H. Kipphardt: März – Analysen (aus dem Unterricht)

Kipphardt: März (Lektürekontrolle S. 7 – 132)

Was fällt dir bei März zum Stichwort „kämmen“ (22) ein?
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Welchen körperlichen Defekt hat März (25)? _________________________
„Die Gans, das war ich.“ (29) Was meint März mit dieser Äußerung?
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Kofler: „Der Schizophrene ist ein Leidensgefährte.“ (48) Wie erklärt
er das?
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Wer ist/war Lydia? (52) ____________________________________________
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Was bedeutet „Garten“ für März (68, 80)? ___________________________
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März‘ erste Flucht aus Lohberg geht nach Freising. Was wollte er da?
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Wer ist Öchsel, was tut er? (99) ___________________________________
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Was lernen die Patienten nach Übernahme der Abteilung 5 durch Kofler erst nach fünf Jahren? (100) _______________________________________
Kofler hat März zum ersten Mal im Winter 1968 gesehen – bei welcher Gelegenheit? (109) _________________________________________________
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Wer ist Feuerstein? ________________________________________________
Wohin führt Feuerstein seine Besucher zuerst? (117) ________________
Die Patienten arbeiten als Balljungen beim Tennisspiel der Ärzte. Was setzt Kofler durch? (126) ______________________________________
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/12 Punkte – Note:

Was Kommunikation für März bedeutet – ein Überblick (bis S. 132)
Was ich hier nicht klären kann, ist die Frage, wie Irresein und Verstummen kausal zusammenhängen und wie sich die Bedeutung von Kommuniktation für März im Lauf der Jahre verändert.
Mit diesen Einschränkungen wage ich die These, dass Verstummen und Irresein einander entsprechen und dass das Verstummen vom Ver-such, etwas öffentlich zu proklamieren, begleitet wird. So sagt März schon früh nichts, wenn er dem Vorgesetzten des Vaters vorgestellt wird (S. 30; ähnlich 53, 63); anderseits ist es eine Strafmethode der Mutter (der Familie), die Kommunikation abzubrechen: „Die Strafe der Mutter war, mich, hatte ich gefehlt, nicht mehr zu bemerken.“ (S. 23; vgl. Strafe der Abreise, S. 31!; Ausschluss durch Schrebergärtner, Garten zerstört, S. 81) Fazit: „Die Person von mir ist allein und sehr allein.“ (S. 9; vgl. S. 19: von der Mutter verlassen; Sprachgewalt der Eltern!, S. 48) Er kann andere nicht verstehen (S. 63), andere verstehen ihn nicht, wie er empfindet (S. 81). Anderseits möchte er schon sich öffentlich äußern: dem Klerus auf der Domkanzel den totalen Krieg erklären (S. 83 f.); einen neuen Katechismus verkünden (S. 61; vgl. Brief an den Erzbischof, S. 15; „Darbietung“ im Apfelbaum, S. 10-12).
Vermutlich wird man seine Hasenscharte bzw. die Art, wie seine Familie darauf reagiert, als „Ursache“ ansehen können: einerseits Ablehnung (S. 24 f.), anderseits Vertuschung (S. 35) und erdrückende Liebe („als wärs eins“, S. 36) März aber will keine tröstenden Lügen (S. 38); er merkt, wie sich die Wirklichkeit zwischen den Wörtern ver-steckt (S. 46). So verändert sich dann auch bei ihm der Gedanke, es kommen Wörter im Satz einfach dazwischen (S. 75).
In Lohberg ändert sich grundsätzlich nichts, weil die Ärzte kein Interesse an einer Kommunikation haben und ein solches nur heucheln (S. 75, 96, 104); auch die entsprechenden Gesetze sehen vor, dass eine Anhörung Irrsinniger unterbleiben kann (Art. 4, S. 69). März gibt die Körpersprache auf (S. 93), führt Nebengespräche (S. 73), führt Selbstgespräche (S. 80: als „rhetorische Übung“), verweigert die Kommunikation mit den Ärzten (S. 74 f., 76, 79), ebenso mit der Mut-ter (S. 87). Elektroschocks verschlimmern die Situation (S. 75 f.; vgl. S. 72 f.); auch Schuster bezeugt, dass sich in Lohberg einleben das Gleiche wie verstummen ist (S. 91). Die Tabuisierung der Sexua-lität als einer Form der Kommunikation (S, 105 f.) verschlimmert sicher die Situation der Kranken. So hat der Kranke sich selbst ab-gegeben (S. 108). „Wenn das Reden überflüssig geworden ist,/ ist es nicht mehr schwer zu schweigen.“ (S. 111)
Kofler dagegen nähert sich den Patienten (S. 7), will ihre Äußer-ungen metaphorisch verstehen (S. 64), stellt eine Ähnlichkeit des Erlebens fest (S. 111). Der Gedanke taucht auf, dass etwas Wahnsinn in jedem von uns steckt (S. 78 f.; 125!). 3/03

Kipphardt: März (Lektürekontrolle S. 133 – 189)

Wie äußert in Lohberg jemand, der nicht mehr spricht, Wünsche? (135)
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Wie reagiert März, als Öchsel seinen Rohrstuhl besetzt hat? (136)
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Wie lange dauert es, bis März mit Kofler redet? (142)
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Warum sieht März den Kontakt zu Kofler als „Rückschritt“ an? (149)
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Was tut der Vater, als zwei Jungen März Mütze und Schlittschuhkurbel abgenommen haben? (150)
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Wieso kommt Kofler sich in einem Traum wie der Nikolaus vor? (155)
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Was versteht Kofler unter Therapiegemeinschaft? (156 f.)
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Bei welcher Gelegenheit will März fotografiert werden? (158)
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März sieht einmal die Polizei-Sendung „Aktenzeichen XY“ – was bedeutet dies für ihn? (170)
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Woran hat der Sprachwissenschaftler Philip H. gearbeitet? (183)
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Wie wird Hans Galinski, der alle Wände voll malt, therapiert? (187)
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Wie reagiert Karl Fuchs, als er nach 31 Jahren von seinem Sohn und dessen neuer Frau besucht wird? (187 f.)
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/12 Punkte – Note:

Literaturhinweise
Man kann sich kurz mit Heinar Kipphardt selbst und seinem „Werk“ insgesamt befassen: Die rowohlt-Bildmonographie von Adolf Stock (1987) und die kurze Monographie von Sven Hanuschek (B. 1996), beide in der Stadtbibliothek RY/MG unter Pgr 30/Kipp, bieten Informationen und Literaturhinweise.
Im neuen Kindler Literatur Lexikon (Hauptwerke der dt. Literatur, Bd. 2) und in Metzlers „Literaturchronik“ (von Volker Meid) sucht man den Roman „März“ vergebens; vielleicht findet man ihn in anderen Lexika der modernen Literatur? -> sich in der Stadtbibliothek beraten lassen!
Bei S. Hanuschek bin ich auf zwei Aufsätze hingewiesen worden:
Endres, Elisabeth: Heinar Kipphardts Durchbruch. In: Merkur. 30. Jahrgang, 1976, S. 785-788 (literaturtheoretische Einordnung des Romans – Abgrenzung gegen „Dokumentarliteratur“).
Höfer, Adolf: Das Gesunde und das Kranke. Eine Untersuchung zentraler Themen der Gegenwartsliteratur am Beispiel von Heinar Kipphardts Roman „März“. In: literatur für leser. 1980, S. 116- 128.
Ich selbst kannte zufällig den Aufsatz von Hädecke, Wolfgang: Der taube Lärm unterhalb der Geschichte. Das Thema Wahnsinn in der neuesten Literatur. In: Neue Rundschau. 1978, S. 120-130.
Erstes Fazit: Ihr solltet die Signatur Pgr 30 in der Stadtbibliothek kennen (und unter Pgr und P einordnen) können; ihr solltet die Reihe rowohlts bildmonographien kennen; ihr solltet in der Stadtbibliothek den biographischen oder Interpretationenkatalog finden; ihr solltet euch in der Stadtbibliothek beraten lassen können; ihr solltet Zeitschriften aus der Stadtbibliothek ausleihen können.
Zweites Fazit: In vielen etablierten Werken wird Kipphardt nicht gewürdigt, obwohl „März“ sicher ein großer Roman ist. Die Frage nach den Gründen dafür wäre zu diskutieren.
Drittes Fazit: In dem lehrreichen Buch „Motive der Weltliteratur“ von Elisabeth Frenzel (Stuttgart 1976 – inzwischen neue Auflagen?) findet man die Stichworte: Sonderling, Rebell, Schelm und Narr. Es fehlen die Stichworte: Geisteskranker, Wahnsinn. Warum?
Das sind Hinweise darauf, wie du dich von den Weisheiten deines Lehrers unabhängig machen kannst. Wer freilich lieber seinem Lehrer blind vertraut … 3/03 Tn

Literaturhinweise 2
Die Sachproblematik des Romans erschließt sich in den Stichwörtern:
Individuum/Person
Norm, soziale
Rolle, soziale
Verhalten, abweichendes
im Wörterbuch „Grundbegriffe der Soziologie“, hrsg. von Bernhard Schäfers, 4. Auflage 1995, oder in ähnlichen Wörterbüchern – suche in der Stadtbibliothek unter dem Buchstaben G bzw. Ga! Man kann auch auf den Schülerduden „Politik und Gesellschaft“ zurückgreifen.
Wenn man sich den psychologischen Fragestellungen widmet, wird man neben den bereits vorgestellten Stichwörtern „Psychose“ und „Schizophrenie“ vielleicht noch „Identität“ oder „Ich-Identität“ und „Verhaltensstörung“ berücksichtigen. (Buchstabe M/Ma)
Die Überlegung, dass die Normalität gar nicht so weit von der Krankheit entfernt ist, habe ich bereits bei Erich Fromm: Die Furcht vor der Freiheit (Escape from Freedom, 1941), gefunden; dort versucht Fromm mittels gesellschaftskritischer Psychologie die Anfälligkeit der Menschen für den Nazismus zu erklären. In der Ausgabe Ullstein 35178 findet man die interessanten Überlegungen auf S. 122/24; der Neurosebegriff ist bei Fromm unklar. Er beschreibt die Flucht in Autoritäre, ins Destruktive und ins Konformistische als Mechanismen der Flucht vor der Freiheit.
Ansonsten sind die Bücher von Foucault und Laing immer noch lesenswert, ebenso Gregory Batesons „Ökologie des Geistes“, Teil III.
Etwas vorsichtiger, unter individualpsychologischem Aspekt, beschreibt Hans Thomae „Formen der Daseinsermöglichung“ (in: Neue Anthropologie, Bd. 5: Psychologische Anthropologie, 1973, S. 317 ff. – lesenswert, wenn auch alt!).
Literaturtheoretisch würde man beim Begriff „Dokumentarliteratur“ im Metzler Literatur Lexikon ansetzen und von diesem Artikel aus, den Verweisen folgend, weitersuchen.
Findet man etwas in einer Literaturgeschichte (Pg)? In einer Geschichte des deutschen Romans? des modernen Romans? des sozial-kritischen Romans? „Kritisches Lexikon zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur“ – das gibt es sogar in Giesenkirchen, Präsenzbestand (Pa)!
April 2000 Tn

2. Klausur Deutsch – 12 DG3
zu H. Kipphardt: März – drei Schulstunden (Abgabe 12.40 Uhr)

Sie können zwischen zwei Themen wählen:
1. Thema: Aufgabenstellung:
1. Analysieren Sie A. Höfer: Das Gesunde und das Kranke. In: literatur für leser, 1980, S. 126-128:
– Nennen Sie die Frage, welche A. Höfer hier bearbeitet.
– Beschreiben Sie den Gedankengang, in welchem Höfer seine Antwort gibt. (Beachten Sie: Der Autor ist die handelnde Größe!)
2. Erörtern Sie mit Bezug auf den Romantext Höfers Auffassung, die religiöse Dimension sei die zentrale Schicht, in der „Alexander März“ zu verstehen ist.
Erläuterungen zu Zeile
2 Deformation: Verformung;
6 stellvertretend leidend: Die Gestalt des stellvertretend leidenden Gottesknechts taucht erstmals im Buch Jesaja auf.
15 säkularisiert: verweltlicht (nicht mehr religiös verstanden);
17 Ecce homo: „Seht, welch ein Mensch“ (Pilatus über den gegeißelten Jesus = Schmerzensmann, Z. 28);
21 Golgotha: Ort (Berg) der Kreuzigung Jesu;
24 blasphemisch: Gott lästernd;
28 Opferlamm: stellvertretend leidende Figur;
47 bizarr: seltsam, wunderlich;
47 psychotischer Schub: ruckartiger „Fortschritt“ der Krankheit;
61 messianisch: wie eine Messias (Erlöser).
Die Seitenangaben im Text sind die der ersten Ausgabe; sie entsprechen (:) in unserer Ausgabe jeweils: S. 151 : 181; S. 7 : 10; S. 8 : 11; S. 7/8 : 10/11; S. 188 : 224; S. 141 : 169

2. Thema: Aufgabenstellung:
Untersuchen Sie, wie März durch das Liebesverhältnis mit Hanna sich verändert.
(Hier wird eine gegliederte Darstellung erwartet, in der Veränderungen am Text nachgewiesen werden.)

Mir wäre am liebsten, Sie würden das 1. Thema wählen, aber Sie haben natürlich das Recht, sich für das zweite zu entscheiden.
Tipp: Überlegen Sie, was jeweils die Anforderungen sind!

Lösungserwartung: Analyse zu A. Höfer: Das Gesunde und das Kranke. In: literatur für leser, 1980, S. 126-128
Höfer befasst sich in diesem Auszug aus seinem Aufsatz mit der Frage, wie die Figur Alexander in Kipphardts Roman „März“ zu verstehen ist. In einem ersten Gedankengang erklärt Höfer Alexander als eine säkularisierte Christusgestalt (Z. 1-33); danach wird Alexander kurz als Prototyp des modernen Dichters beschrieben (bis Z. 54); zum Schluss fasst Höfer seine beiden Gedankengänge zusammen.
Zuerst erklärt Höfer, wie jemand in der Leistungsgesellschaft überhaupt zum stellvertretend Leidenden werden kann: indem er sich nämlich weigert, der Zerstörung seiner Person zuzustimmen, wodurch er als psychisch krank gilt (Z. 1-6). Höfer zeigt kurz, dass es diesen Gedanken im Roman gibt, und behauptet, er durchziehe den ganzen Roman (Z. 7-13). Dann weist er anhand mehrerer Belege nach, dass Alexander sich als modernen Christus sieht (Z. 14-21); Höfer setzt sich kurz mit dem Bedenken auseinander, die von Alexander gespielte Golgotha-Szene sei Blasphemie (Z. 21-26), und erklärt ihren tieferen guten Sinn (Z. 27 ff.).
Mit der Wertung, die religiöse Diemension sei die zentrale Schicht der Figur Alexander, leitet Höfer zum zweiten Gedanken über, dem behaupteten Zusammenhang zwischen Krankheit und künstlerischer Produktivität (Z. 34-38). Dieser Zusammenhang wird erneut behauptet und durch den Hinweis auf die zuvor skizzierte Tradition (Th. Mann, G. Benn) gerechtfertigt (Z. 39-45). Höfer begründet danach seine Behauptung, indem Alexanders Produkte als „neuer, anderer Ich-, Welt- und Gesellschaftsentwurf“ (Z. 49 f.) vorgestellt (bewertet) werden, worin Höfer „fast“ eine Definition von Literatur erkennt (Z.53), was seine These bestätigen soll.
In der abschließenden Zusammenfassung bewertet Höfer die Figur Alexander als eine mit einem faszinierenden Doppelgesicht: stell-vertretend an der Gesellschaft Leidender und zugleich Prototyp des modernen Dichters, der den Weg zur Heilung weist (Z. 55 ff.)

Leistungen:
* die Frage Höfers;
* Aufbau des Textes (drei Teile);
* unterscheiden zwischen Erklärungen und Bewertungen;
* Techniken der Begründung bzw. Argumentation erkennen;
* Analyse durch Textverweise absichern (richtig zitieren).
Achte auf den Aufbau meiner Analyse und die Überleitungen (erste Sätze) zu einem neuen Absatz!

Zur Sache vgl. noch die Erfahrungen Betroffener (Dorothea Buck u.a.):

http://www.mut-zum-anderssein.de/home.html

http://www.bpe-online.de/buck/index.htm

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