein zu singen – Analyse

So schlafe nun du Kleine! …

Text

https://www.gedichte-lyrik-online.de/ein-wiegenlied-bei-mondschein-zu-singen.html

https://www.projekt-gutenberg.org/claudius/gedi-2/chap014.html

Erstdruck in den Hamburger Adreß-Comtoir-Nachrichten, 1770, mehrfach vertont. Vor Claudius waren Wiegenlieder Gebrauchsliteratur für Mägde, um Kleinkinder zu beruhigen; bei Claudius wird die Mutter die Sängerin des Liedes, was mit einer neuen Konzeption der Familie als Raum der Intimität und Harmonie einhergeht (Gerhard Kaiser). Dieses Wiegenlied, sollte es von einer Mutter gesprochen werden, dient mehr ihrer Erbauung als der Beruhigung des Kindes – nicht umsonst endet das Gedicht mit dem Erzählerbericht, dass der Mond der Mutter selber Glück gebracht hat, wobei ihre Hochzeit den Höhepunkt ihres Lebens ausmacht (letzte Strophe).

Im Volksliederarchiv finden wir folgende Wiegenlieder aus der Zeit vor dem 18. Jahrhundert:

Nun schlaf mein liebes Kindelein


und tu dein Äuglein zu


denn Gott der will dein Vater sein


drum schlaf in guter Ruh

oder

Suse, liebe Suse 


was raschelt im Stroh?


Das sind die lieben Gänschen


die haben keine Schuh


Der Schuster hat´s Leder


kein´ Leisten dazu


drum gehn die lieben Gänschen


und haben keine Schuh

Ich könnte auch an Liedchen erinnern, die ich selber meinen Kindern zur Beruhigung vorgesungen habe:

Mariechen saß auf einem Stein, einem Stein, einem Stein,

Mariechen saß auf einem Stein, da saß sie ganz allein.

Mariechen saß auf einem Stein, einem Stein, einem Stein,

Mariechen saß auf einem Stein, da saß sie ganz allein.

Mariechen stand auf einem Bein …. usw.

Im Vergleich mit solchen einfachen Versen, echten Gebrauchsliedern zum Einschläfern von Kindern, können wir das Neuartige an Matthias Claudius’ „Wiegenlied“ erkennen.

Aufbau: Eine Mutter spricht zu ihrem Kind, einem Mädchen, in der Nacht bei Mondenschein (Überschrift und V. 3 f.). Sie erklärt der Tochter (im Präsens), was der gute Mond für Kinder bedeutet, besonders für Mädchen (bis 4. Str.). Nach einer Überleitung (5. Str.) kommt sie auf eine Begegnung ihrer Mutter mit dem Mond zu sprechen und erzählt (im Präteritum), wie der Mond auch ihr eigenes Leben mit Wohlwollen begleitet und ihr Glück gebracht hat (bis Ende). Sie verbindet so die jetzige Mutter-Kind-Mond-Situation mit der gleichen Situation eine Generation zuvor, sodass sich ein Kreis schließt, in dem Mutter und Kind unter dem Mond geborgen sind.

Die poetische Form des Gedichts trägt wesentlich zum Ausdruck der Innigkeit bei. Jede der 12 Strophen besteht aus vier Versen. Diese stehen im Jambus, abwechselnd drei und zwei Takte, wobei V. 1 und 3 jeweils eine Silbe zusätzlich bekommen (weibliche Kadenz), was eine ganz kleine Pause im Sprechen bedingt; dabei umfasst ein Satz oder eine Sinneinheit in der Regel zwei Verse, gelegentlich geht der Satz aber auch über diese zwei Verse hinaus (V. 12; V 22; V. 24). Die einfachen Worte sind nicht nur im Kreuzreim der Verse, sondern auch durch Alliterationen miteinander verbunden (s-Alliteration in Str. 1; m-Alliteration in Str. 3; m- und s-Alliteration in Str. 6 usw.); wegen des Zusammenhangs von Vers und Satz binden in diesem Gedicht die Reime eher die Wörter als die Verse aneinander, erzeugen also Wohlklänge statt Zusammenhänge. Auch prägt die Personifikation des Mondes den lieblichen Ton des Gedichts: Man kann mit dem Mond sprechen (V. 23 f.; V. 33 ff.), er liebt die Kinder (V. 7 f.), besonders die Mädchen (V. 9 f.) und ist ihnen gut (V. 11 f. und 15 f.); auch ihr selber hat er Glück gebracht (V. 43 ff.) – kurz, er ist wie ein lieber alter Opa (vgl. V. 17 f.), dem man Kinder (doch „Mädchen mehr“, V. 10) anvertrauen oder anempfehlen kann.

http://www.youtube.com/watch?v=1c7Sdw4UC1w (einfache Wiegenlieder, -> youtube: Schlaflieder, Wiegenlieder, Gute-Nacht-Lieder)

http://www.volksliederarchiv.de/modules.php?name=Search_topcat&topic=37&file=1800 (Wiegenlieder aus dem 18. Jh.)

http://www.gedichte-fuer-alle-faelle.de/kindergedichte/index.php?fnr=325&szaehler=1n (Schlaf- und Wiegenlieder der Dichter, und

http://www.gedichte-fuer-alle-faelle.de/kindergedichte/index.php?fnr=325&szaehler=1b andere Schlaflieder)

Vortrag

http://player.qobuz.com/#!/track/1632536 (unvollständig)

Sonstiges

http://bitflow.dyndns.org/german/WernerHehl/Matthias_Claudius_Dichter_Der_Christlichen_Gemeinde_1987.pdf (Hehl: Dichter der christlichen Gemeinde – Biografie Matthias Claudius, Würdigung)