Heinrich Mann: Der Untertan – Analysen

Daten von Diederichs Verhältnis zu Agnes
(Seitenzählung nach Fischer TB 13640)

4. Sonntag nach Beginn des Studiums (17): …………………………………………………
nächsten Sonntag (19): …………………………………………………………………………..
tags darauf (23)
vier Tage später (25)
am nächsten Sonntag (25)
am nächsten Sonntag (26)
Sonntag, Ende des Monats (26, vgl. S. 29): ………………………………………………….
[Ferien; durch Hornung zur Verbindung Neuteutonia; Militärdienst]
Begegnung im Park (65, am 26.02.92, S. 59) [drei Jahre später, S. 66]: ………………
am nächsten Morgen (72): ……………………………………………………………………
am nächsten Sonntag (73): ……………………………………………………………………..
Montag nachmittag (76)
die Tage, an denen sie kam (77)
im Mai (79): ………………………………………………………………………………………..
sonntag[s] (85, vgl. S. 83)
sooft er sie bestellte (86 – unbestimmte Dauer)
endlich Arbeit beendet (86) – Reise nach Mittenwalde: …………………………………….
der nächste Tag (87): …………………………………………………………………………….
nach 14 Tagen (93)
eine Woche später (94)
kurz darauf Examen (95), Besuch des alten Göppel: ……………………………………….
[am Morgen darauf (100): Erziehung Diederichs beendet, Besuch beim Friseur]
Legende: Es werden einzelne Episoden des Tages, sonst wird pauschal erzählt.

Es wäre zu beachten, wie das Thema „Verhältnis zu Agnes“ behandelt wird und wie es mit anderen (Erzählsträngen bzw.) Themen verknüpft ist:
* Diederichs Verhältnis zur Macht und zu ihren Repräsentanten,
* Diederich und die Welt des Geistes (was D von Berlin mitbekommt),
* Diederichs innere Verlogenheit (Ambivalenz?),
* Diederichs „Erziehung“.

„Macht und Gewalt“ in Kap. I und II
Die beiden ersten Kapitel des Romans stehen in der Spannung zwischen den Eingangsworten: „Diederich Heßling war ein weiches Kind…“ (S. 9), das durch verschiedene Instanzen dazu „erzogen“ wird, in dieser harten Zeit (S. 100, vgl. S. 75) zu bestehen, und den Schlussworten: Seine Augen sind so furchterregend geworden, „als blitzten sie aus dem Gesicht der Macht“ (S. 101).
Gewalten begegnen ihm im Vater, in Märchenfiguren, im Gespenst, im Polizisten; die nächste Gewalt ist die Schule (S. 12 ff.). Diederich ist „so beschaffen, dass die Zugehörigkeit zu einem unpersönlichen Ganzen (…) ihn beglückte“ (S. 13).
Bereits in dieser Zeit hat Diederich auch selbst an der Macht teil (gegenüber den Arbeitern und Frauen, S. 10, ferner S. 13, 14, 15, 16).
Repräsentanten der Macht sind für Diederich einmal Menschen, nämlich
* Mahlmann (S. 18 ff.; 43 f.; 67 f.),
* Wiebel (S. 35; 55),
* der alte Herr seiner Verbindung (S. 51 ff.),
* von Barnim (S. 56) und
* der Kaiser (S. 59 ff.);
vor allem ist Macht in den Institutionen repräsentiert und präsent:
* die Schule (S. 12 ff.),
* die Verbindung (S. 31 ff.),
* das Militär (S. 48 ff.);
* der Kaiser ist sowohl Figur wie Institution.
Die Erziehung Diederichs besteht darin, dass das weiche Kind (s.o.) tauglich gemacht wird, in dieser harten Zeit zu bestehen.
Zu untersuchen wäre, was in dieser „Erziehung“ seine Mutter als Figur und die Begegnung mit der Familie Göppel, speziell mit Agnes bedeuten.
Der Erzähler bewertet diese „Erziehung“ und ihre Instanzen teilweise offen (Schule: S. 12), teilweise indirekt (Verbindungsleben satirisch lächerlich gemacht, S. 31 ff.; Theater-Vergleich, S. 61; furchterregendes Aussehen durch den Friseur geschaffen, S. 100 f.), teilweise durch Figuren des Romans (junger Mensch mit Künstlerhut: „Theater“, S. 62).
Beachtung verdient die häufige Verwendung des personalen Erzählens, wodurch der Leser an Diederichs Gedanken und Erleben teilnehmen kann.

Das Motiv Theater – Schauspieler in Kap. I – IV
(Berücksichtigt S. 18 u.ö, 61 f., 80/82, 107 f., 205/09, 232, 237/41)

Gliederung nach Perspektiven und darin nach Themen:
1. Diederichs (und der Fam. Heßling) Sicht
Diederich begegnet dem Theater (und Konzert) in Berlin als etwas, zu dem er keinen Zugang findet und was zu Agnes‘ Welt gehört (S. 18), was teuer ist (23); er zieht Konzerte vor, wo es Bier gibt (22), und schätzt Wurstessen mehr als Bilder und Bildbetrachtung (86 -> 103).
Wolfgang soll etwas mit einer Schauspielerin haben, der alte Buck hat bereits eine Schaupielerin geheiratet: Zeichen des Niedergangs (S. 107 f.; vgl. auch 208 f.: Diederich denkt ernster vom Leben.)
2. Des Erzählers Sicht
a) auf den Kaiser: Seine Begleitung scheint ein Stück aufzuführen, ist auf Eindruck bedacht, S. 61; der dagegen (scheinbar) nur sich sehende Kaiser wird von einem Künstler (!) als jemand entlarvt, der Napoleon nachmacht, „Theater“ spielt (S. 61 f.).
Auch dass Diederich Handlungen und Worte erfindet, die der Kaiser dann ausführt, lassen indirekt den Kaiser als Spieler einer festen Rolle erscheinen (S. 164, 172; 246).
b) auf den Prozess: Die Schauspieler wollen klatschen (241; 232).
3. Wolfgang Bucks Sicht
Wolfgang entwickelt eine Theorie des Schauspielers, welcher der repräsentative Typus der (damaligen) Zeit sei: Er stehe auf der Bühne und es genüge ihm, die Gefühle einer Handlung zu erleben; dann brauche er nicht mehr zu handeln (207: Tatsache der inneren Zeitgeschichte). In dieser Theorie ist eine Wertung enthalten, die an den Begriff der bloßen Geste (S. 206) und an das Lebensgefühl, welches mit einem Ersatz der realen Handlung zufrieden sei (205), geknüpft ist (vgl. 237 f.!). – Mit dieser Theorie betrachtet er
a) den Kaiser als großen Künstler, aber bloßen Schauspieler (239, vgl. 80-82); indirekt wird der Kaiser als der, welcher sich seinen Untertan entsprechend formt (237 ff.), hart kritisiert;
b) die junge Generation insgesamt, zu der er gehört (80-82, wogegen Diederich sich wehrt, da er Karriere machen will, 82),
c) sich selbst (80-82, speziell im Prozess: 207),
d) Diederich, und zwar (im Prozess) ausgesprochen negativ: 237 ff., wo einerseits das Prahlerische hervorgehoben wird, die geforderte Härte abgelehnt und das dahinter stehende geschäftliche Interesse aufgedeckt wird; Buck stellt dem Komödiantentum Diederichs (und des Kaisers!) die Wahrheit des Fabrikanten Lauer gegenüber (240 f.), womit er den Prozess verliert.

Diederichs Annäherung an den Kaiser
Diederich Heßling entwickelt sich so, dass er sich immer stärker seinem Kaiser Wilhelm annähert: „Sie haben so viel Ähnlichkeit mit – mit -“ (S. 160; von ihm mystisch erlebt: S. 292; 354). Diederich erlebt seine innere Einheit mit dem Kaiser (S. 365, 370), in der er Kaiserworte nicht nur gebrauchen (S. 106; 444 u.ö.), sondern neu erfinden kann (159 f.; 246; 416). Es ist die Identität des Beherrschten mit dem Machthaber (S. 63 f.), die in Diederichs Unterwerfung unter den Vater, der einen Kaiserbart hatte (S. 10), grundgelegt ist. „Die unerhörtesten mystischen Beziehungen überwältigten ihn…“ (S.372), was in satirischer Überspitzung von Diederich so erlebt wird, dass der Kaiser „Diederichs Worte zu den seinen machte“ (S. 172), während in Wirklichkeit der Fabrikant die Kaiserworte und -gesten sich aneignet. Er sonnt sich als „Untertan“ im kaiserlichen Glanz (S. 364 ff.), sieht sich sogar „wie in einem Spiegel“ mit dem kaiserlichen Hermelin bekränzt (S. 172, ähnlich S. 158). Jedes des sechs Kapitel endet mit dem Thema: Diederichs Nähe zum Kaiser (das sechste negativ!).
Diederich begegnet dem Kaiser zum ersten Mal während einer Demonstration (S. 59 ff.); er fährt als Repräsentant des Geistes der neuen Zeit mit dem gleichen Bart wie der Kaiser nach Netzig (S. 100 f.; vgl. 143); er veranlasst ein Telegramm an den Kaiser und erfindet einen kaiserlichen Befehl (S. 154 ff.), den der Kaiser später tat-sächlich gibt (S. 172); er hat im Prozeß gegen den Majestätsbeleidiger Lauer gesiegt; er vollzieht seine Ehe im Gedenken des Kaisers zu einem höheren Zweck und erstrahlt im „höheren Glanz” (S. 361; entsprechend ändert er die Hochzeitsreise, um in Rom dem Kaiser zu begegnen, S. 363 ff.); er darf bei der Einweihung des Kaiser-Wilhelm-Denkmals, dessen Bau (statt des Säuglingsheims, S. 293) er vorangetrieben hat, die Rede halten (S. 465 ff.). Der Kampf um dieses Denkmal, das eine Heiligsprechung Wilhelms „des Großen” (S. 468; vgl. 157) bedeutet, ist das Motiv des Romans, welches beispielhaft den Aufstieg Diederichs im Gefolge des Kaisers, die Niederlage der Freisinnigen sowie der Familie Buck (S. 281: „Herunter mit ihm…“) und die im Schatten des kaiserlichen Glanzes vollzogenen Schiebungen und Geschäfte aufzeigt (S. 327-335; 357; 378, 383; 385).
Die Verbundenheit beider „Schauspieler“ wird von Wolfgang Buck analysiert (S. 205 f.; 237 ff.; 313 ff.; vgl. S. 81, S. 62): Der Geist der neuen Zeit ist theatralisch. Der Kaiser, über den Diederich zunächst keine Meinung hat (S. 18), den er mit der passenden Ideologie in seiner Verbindung Neuteutonia zu schätzen lernt (S. 57 f.; 58 f.) und den er von da an immer mutiger verteidigt (S. 75; 80 f.; 120; 126 usw.), wird ihm wichtiger als die liebende Frau (Agnes, S. 65; Guste S. 364, 379, 442).
Mit dem Kaiserkult „in dieser harten Zeit” rechtfertigt Diederich seine berechnende „Moral” (S. 100, 151, 378), wird rassische Überlegenheit (380) und der eigene Machtanspruch begründet (S. 106 f.; vgl. 146; 284 f.; 442 f., was 446 ironisch umgekehrt wird), der Kampf gegen die Familie Buck geführt (237, 281, 336, 427 f.). – Die letzte Stelle zeigt die Bedeutung des Blitzens, das er dem Kaiser abgeguckt hat (S. 63): Zunächst versucht Diederich es nur (S. 62, 75, 106, 145), dann gelingt es ihm (S. 126, 151 u.ö.). Doch das Niederblitzen der Gegner ist ebenso Theater wie des Kaisers Menschlichkeit und der Dackel Freiheit (S. 444 f.).

„Der Untertan“ als Satire (zugleich eine Übersicht über Lektürehilfen)
1. Monika Hummelt-Wittke (Der Untertan. Interpretation von M. Hummelt-Wittke. Oldenbourg: München 1987) behandelt unter dem Stichwort „Erzählsituation“ u.a. den Aspekt „Satire als Strukturprinzip“ (S. 70 ff.): Nur wenige Figuren, etwa der alte Buck, Agnes Göppel, der Fabrikant Lauer blieben von der satirischen Verzeichnung verschont. Strukturierendes satirisches Handlungselement sei die fortschreitende Angleichung Heßlings an Wilhelm II.
Als satirisch kalkulierte Sprachverwendung seien die in Heßlings Äußerungen hineinmontierten Zitate von Kaiserreden (S. 74 ff., mit Belegen) anzusehen, ebenso die Verwendung „sprechender Namen“ (Jadassohn: Judas = Verrat); Nothgroschen (Groschenjunge). Auch die sinnentstellende Verwendung einzelner Wörter („Moral“ im Mund Heßlings) und der offene Widerspruch in Äußerungen Diederichs je nach Situation machten den Roman zur Satire.
2. Bei den Klett Lektürehilfen ist zum „Untertan“ ein Buch von Wolf D. Hellberg erschienen (Stuttgart-Dresden 1995). Hellberg hat ein Kapitel „Satirische Elemente des Romans“ benannt (S. 108 ff.):
– „Der Untertan“ sei die Parodie des Entwicklungsromans, da Heßling ausgesprochen als Typus, nicht als Individuum erscheine;
– Wiederholungen und Parallelen (Liebesszene in Heßlings Fabrik; Verführung von Agnes bzw. Emmi mit Duellforderung) entlarvten die Doppelbödigkeit der Romanwelt;
– die satirische Funktion der Sprache ergebe sich in der Wortwahl:
a) Eigennamen: Napoleon; Schweinichenstraße; Jadassohn, Nothgroschen,
Kühnchen, Heuteufel; Wucherstraße;
b) klischeehafte Adjektive (deutsch; höchste Ehre);
c) Wiederholung von Adjektiven;
d) fehlerhafte Aussprache von Fremdwörtern; Dialekt und vulgäre Sprache v.a. Kühnchens;
e) Wortspiele, Übertragung (Tod auf dem Feld der Ehre = durch Alkohol);
f) Doppeldeutigkeiten („Lumpen“), Oxymoron (nationale Biergläser);
g) Paradoxon: Ruhe des Arbeiters als „Aufruhr“, Erschießung als Heldentat;
h) Aufzählung: Märchenkröten, Vater, lieber Gott…
Volkslieder, Beethoven, Kommersbuch-Lieder…
– Satzbau (?): satirische Entsprechung bzw. Diskrepanz: „Kampf bis aufs Messer“ – „Sie sind heiser.“
– Satz- und Gedankenfiguren: Vergleiche;
– Zitate (v.a. des Kaisers).
Hellberg nennt ferner die satirische Personendarstellung (Jadassohns Ohren; Fischer affenähnlich; Guste im Zusammenhang mit Wurst und Kohl). Satirische Episoden seien ein Strukurmerkmal des Romans: Heßling beim Militär; Vorführung des Familienlebens vor Kienast; Hochzeitsnacht. – Dem Prinzip satirischer Steigerung (nie gehört, N.T.) entspreche die Abfolge der Episoden, die die öffentliche Politik beschreiben:
– Zusammentreffen der Bürger nach der Ermordung des Arbeiters;
– Wahlversammlung der Partei des Kaisers;
– Heßlings Rede bei Enthüllung des Denkmals.
3. In der Reihe „Königs Erläuterungen und Materialien“ ist das eher bescheidene (!) Bändchen von Peter Painter erschienen (Hollfeld 1985). Painter nennt in seinem Kapitel „Satirische Prophetie“ (S. 78 ff.) die Begegnungen Diederichs mit dem Kaiser, seine Rede vor seinen Arbeitern, die Lohengrin-Aufführung und die Denkmalsweihe als Schlüsselsituationen  bzw. Kulminationspunkte der Satire und sieht im Buch den 1. und den 2. Weltkrieg prophezeit.
4. Beachte auch Wolfgang Emmerich: Heinrich Mann: „Der Untertan“. W. Fink: München 1980, S. 79 ff.
Die Seitenzählung der Ausgabe Fischer-TB wird berücksichtigt in Lektüre . Durchblick: H. Mann, Der Untertan von Boris Prem. München 1997.

Bildungsroman, Entwicklungsroman, Erziehungsroman
Man kann Heinrich Manns Roman als Satire eines Bildungsromans deuten. Der Bildungsroman ist als Typus in der dt. Klassik entstanden: Bildung eines jungen Menschen zur allseits gereiften Persönlichkeit, die ihre Aufgabe in der Gemeinschaft bejaht und erfüllt. Die Entwicklung ist durch Freundschaft und Liebe, Krisen und Kämpfe bestimmt; so entfalten sich die natürlichen Anlagen schließlich nach Überwindung des jugendlichen Subjektivismus zur Klarheit des Bewusstseins.
Typisch ist der Aufbau in drei Phasen: Jugendjahre – Wanderjahre – Bewusstwerden des Erreichten, Einordnung in die Welt. Wendepunkte sind häufig durch Erinnerung oder einen Rückblick gekennzeichnet. Oft wird die Reifung zum Künstler erzählt, häufig in der Ich-Form. Die Idee der gesetzmäßigen Entfaltung des inneren Menschen stammt aus der Aufklärung. Beispiele:
Goethe: Wilhelm Meister
Jean Paul: Hesperus; Titan; Flegeljahre
Tieck: Franz Sternbalds Wanderungen
Novalis: Heinrich von Ofterdingen
Hölderlin: Hyperion.
In einem weiteren Sinn werden auch andere Romane, in denen die organische Entfaltung eines Menschen erzählt wird, Bildungsromane genannt. Beispiele hierfür:
Keller: Der grüne Heinrich
Stifter: Der Nachsommer
Hesse: Das Glasperlenspiel.
Der Begriff Entwicklungsroman ist nicht klar vom Bildungsroman zu unterscheiden.
Im Erziehungsroman geht es um die meist bewusst geleistete Erziehung, welche aber auch durch die Mittel der Kultur gestaltet wird; auch dieser Begriff ist nicht klar von den beiden anderen geschieden. (nach Metzler Literatur Lexikon; lies die entsprechenden Artikel im KLL!)

Diederich als Gegenspieler des alten Buck – die Entwicklung einer Gegnerschaft
Eine Skizze
Zunächst ist der alte Buck für D. wie für alle eine Autorität (S. 14 f.); personal wird erzählt, wie Diederich den Kampf mit der überlegenen Macht aufnimmt (15/8-11). Diesen Kampf gegen Buck und seinen Kreis sagt Diederich in der Familie an: „Andere wollen auch ran!“ (109) Damit ist sein Geschäftsinteresse offen ausgesprochen.
Eine große Selbstdarstellung gibt Buck bei Diederichs Besuch (114-121, vgl. auch noch 298-303): ein liberaler Mann, der für die Freiheit gekämpft hat und im Kaiser und von Wulckow deren Gegner erblickt; er gönnt Diederich seinen Aufstieg.
Die Verurteilung Lauers im Prozess empfindet D. als Niederlage des Buck‘schen „Klüngels“ (242, vgl. „Bande“ 109; vgl.: „Ich hasse die ganze Familie!“ 82/24).
Diederichs erste Waffe im Kampf ist das Gerücht, Guste sei eine Halbschwester Wolfgangs, das er bewusst in die Welt setzt: „Wer den Bucks ihren schändlichen Raub [Guste und ihr Geld, N.T.] abjagen wollte…“ (264/20 f.; 263-265); er informiert Napoleon Fischer entsprechend (267-269).
D. reflektiert die Wirkung des Gerüchts: „Herunter mit ihm, damit Diederich hinaufkam!“ (281/31 f.) Im Gegenzug nähert D. sich von Wulckow an (285 ff., vgl. 283 f. und v.a. 233) – im Kampf gegen „die Macht des Bestehenden“ (298/24 f.).
Buck nimmt den Kampf wahr, sucht aber trotzdem einen Ausgleich mit Diederich (298-303); er scheint D.‘ Geschäftsinteresse als dessen Motiv erkannt zu haben (390 f.). Deswegen und dagegen erblickt D. in ihm den „Erzfeind“ (391/34).
Der erste Erfolg Diederichs ist die Tatsache, dass Guste ihm zufällt (340-344). Dass sich eine Wende zugunsten Diederichs vollzogen hat, begreift D., als er das Angebot bekommt, Gausenfeld zu kaufen, sowie die Information erhält, dass andere Leute um ein Vorkaufsrecht gebeten haben (405 f.). Daraus schmiedet D. seine zweite Waffe: Auf der Wahlversammlung kommt es zum offenen Kampf (408; 410-415), den Diederich durch kühnes Kombinieren gewinnt; Buck wird ohnmächtig. Danach geht es mit ihm bergab: Er muss bei D. Geld leihen (420 f., gewinnt den Prozess nicht, verliert Geld mit den Aktien, legt das Amt des Stadtrats nieder (430); D. übernimmt sein Haus (453).
Ein charakteristisches Intermezzo bietet Bucks Gespräch mit Wolfgang (454-457). Schließlich stirbt Buck, nicht ohne in D. den Teufel gesehen zu haben (478, vgl. 268).
Es müsste noch untersucht werden, als welche Typen der alte Buck und Diederich dargestellt werden und mit welcher Verlogenheit Diederich den Kampf führt. So beklagt D., dass er (u.a. bei Buck) „nirgends schlichte deutsche Treue“ finde (391/18 f., vgl. 216/32); sein eigenes rücksichtsloses Vorgehen rechtfertigt er jedoch: „Wer da noch Schonung übte, machte sich mitschuldig.“ (406/13 f.)
Weitere Stellen, den alten Buck betreffend: S. 18, 46 f., 107 ff., 123, 131 f., 216, 218, 248, 251-254, 279, 390, 391 f., 416, 419, 425-430, 475 ff.
Wolfgang Buck: 79 ff., 174 f., 203-209, 212 f., 232 f., 235 ff., 277 ff., 306-308,  312 ff., 452 f.
Napoleon Fischer: 106 f., 110-114, 163 f., 173, 187-189, 202, 266-269, 321-327, 389 f., 459 f.

Das Denkmal und seine Bedeutung – ein Skizze

Diederich nennt im Kreis der national Gesinnten Kaiser Wilhelm I. „den Großen“ (S. 155, vgl. 156 f.). Der Plan, ihm ein Denkmal zu bauen, kommt D. im Gespräch mit Buck, als dieser von der Absicht spricht, ein Säuglingsheim zu errichten (299 f.; vgl. 385, 412); da „kam ihm die Erleuchtung, was er Wulckow vorzuschlagen habe, um Netzig zu erobern“ (300/2-4). Damit wird auf sein Gespräch mit Wulckow und Schef-felweis zurückgegriffen, wo D. es abgelehnt hat, vom Geld aus der bevorstehenden Erbschaft Kühlmann ein Säuglingsheim zu errichten, wogegen er ganz unbestimmt für „einen nationaleren Zweck“ (293/11 f.) plädiert hat.
Damit ist der politische Kampf um die Gesinnung in Netzig als der Ort ausgemacht, in dem das Denkmal seinen Platz findet. Mit Napoleon Fischer will D. gegen die bürgerliche Demokratie kämpfen (323). Beide werden durch gegenseitige Unterstützung Stadtverordnete; die Sozialdemokraten erhalten für ihre Unterstützung Diederichs entgegen dessen „nationaler“ Überzeugung ein Gewerkschaftshaus (322 – 325). In einer Stube vereinbart D. mit Rille und Fischer, Fischer bei der Reichstagswahl zu unterstützen und im Gegenzug das Kaiserdenkmal zu bauen (Geheimpapier 327, offen ausgesprochen 335/14 f.; 375/26 ff.).
Im Gespräch bei Wulckow wird dann das entscheidende „nationale“ Bündnis mitsamt seinen wirtschaftlichen Konsequenzen geschmiedet (331 ff.): Orden für D., Strom für von Quitzin, Papierlieferungen, Denkmal statt Säuglingsheim und das Bündnis Diederichs mit Wulckow gegen Buck und gegen Klüsing (336/6 f.), Ehrenvorsitz für Wulckow, Angebot des Grundstück(ver)kaufs (337, vgl. 357, 459). Das Denkmal ist für Wulckow die Garantie der Kaiser- und Vertragstreue Diederichs (336/1 f.). Entgegen Diederichs erhabenen Versicherungen (338/20 ff.) weiß der Erzähler, dass die politische Haltung auf der gesunden Grundlage der eigenen Interessen beruht (378/11 f.; vgl. 428/12-14: Diederich weiß es auch). Was D. seinen Partei-freunden über die Bedeutung des Denkmals sagt (375 f.), muss perspektivisch und ideologiekritisch gelesen werden: Nach der Wahl zeigt sich, dass das Denkmal v.a. im Wahlkampf nützlich war, sonst aber weniger interessiert (418/15 ff.).
Der Bau des Denkmals wird schließlich beschlossen (418), D. wird Vorsitzender des Denkmal-Komitees (419); auf des Kaisers Wunsch wird es ein Reiterstandbild (454). Diederich darf die Feier arrangieren (457) und die Rede halten (465 ff.); dass Diederich weniger Bedeutung besitzt, als er meint (458/17 f.), wird bald klar (461 ff.).
Das Denkmal ist also das Gegenprojekt gegen die Liberalen und ihr Säuglingsheim (Buck), anderseits Kompensation für den sozialdemokratischen Abgeordneten im Reichstag. Es ist Ausdruck der nationalen Gesinnung: Die Bürger werden „dies mystisch-heroische Spektakel“ begaffen können, wie Wolfgang Buck sagt (455/11 f.): „Theater, und kein gutes.“ (455/13 f.)  Es ist Diederichs Gegenleistung an Wulckow für wirtschaftliche Förderung und Streitobjekt im Wahlkampf zugleich. Zum 100. Geburtstag Wilhelms I. ist es jedoch nicht fertig (454/1 ff.). Mit seiner verregneten Enthüllung (Satire!) hat Diederichs Kaisertreue ihren Ausdruck und Lohn (Orden) gefunden. Die Bürger zahlen (454/5 f.), die politischen Sieger profitieren alle finanziell – „und gerecht war die Sache, die Erfolg hatte!“ (428/13 f.)

Nachträglich: http://www.dhm.de/lemo/html/kaiserreich/kunst/untertan/
http://de.wikipedia.org/wiki/Der_Untertan
http://bildungsserver.hamburg.de/der-untertan/

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