Pascal Mercier: Perlmanns Schweigen (1995) – Eindrücke

Eine Besprechung sollen diese Zeilen nicht werden, nur ein kurzer Bericht von der Lektüre eines Romans. „Perlmanns Schweigen“ besteht für mich aus zwei Teilen. Die ersten 300, 330 Seiten habe ich mit großer Anteilnahme und Spannung gelesen. Da übersetzt der große Forscher Perlmann, der plötzlich gemerkt hat, dass er nichts mehr zu sagen hat, das Manuskript seines russischen Kollegen Leskow über die These, dass durch das Erzählen die Vergangenheit erst erschaffen wird. Mit dieser Übersetzung – mit vielen Reflexionen zum Erzählen und zur Zeit, die sich dem Philosophen Bieri verdanken! – vertreibt Perlmann sich die Zeit bis zu seinem Vortrag, den er nicht geschrieben hat und vor allem nicht schreiben kann, in einem von ihm organisierten und von Olivetti bezahlten Kreis ausgewählter Forscher. Er gibt dann die Übersetzung als sein Werk aus, was jedoch gerade noch scheitert – einmal weil versehentlich ein anderer Text kopiert worden ist, dann weil Leskow unerwartet selber auftaucht.

Dann beginnt der zweite Teil des Romans, der langweilige: Perlmann, immer auf der Suche nach der erlebten Gegenwart, will Leskow durch einen fingierten Autounfall töten und so die Blamage verhindern, die durch Entdeckung des Plagiats [er kannte Guttenberg noch nicht!] ihn getroffen hätte. Diese ganzen Bemühungen ziehen sich endlos hin, es wird viel geraucht, Kaffee getrunken und packungweise Aspirin geschluckt; eine Romanze mit Evelyn Mistral kommt leider nicht zustande… Dafür wird der Frage, wieso Perlmann den Kollegen so feindlich-misstrauisch begegnet und warum er sich unbedingt abgrenzen will, viel Platz eingeräumt. Zum Schluss gelingt es Perlmann, der zwischenzeitlich zusammengebrochen ist und allgemein Mitleid erregt hat, Leskov seinen veruntreuten zweiten Entwurf fast vollständig anonym wieder zuzuschicken, sodass Leskow eine akademische Stelle erhält; Perlmann seinerseits steigt aus dem akademischen Betrieb aus und bewirbt sich als Lehrer an einer Schule in Managua. Das Verhältnis Perlmanns zu seiner Tochter bleibt ungeklärt, das Verhältnis zu seiner verunglückten Frau Agnes ist mir zu schematisch geblieben.

Im Rückblick glaubt man unterirdische Querverbindungen zwischen Professor Perlmann und Professor Bieri (= Pascal Mercier) zu ahnen, welcher gut zehn Jahre nach der Veröffentlichung von „Perlmanns Schweigen“ ebenfalls vorzeitig aus der akademischen Karriere ausgestiegen ist. Das Verhältnis zwischen den gedanklich bestimmten Passagen und der Schilderung von Handlung ist unausgewogen; der Autor hat hier erst geübt, „Nachtzug nach Lissabon“ ist viel besser.

http://www.literatur-fast-pur.de/Tom/0perlmanns-schweigen.html

http://www.emlange.de/inhalt/onlineOriginale/pdf/BieMerZeiErl.pdf (siehe auch http://www.emlange.de/inhalt/onlineOriginale.php Übersicht: Langes Texte)

http://lachsauge.de/node/409

http://www.bookpedia.de/buecher/Perlmanns_Schweigen

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